Seit 50 Jahren baut Mercedes Gran Turismos. Alle waren begehrenswert. Das dürfte sich beim neuen E-Klasse Coupé nicht ändern.
Elegante Coupés bilden in der Regel den krönenden Abschluss einer neuen Modellreihe, quasi das Sahnehäubchen. Erst werden Limousinen, Kombis und andere Ableger auf die Straße geschickt, bevor der exklusive Zweitürer die letzten Kunden abfischt. Die Parallele findet sich im wahren Leben. Erst nachdem Kind und Kegel durch sämtliche geräumigen Fahrzeugvarianten geschleust wurden, kann man beim Kauf Klappsitze und Kofferraumvolumen mental beiseiteschieben und sich den schönen Autos zuwenden.
Schön heißt: mit den passenden Proportionen. Mercedes pflegt die Tradition des eleganten Mittelklasse-Coupés bereits seit den Strich-Acht-Modellen, also seit fast 50 Jahren. Da weiß man, worauf’s ankommt. Möglichst lang sollte sich der Zweitürer strecken, seine Motorhaube mit dem Horizont verschmelzen und der knackige Hintern zum Streicheln verleiten. Kurz: Auf keinen Fall darf er wie eine umgestylte Limousine aussehen.
Kürzer und flacher als die Limousine
Davon ist das neue E-Klasse Coupé weit entfernt. Es ist bei etwas weniger Radstand sieben Zentimeter kürzer und vier Zentimeter flacher als die netto rund 2.800 Euro billigere Limousine. Seine knackige Front und das muskulöse Heck geben ihm eine ganz eigenständige Form. Daran haben auch die flachen Rückleuchten in Kristalloptik ihren Anteil. Beim Öffnen und Schließen des Fahrzeugs spielen sie eine bunte Lightshow ab, knipsen ihre LED wie ein Leuchtband an- und aus.
Erst im Innenraum nähert sich das Coupé den anderen E-Klasse-Modellen an. Vor dem Fahrer breitet sich das aktuelle Cockpit mit zwei je gut zwölf Zoll großen Bildschirmen aus, die unter dem Glas optisch zu einer Einheit verschmelzen. Eingerahmt werden sie von silbernen, an Turbinen erinnernden Luftdüsen. Die Bedienung von Navi, Bordcomputer oder Assistenzsystemen über den zentralen Controller kennt man mittlerweile von den anderen Modellen, ebenso wie die Sensortasten am Lenkrad oder das Head-up-Display.
Innenraum im Yachten-Look
Dem Coupé gibt Mercedes eigene Innenausstattungen auf den Weg. Blaues Ledercockpit mit beigen Sitzen und hellem, offenporigem Holz etwa kommt richtig gut, nicht nur bei Yachtbesitzern. Wer seinen Spieltrieb ausleben will, kann dazu aus 64 Farben die passende Innenraumbeleuchtung einschalten.
Auch die Sitze wurden angepasst. Wie es sich für einen sportlichen Zweitürer gehört, schwebt der Hintern von Fahrer und Beifahrer gefühlt nur ein paar Zentimeter über der Straße. Die beiden Einzelplätze hinten darf man übrigens guten Gewissens auch für längere Fahrten anbieten. Beim Einsteigen surren die Vordersitze elektrisch nach vorn. Hat man sich dann erstmal zwischen Lehne und B-Säule vorbeigefädelt, sitzt man dort sehr passabel und ohne, dass man Platzangst bekommen müsste. Über dem Kopf bleiben auch größeren Menschen noch ein paar Zentimeter Luft und die nach hinten zugespitzten Fenster sind ausreichend groß.
In Sachen Assistenzsysteme spielt das Coupé in der gleichen Liga wie Limousine und Kombi. Radar- und Infrarotsensoren sowie Kameras überwachen die Umgebung, auf Autobahnen kann der Fahrer für ein paar Sekunden die Hände vom Steuer nehmen und das Auto sogar selbstständig die Spur wechseln lassen. Außerdem bietet Mercedes umfangreiche Entertainment- und Konnektivitätslösungen. Smartphones laden auf einer Induktionsschale kabellos (200 Euro, alle Preise netto), sofern sie den neuen Qi-Standard unterstützen. Für 490 Euro verbinden sie sich auch gleich mit der Autoantenne und loggen sich ins Multimediasystem ein. Alternativ nutzt der Fahrer Apple Car Play oder Google Android Auto, um Musik zu hören, zu navigieren oder zu telefonieren.
Erstmals lassen sich die onlinebasierten Mercedes Me-Dienste wie Echtzeit-Verkehrsdaten oder der ferngesteuerte Einparkassistent auch mit der Basis-Navi von Garmin (850 Euro) nutzen. Übertragen werden die Daten allerdings nur im relativ langsamen UMT-Standard. Wer auf LTE setzt (150 Euro), muss 2.750 Euro für das große, komfortable Comand System einplanen. Das zeigt nun freie Straßen grün an und warnt, wenn man sich einem gefährlichen Stauende nähert.
Neue Sechszylindermotoren
Das Coupé startet mit drei aus dem E-Klasse-Programm bekannten Benzinern sowie als 220 d mit einem neuen, 194 PS starkem Diesel (42.500 Euro). Der wie alle Motoren an eine schnelle Neungang-Automatik gekoppelte Zweiliter-Vierzylinder läuft fast unhörbar und praktisch vibrationsfrei, bietet völlig ausreichend Leistung bei moderatem Verbrauch (Normwert: 4,0 l/100 km, 106 g CO2; Praxisverbrauch um 7 Liter). Unser Alternativ-Tipp gilt dem 245 PS starken E 300 (46.000 Euro). Mit 1.400 Nm kaum über dem Leerlauf hat der ausgewogene Vierzylinder mächtig Dampf. So schaffen moderate Fahrer ohne Verzicht auf Fahrspaß eine Acht vor dem Komma.
Vielleicht sollte man aber auch einfach ein paar Monate auf die noch für 2017 angekündigten neuen Motoren warten. Darunter große Sechszylinder, die zu einem Gran Turismo sowieso besser passen. Der Benziner soll gut 400 PS stark werden und beim Dreiliter-Diesel darf man sich auf 313 PS freuen. Ein wenig zu warten sind Coupé-Käufer doch gewohnt.