Volvo V90 Recharge T8 (2022) Test So fährt der neue Hybridantrieb

Hanno Boblenz Foto: Thomas Küppers 13 Bilder

Größere Batterie, stärkere E-Motoren: Volvo hat seine Plug-in-Hybriden aufgerüstet. Aber sind sie auch sparsam? Wir testen die 455-PS-Version des großen Kombis.

Eine Woche nur dauerte es nach Russlands Überfall auf die Ukraine, dann kratzte der Preis für Super E5 an der Zwei-Euro-Marke. Das juckt uns aber erstmal nicht, als Plug-in-Hybride fährt unser Volvo V90 Recharge T8 auch elektrisch. Und noch sind die Strompreise nicht explodiert.

Also ran an die Ladesäule, den Akku geladen und dann auf die Verbrauchsrunde. Die Schweden haben ihre Plug-in-Hybriden mit größeren Batterien ausgerüstet. Statt 11,6 jetzt 18,8 kWh (davon knapp 17 nutzbar), das ist ein Wort. Auch deshalb, weil der Preis des V90 nur minimal auf 60.630 Euro netto stieg.

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Doch kaum ist der große Kombi an der Ladesäule angestöpselt, werden wir schon wieder ausgebremst. Über fünf Stunden Ladezeit meldet das Display im Cockpit. Da haben die Ingenieure wohl vergessen, auch gleich einen stärkeren Bordlader einzubauen. Mit langsamen 3,7 kW tröpfeln die Elektronen in die Batterie. Das kann teuer werden, denn große Stromanbieter wie EnBW kassieren an öffentlichen Ladesäulen oft nach vier Stunden Standgebühren.

Laden? Gäähn

Zuhause stört das nicht, aber den Firmenwagen unterwegs beim Kunden schnell nachladen? Keine Chance. Das können beispielsweise Mercedes oder Land Rover besser. Dort powert der Strom sogar am AC-Lader mit bis zu 60 kW. Aber wenigstens hält der Volvo seine 3,7 kW konstant fast bis zum Ende.

Ladesäule, Elektrotankstelle, Strom tanken,Hanno Boblenz Foto: Thomas Küppers
Leider hat Volvo vergessen, dem V90 einen schnellen Bordlader mitzugeben. Mindestens fünf Stunden dauert es, bis der Akku voll ist. An öffentlichen Ladesäulen kann das zum Problem werden, oft muss man ab vier Stunden Standbgebühr bezahlen.

Parallel zum Batterie-Update spendiert Volvo dem Kombi einen stärkeren E-Motor (107 statt 65 kW) sowie ein paar mehr PS für den Verbrenner (310 statt 303 PS). Zusammen kommt das System auf 455 PS und soll nach WLTP 88 Kilometer elektrisch schaffen. Erster Eindruck: souverän. Der 145 PS starke Elektromotor an der Hinterachse kommt spielerisch zurecht mit dem großen Kombi. Selbst auf den die Steigungen hinauf aus dem Stuttgarter Talkessel muss der Benziner nicht eingreifen. Beim Bergabfahren sowie im Stopp-and-Go fällt die sehr gut dosierte Bremswirkung der Fahrstufe B auf. Einmal den Schalthebel nach hinten ziehen, dann lässt der Kombi bequem im Ein-Pedal-Modus fahren.

Bei langsamer Fahrt summt der V90 wie ein E-Auto

In Tempo-30-Zonen oder wenn er langsam an die Ampel rollt, summt der Wagen leise. Zum Schutz für Fußgänger oder Radfahrer. Aber auch Fahrer und Auto werden ab dem Modelljahr 2022 besser geschützt. Eine neue Sensorplattform erfasst per Radar-, Kamera- und Ultraschallsystemen die gesamte Fahrzeugumgebung und greift bei Gefahr automatisch ein, bremst den Wagen beispielsweise beim Rückwärtsfahren ab, falls sich ein Fußgänger oder Auto von der Seite nähert. Das Notbremssystem arbeitet bei jedem Tempo und auch nachts, soll neben anderen Fahrzeugen Fußgänger, Radfahrer, Motorräder und größere Tiere erkennen. Der Frontkollisionswarner jedenfalls funktioniert besser als im Vorgänger, der bei versetzt geparkten Autos noch ab und zu mit Fehlalarmen nervte.

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Nach rund 30 Kilometern erreichen wir die Autobahn. Bei den meisten andere Plug-in-Hybriden sind jetzt die Akkus leergefahren. Der V90 mit seinem großen Stromdepot hat noch Reserven. Die wollen wir aber nicht auf der linken Spur verblasen, sondern für später aufbewahren, wenn wir mit zivilem Tempo über die Schwäbische Alb düsen.

Volvo verwendet keine Navidaten für die Motorsteuerung. Also weiß der Wagen nicht, dass ihn 40 schnelle Autobahnkilometer erwarten. Deshalb klicken wir im Untermenü auf „Hold“ und lassen den Verbrenner alleine arbeiten. Sofort springt der Vierzylinder an und überrascht mit kernig herbem Klang, der sich aber bei höherem Tempo verliert.

Schnelle Navigation dank Google Maps

Zeit, das überarbeitete Cockpit genauer anzuschauen. Volvo hat auch den V90 auf ein Android-Betriebssystem umgestellt und nutzt Google Maps. Ein Ziel einzugeben ist so einfach wie auf dem Smartphone. Das System versteht ziemlich jede gesprochene Adresse auf Anhieb, egal ob man eine Straße, ein Geschäft oder eine Behörde sucht.

Display, Navigation Foto: Thomas Küppers
Das Anndroid-Betriebssystem des Auto wurde zusammen mit Google entwickelt. Deshalb nutzt der Volvo auch Google Maps als Navisystem.

Top, da braucht man kein Apple Car Play, das zudem nur per Kabel funktioniert. Oder nur, um die eigene Musik zu hören. Dafür finden sich auf dem auf dem Hochformat-Bildschirm etliche Apps, von der ARD-Mediathek über Internetradio bis zu Spotify. Das Handy kann also in der Tasche bleiben. Woanders lässt es sich sowieso nicht unterbringen. Außer zwei Cupholdern und einem Mini-Fach für eine Geldbörse gibt’s zwischen den Vordersitzen keinerlei Ablagen, nicht einmal die inzwischen überall übliche Ladeschale fürs Smartphone.

Sehr beschränkt sind auch die Einstellmöglichkeiten. Man kann weder die Farbe der Innenraumbeleuchtung wählen noch irgendwelche Begrüßungs—oder Klingeltöne einstellen. Die Reduktion aufs Nötigste gehört zur neuen DNA von Volvo. Alles, was ablenken könnte, flog raus.

Tempo 180 - mehr geht nicht

Auf der freien Autobahn schwingt sich der große Kombi lässig auf Tempo 180, wo er sanft abriegelt. Klasse, wie das adaptive Fahrwerk Querrillen wegradiert (1.840 Euro samt 20-Zoll-Rädern). Besonders wenn häufig Kollegen oder Familie mitfährt, empfiehlt sich die luftgefederte Hinterachse, da sie den Komfort dort spürbar erhöht.

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Dafür würden wir uns doch etwas mehr Laufkultur vom Vierzylinder wünschen. An den steilen Aufstiegen auf die Schwäbische Alb klingt er ziemlich angestrengt, selbst wenn die Leistung passt und er kräftig anschiebt. Und auf der Ebene fährt er immer wieder lange Strecken elektrisch, lädt den leeren Akku beim Bergabfahren schnell nach.

Auch mit leerem Akku ist der schwere Wagen sparsam

Nach 200 Kilometern tanken wir 11,4 Liter nach, was einem Durchschnittverbrauch von nur 5,6 Litern plus 8,5 kWh Strom entspricht. Auf der zweiten, komplett mit leerem Akku gefahrenen Runde steigt der Verbrauch nur auf 7,4 Liter. Nicht schlecht für ein Auto dieses Kalibers, das leer immerhin 2,1 Tonnen wiegt, und etwas beruhigend in Zeiten extremer Spritpreise.