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Volvo Volvos neue Oberklasse

Volvo S90 Foto: Volvo 4 Bilder

Fünf Meter lang und voll mit Technik: Volvo wieder in die Oberklasse einsteigen.

Hohe Zäune und ein dichter Fichtenwald schützen das riesige Testgelände von Volvo vor neugierigen Blicken, von keiner Seite aus kann das gut 700 Hektar große Areal eingesehen werden. Auch umherstreifende Elche oder Rentiere haben keine Chance, ihr Revier auszuweiten und die rund um die Uhr kreisenden Prototypen und ihre rund 100 Testfahrer zu gefährden. In diesem Umfeld bekommt gerade das neue Flaggschiff des schwedisch-chinesischen Konzerns den letzten Schliff. Noch 14 Wochen Zeit haben die Techniker bis zur Premiere des S90 auf der Autoshow in Detroit. Sie kümmern sich vor allem um das neu entwickelte Fahrwerk, das in der oberen Mittelklasse neue Maßstäbe setzten soll.

Kein Wunder also, dass sich fast täglich hoher Besuch aus der gut eine Autostunde entfernten Volvo-Zentrale in Göteborg einfindet. Auch Peter Mertens, der deutsche Entwicklungschef, schaut immer wieder in Hällered vorbei. Während er jedoch im ungetarnten S90 seine Runden drehen darf, müssen firmenfremde Besucher mit einer Art „Dummy“ Vorlieb nehmen. Unter das bekannte Blechkleid des erheblich kleineren Vorgängers S80 wurde das komplette Fahrwerk des Neulings montiert. „Schon seit sieben Jahren dient uns der S80 als Versuchsträger“, berichtet Mertens. Der 56jährige Ingenieur machte sich einst bei Mercedes als Projektleiter der ersten A-Klasse einen Namen, stand auch schon bei Opel oder Land Rover auf der Gehaltsliste und nennt den neuen großen Volvo eine der wichtigsten Aufgaben seiner Laufbahn. „Wie schon beim XC90 haben wir alles komplett neu entwickelt. Überall, wo Volvo draufsteht, ist jetzt auch Volvo drin“, sagt er.

Das gilt in besonderer Weise für das Fahrwerk und das gesamte Chassis des S90, der das zweite Modell des Baukastens namens SPA ("Skalierbare Produkt Architektur") ist. Dieser ist für die größeren Volvos reserviert und so variabel, das er in verschiedene Modelle passt, die sich auch in ihrer Länge unterscheiden können. Unter der Haube sind stets Zweiliter-Motoren vorgesehen, die mit einem Plug-In-Hybrid kombiniert werden können, dessen Elektromotor also auch an der Steckdose aufgeladen werden kann. Um Platz zu sparen, wird an der Hinterachse anstatt der hohen Federbeine eine Art "Blattfeder" montiert, die im Gegensatz zu den früheren Konstruktionen aus leichtem Glasfiber besteht und quer eingebaut ist.

Wie im SUV XC90 kann aber auch eine Luftfederung eingesetzt werden, die die Wahl zwischen betont sportlicher oder komfortabler Fahrweise möglich macht. Mertens: "Während die Kunden eines XC90 lieber komfortabel reisen, steht bei einer Limousine eher die Dynamik im Vordergrund. Deshalb haben wir für künftige Kunden des S90 die Möglichkeit geschaffen, das sportliche Potenzial des Fahrwerks auszureizen". Dabei hilft, dass sich die viertürige Premium-Limousine erheblich flacher auf die Straße duckt, dank der coupéhaften Linie dem Wind weniger Widerstand bietet und zudem viel leichter ist als der hochbeinige XC90, der bei Bedarf ja auch mal ins Gelände abbiegen kann.

Einen Vorgeschmack liefert die Fahrt im umgebauten S80 auf der kurvigsten der 25 Teststrecken von Hällered. Die engen Biegungen meistert er ebenso souverän wie die eingebauten Bodenwellen, die beim rasanten Überfahren einfach weggebügelt werden. Dazu kaum Seitenneigung, Spurtreue und eine zielgenaue Lenkung, die aus dem einst so braven S80 fast schon einen Sportwagen macht. Noch deutlicher wird die Leistungsfähigkeit im Simulator, einem der weltweit besten und modernsten seiner Art. Hier wurde die berüchtigte Nordschleife des Nürburgrings programmiert. Die Jagd durch die "grüne Hölle" bestätigt die Eindrücke auf der echten Piste. Ein völlig neues Volvo-Gefühl also, das mit den skandinavischen Dickschiffen von einst nichts mehr gemein hat.

Und dann, plötzlich und unerwartet, schob sich der "echte" S90 doch noch ins Blickfeld. Stolz zeigt er seinen steil stehenden Kühlergrill, der von schmalen Scheinwerfern umrahmt ist. Das flache Dach endet mit einer sanften Linie im knackig-kurzen Heck. Die großen Räder füllen ihre Radhäuser markant aus. In Summe ein Volvo, wie es ihn noch nie in der langen Geschichte des Traditionsunternehmens gab. Da alles, mit dem Fotos gemacht werden können, zuvor in Schließfächern geparkt werden musste, konnte der kurze Sichtkontakt nicht für die Nachwelt festgehalten werden. Keine Sorge, schon Anfang Dezember will Volvo das erste Foto seines Super-Stars präsentieren. Nach der Premiere der Limousine in Detroit folgt schon auf dem Genfer Salon die des zugehörigen Kombis.