Virtuelles Cockpit Ganz großes Auto-Kino

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Im Auto von morgen gibt es keine klassischen Rundinstrumente mehr – an ihre Stelle rückt ein hochauflösendes Display. Der Trend der Zukunft heißt virtuelles Cockpit.

Die Mercedes S-Klasse nutzt es bereits seit zwei langen Generationen, bei neuen Modellen von Volvo ist es inzwischen genauso Standard wie beim Tesla S oder dem Citroën C4 Picasso: das virtuelle Cockpit. In der S-Klasse spielt sich richtig großes Kino vor dem Fahrer ab. Bis hin zur Mittelkonsole erstreckt sich ein riesiges Anzeigefeld, auf dem der alle wichtigen Informationen einspielt.

Schaltet er beispielsweise die Navigation ein, gleiten die als Rundinstrumente eingespielten Drehzahlmesser und Tacho zur Seite und überlassen der Karte mehr Platz. Und schon vor Jahren war die S-Klasse das erste Auto mit einem Splitview-Bildschirm. Je nachdem, von welcher Seite man darauf schaut, liefert er ein unterschiedliches Programm. So kann der Beifahrer einen Film anschauen, während der Fahrer auf demselben Bildschirm die Navikarte sieht.

Künftig kann der Fahrer sein Cockpit selbst konfigurieren

Auch beim jüngsten Audi TT spielt sich die größte Innovation im Innenraum ab. Besser gesagt direkt vor der Nase des Fahrers. Denn das virtuelle Cockpit des Sportwagens kommt gleich mit einigen wegweisenden Neuerungen. Die Ingolstädter zeigen, wohin die Reise geht und haben sich beim TT vom traditionellen Armaturenkonzept komplett verabschiedet. Statt von mechanischen Anzeigeinstrumenten werden alle wichtigen Informationen auf einem 12,3 Zoll großen TFT-Monitor hinter dem Lenkrad dargestellt.

Das Display verfügt über eine hohe Auflösung von 1.440 x 540 Pixel. Der Fahrer kann zwischen zwei Darstellungsmöglichkeiten wählen. In der klassischen Ansicht rücken die beiden Rundinstrumente für Geschwindigkeit und Drehzahl in den Vordergrund. Zwischen den Instrumenten sind Infotainment-Inhalte für die Navigation, die Audio- oder etwa die Fahrzeugeinstellungen untergebracht. Dabei ändert das Display sein Farbdesign. Wird das Medienmenü gewählt, verfärbt es sich orange, beim Telefonmenü ist es grün.

Über die View-Taste am Multifunktionslenkrad lassen sich die digitalen Rund­instrumente für Geschwindigkeit und Drehzahl verkleinern. Gleichzeitig rücken sie an den äußeren Rand des Displays und machen so Platz für eine Format füllende Navigationskarte. Die ist sehr kontrastreich und zeigt in ihrer 3D-Darstellung sogar funkelnde Sterne über dem Horizont. Sieht man von der etwas verspielten dreidimensionalen Ansicht einmal ab, bringt die voluminöse Kartendarbietung auf dem zentralen Display einen doppelten Nutzen. Einerseits spart sich Audi mit der zentral gebündelten Anordnung einen zweiten Bildschirm, andererseits muss der Blick des Piloten nicht mehr zur Mittelkonsole schweifen und ist weniger vom Verkehrsgeschehen abgelenkt.

Natürlich lassen sich auch die Grafiken der Assistenzsysteme darstellen. Sämtliche Daten sind auf dem digitalen Kombiins­trument intuitiv angeordnet und leicht lesbar. Das projizierte Bild ist gleichermaßen verblüffend scharf wie hochbrillant. Um dieses Ergebnis zu erzielen, musste Audi allerdings tief in die Trickkiste greifen. Damit sich für das menschliche Auge die animierten Zeiger der Instrumente auch wirklich flüssig drehen, müssen 60 Bilder (Frames) pro Sekunde erzeugt werden.

Autos werden zu rollenden Büros

Der schnelle Grafik-Prozessor Tegra 30 des Marktführers Nvidia läuft dabei zu Höchstleistungen auf. Er arbeitet mit acht Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde, seine Taktfrequenz liegt bei einem Gigahertz. In der Praxis verschwindet der visuelle Eindruck nahezu und die Instrumente wirken nach kurzer Zeit ziemlich realistisch.

Die Schnittstellen von Mobilität und Multimedia-Kommunikation nehmen ­eine immer wichtigere Rolle ein, unsere Fahrzeuge verschmelzen zu rollenden Büros. Im virtuellen Cockpit, dessen Bedienstruktur stark einem Smartphone ähnelt, werden E-Mails oder Nachrichten angezeigt und vorgelesen.

Die hochauflösenden Instrumente stellen einen Trend dar, der zunehmend immer größere Kreise zieht. So bietet auch der Mutterkonzern VW für die neue Passat-Generation einen digitalen Kommandostand an. Allerdings fällt das virtuelle Cockpit beim VW Passat weniger fahrer-fokussierend aus wie beim Audi TT. Weitere Hersteller, nicht nur aus dem Premiumsegment, werden nachziehen, da die Technik erschwinglicher ist.

Deshalb arbeitet nahezu jeder Automobilhersteller an der Weiterentwicklung der digitalen Instrumenteinheiten. Ob dabei die Darstellung aller fahrrelevanten Daten ausschließlich auf einem zentralen Display erfolgt oder, wie bei BMW geplant, ausschließlich über ein Head-Up-Display direkt und auf die Windschutzscheibe abgebildet werden soll, liegt in der Entscheidung jedes Autobauers. Den gestalterischen Freiheiten sind hierbei (fast) keine Grenzen gesetzt. Solange das animierte Cockpit wie beim Audi TT nicht mit überfrachteten Informationen ablenkt, ist eine solche Lösung uneingeschränkt begrüßenswert.

Der Weg zum digitalen Cockpit

Was im Flugzeugbau schon lange gang und gäbe ist, findet nun in größeren Stückzahlen Einzug in die Automobilwelt: das virtuelle Cockpit. Dabei begannen die ersten Gehversuche in die Großserie bereits schon Mitte der 1980er-Jahre mit dem Opel Kadett GSI, dem Citroën BX Digit oder etwa dem Renault 11 Electronic. Letzterer besaß nicht nur vollelektronische Instrumente, sondern verfügte über eine synthetische Sprachaus­gabe, die den Fahrer akustisch warnte, wenn die Türen nicht richtig geschlossen waren oder die Scheinwerfer beim Verlassen nicht ausgeschaltet wurden.

Das digitale Cockpit spaltete aber die Auto-Entwickler in zwei Lager: Während viele europäische Hersteller abwarteten oder nur vereinzelt folgten, setzten amerikanische Autobauer dagegen umso stärker auf die virtuelle Technik. Die digitalen Instrumente, im Volksmund auch als Mäusekino verspottet, fanden bei den Käufern aber nur wenig Anklang und setzten sich nicht durch. Mit ein Grund: Die futuristischen und sehr bunten Cockpits leuchteten bei Nachtfahrten grell und blendeten den Fahrer. Teilweise waren sie verspielt und von der grafischen Auflösung kaum besser als ein Taschenrechner aus jener Zeit.

Die damalige Elektronik war noch nicht ausgereift und störanfällig. Eine Reparatur bedeutete den Austausch der kompletten Einheit, die überaus kostspielig war. Trotzdem war der Siegeszug der elektronischen Anzeigen nicht mehr aufzuhalten. Wenn auch nur in kleiner Form mit Bordcomputern für Durchschnittsgeschwindigkeit, Verbrauch sowie Reichweite. Die wichtigen Werte wurden weiterhin analog abgebildet, denn nicht nur Schöngeister bevorzugten lieber schicke Instrumente mit filigraner Skala und mechanischen Zeigern.