Mit dem Q30 will Infiniti endlich in Europa Fuß fassen. In der Kompaktklasse aus Fernost steckt viel Mercedes-Technik. Er ist quasi ein naher Verwandter vom GLA – zum deutlich kleineren Preis.
Bevor wir mit dem neuen Q30 auf die Straße stürmen, sind ein paar Fakten ganz hilfreich. Seit sieben Jahren versucht Nissan seinen Premium-Ableger Infiniti in Europa zu positionieren. Recht erfolglos. Die Marke ist hierzulande weitestgehend unbekannt. Viele verwechseln Infiniti sogar mit dem Lautsprecherhersteller Infinity. Woran das liegt? Man sieht die Autos so gut wie nicht. Gerade einmal 1.000 Fahrzeuge wurden im vergangenen Jahr bei uns neu zugelassen. Wäre Sebastian Vettel nicht ab und an mit seinem früheren Sponsoring-Dienstwagen QX 70 am Rande der Formel-1-Übertragungen über die Fernsehbildschirme geflimmert, könnten auch Autoaffine die Marke nur schwer zuordnen.
Die mangelnde Präsenz in Deutschland ist hausgemacht. Statt sich ans bestehende Nissan-Händlernetz dranzuhängen, versucht Infiniti auf eigenen Beinen zu stehen. Das Ergebnis: Lediglich sechs Anlaufstellen für Kunden gibt es deutschlandweit. Mit zwei großen Limousinen und zwei großen SUV trifft man zudem nicht ganz den europäischen Geschmack. Das soll sich nun ändern. Für 2016 plant Infiniti sein Händler- und Servicepartnernetz an strategisch wichtigen Standorten auszubauen. Und damit die Kunden auch einen triftigen Grund haben, den Weg zum nächsten Händler auf sich zu nehmen, startet Infiniti mit seinem ersten Kompaktwagen, dem Q30.
Der Q30 übernimmt viele Komponenten aus der A-Baureihe
So viel zum Basiswissen. Zeit in den Praxisteil überzugehen. Tür auf. Rein in den Q30. Flopp, die schwere Tür fällt satt ins Schloss. So gehört es sich für ein Premium-Modell. Merkwürdig, irgendwie kommt uns der Q30 wie ein Bekannter vor. Mercedes-Fahrer werden es gleich bemerken. Beim neuen Infiniti Q30 kommt die Kooperation zwischen Daimler und der Renault-Nissan-Allianz zum Tragen. Fast alle Tasten und Kippschalter an Türen, Lenkrad und Mittelkonsole stammen eins zu eins aus dem Mercedes-Regal. Selbst Icons und Farben des Bordcomputers, den Tempomathebel am Lenkrad, den Schaltknüppel, ja sogar den Griff für den Kofferraumboden hat sich Infiniti von der schwäbischen A-Baureihe geschnappt.
Aber ganz ehrlich, ein Nachteil ist das für den Q30 nicht. Das Cockpit ist Top verarbeitet und die Materialien fühlen sich hochwertig an. Von einem billigen Asia-Abklatsch kann also nicht die Rede sein. Auf eigene Stilelemente wollten die japanischen Ingenieure nicht verzichten: Im Gegensatz zum freistehenden Monitor in den neueren Mercedes-Modellen verpackt Infiniti sein Infotainmentsystem beispielsweise in einen ins Armaturenbrett integrierten Bildschirm. Der – wie auch bei Mercedes üblich – über einen Drehdrücksteller aber zusätzlich direkt über den Touchscreen gesteuert werden kann.
Weich gefedert und gut gedämmt
Der 4,42 Meter lange Q30 hat zwar fast bis auf den Zentimeter genau die gleichen Abmessungen wie der GLA, optisch geht der Japaner aber einen ganz anderen Weg. Der Kühler ist riesig, der Chrom-Knick in der C-Säule einzigartig und das Heck knackig sportlich. Wobei die dynamisch-zackigen Formen so gar nichts mit dem Fahrgefühl gemein haben. Der Q30 ist komfortabel abgestimmt, lässt lange wie kurze Bodenwellen völlig unbeeindruckt hinter sich. Gut, weich federn können viele in dieser Klasse. Aber kaum ein Kompaktwagen schottet den Fahrer so intensiv von Außengeräuschen ab. Im Q30 herrscht regelrecht Stille. An Schallschutz und Isolationsschichten hat Infiniti nicht gespart. Beim 2,2-Liter-Diesel neutralisieren sogar künstlich erzeugte Schallwellen über die Lautsprecher nervige Motorgeräusche.
Apropos Motoren. Hier orientiert sich Infiniti wieder am GLA: Drei Benziner (122 bis 211 PS) und zwei Diesel (109 und 170 PS) stehen zur Wahl. Je nach Motorisierung ist der Q30 mit Allrad und einer Siebengang-Doppelkupplung bestellbar. Schon der kleinere Selbstzünder mit 1,5 Liter Hubraum genügt, um mit dem kompakten Japaner im Verkehr mitzuschwimmen. Der Selbstzünder reagiert rasch auf Gasbefehle, gibt die Leistung aber nicht zu hastig frei und beschleunigt gleichmäßig. Die Gänge der Sechsgang-Schaltung gleiten geschmeidig durch die Gassen. Spürbar kräftiger geht der 2,2-Liter-Diesel ans Werk, der serienmäßig mit der souveränen Doppelkupplung antritt.
So viel zum Fahrerischen. Ein paar interessante Fakten haben wir uns noch aufgespart. Obwohl im Q30 (ab 20.336 Euro netto) viel GLA (ab 23.250 Euro) steckt, ist er rund 3.000 Euro günstiger. Infiniti preist den Q30 auf dem Niveau der A-Klasse (A 180 ab 20.955 Euro) ein. Die Taktik ist also klar: Den Crossover-Trend gibt‘s bei Infiniti gratis.