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VW fehlt Ladeinfrastruktur Gibt es zu wenige Ladesäulen?

VW fordert einen Masterplan für den schnellen Ausbau der Lademöglichkeiten Foto: VW

VW sieht in der zu geringen Zahl von Ladesäulen das derzeit größte Hindernis, um Kunden vom Kauf eines E-Autos zu überzeugen. Der Konzern fordert von Politik und Behörden einen schnellen Masterplan.

Nach Jahren voller Ankündigungen und zahllosen nie in Serie gebauten elektrischen Konzeptstudien soll der Siegeszug des rein elektrischen Autos jetzt endlich beginnen. Die Autokonzerne, die Milliarden an Investitionen in die Entwicklung der sauberen Autos gesteckt haben und jetzt mit den ersten Modellen auf den Markt kommen, fühlen sich von der Politik und dem Gesetzgeber im Stich gelassen. Das Motto: "Wir haben unsere technischen Hausaufgaben gemacht, während die staatlichen Stellen ihre Ankündigungen nicht einhalten".

VW-Vorstand Thomas Ulbrich, in Wolfsburg für die Elektro-Mobilität zuständig, gehört zu den Kritikern und nennt in Berlin ein Beispiel für nicht erfüllte Ankündigungen. Er verweist auf den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD, in dem bis 2020 zusätzlich 100.000 öffentliche Ladestationen angekündigt wurden. Der VW-Manager: "Derzeit existieren bislang gerade mal 20.000, nicht viel mehr als zum Zeitpunkt der Groko-Gründung. Hier ist ein stärkeres Engagement der Politik gefragt". Ulbrich nennt das nur langsam wachsende öffentliche Netz einen "kritischen Erfolgsfaktor für den Durchbruch der E-Mobilität in Deutschland". In einer Umfrage hatten 76 Prozent der befragten Autofahrer die unzureichende Anzahl an frei zugänglichen Stationen als Hindernisgrund für die Anschaffung eines E-Autos genannt.

Ulbrich betont: "Das Aufladen eines E-Autos muss genauso einfach und selbstverständlich werden wie das Laden eines Smartphones". Er fordert deshalb sofort einen Masterplan für den schnellen Ausbau der Lademöglichkeiten. "Wenn Wirtschaft und Politik ihre Kräfte bündeln, können wir die Herausforderungen bei der Ladeinfrastruktur sehr schnell bewältigen". Volkswagen selbst will jetzt 280 Millionen Euro ausgeben und bis 2025 insgesamt 36.000 Ladepunkte in Europa, viele davon in Deutschland, errichten. Sie sollen bei den VW-Händlern und an den Standorten der Werke entstehen und in der Regel frei zugänglich sein.

In diesem Masterplan müssten nach VW-Vorstellungen auch andere Probleme angegangen werden, für die die Politik und die Gesetzgebung allein verantwortlich sind. Dabei geht es um die Errichtung von privaten Lademöglichkeiten zu Hause, der zahlreiche Gesetze und Bestimmungen im Wege stehen. Stefan Schmerbeck, bei VW für diese Themen zuständig, nennt Beispiele aus der Praxis: "Wenn ein Mitglied einer Eigentümergemeinschaft mit sechs Wohneinheiten in der gemeinsamen Tiefgarage eine Wallbox zum Laden seines E-Autos installieren will, müssen die anderen fünf Hausbesitzer zustimmen. Nach heutiger Gesetzeslage reicht eine Gegenstimme, um das Projekt scheitern zu lassen". Ähnlich ist es bei Mietwohnungen. Der Vermieter kann den Wunsch nach einer privaten Ladesäule selbst dann ablehnen, wenn der Mieter die nötigen Kosten selbst tragen will. "Wir brauchen ein Grundrecht aufs Laden", sagt Schmerbeck.

Laut VW muss der Gesetzgeber ganz schnell die derzeitigen Regeln ändern, die komplizierten Genehmigungshürden abbauen und die privaten Installationen auch steuerlich fördern. Stefan Schmerbeck ergänzt: "In die Effizienzrichtlinien von Gebäuden muss der Aufbau einer Ladeinfrastruktur zur Verpflichtung werden, und zwar für Neubauten und bestehende Gebäude gleichermaßen". Der Manager verweist darauf, dass gut die Hälfte aller Besitzer ihr Auto vornehmlich zu Hause laden werden. Alle diese Fragen hat die Politik bisher nicht gelöst. "Bis 2020 müssen alle Hürden abgeräumt werden. Wir brauchen mehr Norwegen und weniger Bürokratie in Deutschland". Schmerbeck bezieht sich damit auf das Elektro-Musterland in Skandinavien, in dem die Regierung in kurzer Zeit den Weg zum Ausbau der Infrastruktur freigemacht hat.

Um zweifelnde Kunden von E-Autos wie dem ID.3 zu überzeugen, hat VW wie andere Hersteller auch ein "Sorglos"-Paket geschnürt, das dem Kunden fast alles abnehmen soll, was nach dem Kauf des Stromers so erledigt werden muss. Dazu hat der Konzern eine Tochterfirma namens "Elli" ("Electric Life") gegründet. Sie unterstützt bei der Einrichtung eines privaten Anschlusses, beauftragt spezialisierte Firmen mit der Prüfung des heimischen Stromanschlusses, liefert eine Wallbox bis 11 kW, vermittelt Verträge mit dem Anbieter, der dann möglichst "grüne" Energie durch die Leitungen schickt. Auch die fachgerechte Anbringung der Wallbox in der eigenen Garage oder dem Stellplatz wird übernommen. "Elli"-Chef Thorsten Nicklas: "Nur um die jeweiligen rechtlichen Fragen muss sich der Kunde selbst kümmern. Deshalb ist es so wichtig, dass die veralteten Bestimmungen schnell an die Gegenwart angepasst werden".

Zu den weiteren Hilfen für die künftigen Kunden zählt auch das Programm "We charge" ("Wir laden"). Eine Art Kreditkarte öffnet europaweit den Zugang zu künftig gut 150.000 öffentlichen Ladesäulen, unabhängig vom Stromanbieter. In Modellen des VW-Konzerns ist dieser Service auch mit der Bordelektronik wie dem Navigationssystem verknüpft. Die Karte selbst kann aber auch von Besitzern eines Fahrzeugs anderer Marken zum Bezahlen des Stroms genutzt werden, dann allerdings nicht mit dem Auto direkt zusammenarbeiten.

Und wie sauber ist mein neuer ID.3 denn wirklich, wenn ich ihn beim Händler übernehme? VW reagiert auf die zunehmende Kritik, dass die Produktion von Fahrzeug und Batterie mit einem hohen CO2-Ausstoß belastet ist, bevor das Auto auch nur einen Meter gefahren ist. Vorstand Thomas Ulbrich verspricht jetzt: "Wenn ein Kunde zum ersten Mal in seinen ID.3 steigt, bekommt er ein CO2-neutrales Fahrzeug". Das bedeutet: Der Ausstoß des Klimagases wurde in der Produktion und Lieferkette durch zahlreiche technische Maßnahmen erheblich reduziert, an weiteren Verbesserungen wird gearbeitet. Ulbrich räumt ein, dass etwa ein Drittel der CO2-Belastung vor Übergabe an den Kunden nicht vermeidbar ist. "Diesen Rest an CO2 kompensieren wir als Hersteller, indem wir klimafördernde Maßnahmen überall auf der Welt finanziell unterstützen, die dann in gleicher Höhe CO2 anderswo einsparen".