Der VW Polo ist bei Flottenkunden der beliebteste Kleinwagen. Ob zu Recht, muss der neue Polo gegen die ebenfalls frisch auf den Markt gekommenen Konkurrenten zeigen.
Wir schreiben das Jahr 1975. Polizei, Feuerwehr, Post, Paketdienste – wer Mitarbeiter mobil halten wollte, setzte auf den Käfer. Von Flensburg bis Berchtesgaden krabbelten Millionen davon als Dienstwagen duch die Lande. Doch dann schlug die Stunde des VW Polo. 40 PS stark, vollgetankt 700 kg schwer und gesegnet mit einem richtig brauchbaren Kofferraum unter der schrägen Heckklappe. Praxisverbrauch: nahezu lächerliche neun Liter. Fünf Modellgeneration und 16 Millionen Exemplare später (samt Derby) ist der Polo rund einen halben Meter länger und quetscht 95 PS aus einem Ein-Liter-Motörchen.
Klein sind Kleinwagen heute also beileibe nicht mehr. Mit 4,02 Metern ist der Opel Corsa der Kürzeste in diesem Quartett. Und der Senior: Den Corsa E stellte Opel schon 2015 auf die Räder, als Weiterentwicklung des Vorgängers von 2006.
Der Kia Rio kam Anfang 2017 in der aktuellen Form auf den Markt. Er teilt sich den Unterbau mit dem Hyundai i20 und drängt als günstiger Miniflitzer in den Gewerbemarkt
Noch jünger ist der Ford Fiesta, ebenfalls einer der Bestseller des Segments, der sich seit Jahrzehnten mit dem VW Golf ein Duell um den Titel des meistverkauften Autos in Europa liefert.
Opel Corsa: kräftiger Motor, gute Bremsen, aber etwas in die Jahre gekommen
Doch zuerst ist der Opel Corsa dran. Er hat’s natürlich schwer, ist er doch sichtlich etwas in die Jahre gekommen. Das ist ihm auch in vielen Details anzumerken, in denen er unter dem Niveau der topmodernen Konkurrenten bleibt. Sein Motor ist dabei noch das geringste Problem, denn dem Vierzylinder kann man lediglich die ausbaufähige Laufkultur sowie den zu hohen Verbrauch vorwerfen. Immerhin konsumiert er fast einen Liter mehr als der sehr sparsame Fiesta, was in dieser kostensensiblen Klasse ein echtes Handicap ist.
Ansonsten läuft der einzige Vierzylinder in diesem Test recht temperamentvoll und drehfreudig. Das mäßig gut schaltbare Sechsganggetriebe begeistert da weniger. Gleiches gilt für die Dynamik- und Komfortqualitäten des Fahrwerks. Der Opel wirkt beim Kurvenfahren unwilliger und sperriger, was nicht zuletzt an der seltsam ruckartig und rückmeldungsarm agierenden Lenkung liegt.
Dabei ist er durchaus flott unterwegs, pfeilt sogar am hurtigsten durch die Ausweichpylonengasse, unter anderem weil er wie der Fiesta mit haftfreudigen Michelin Pilot Sport zum Test anreist. Was nichts daran ändert, dass er sich im wahren Leben draußen auf der Landstraße unhandlicher anfühlt. Auf unebenen Fahrbahnen wirkt er zudem unnachgiebig und ruppig, erinnert an die hoppeligen Kleinwagen vergangener Tage.
Nicht viel besser steht es um das Platzangebot – und die Fondpassagiere müssen sich neben der Raumknappheit zudem mit unbequemen Sitzen und schlechter Sicht nach draußen begnügen. Dabei können sie noch nicht einmal sonderlich viel Gepäck mitnehmen, bloß 285 Liter passen in das Fach hinter den Fondlehnen. Da hat die Konkurrenz mehr zu bieten, obwohl der Opel nur drei Zentimeter kürzer als der viel geräumigere VW geraten ist.
Da wir zum Schluss noch das eine oder andere erwähnen wollen, was der Corsa durchaus gut macht: Er hat zum einen den drehmomentstärksten Motor, was man ihm auch anmerkt. Und dann wäre da, zum anderen, noch das überaus praktische Telematiksystem On Star. Ein Knopfdruck verbindet den Fahrer mit der Opel-Infozentrale, die ihm Restaurants empfiehlt oder den nächsten Arzt recherchiert und das Ziel direkt auf das Navi spielt. Doch das ist in diesem Umfeld einfach etwas zu wenig, um im Spitzenfeld mitmischen zu können
Kia Rio: nicht der Billigste, aber der am besten Ausgestattete
Inzwischen haben wir uns ja gewöhnt an den neuen Rio, der seit Anfang 2017 versucht, das B-Segment aufzumischen. Zwischen Januar und Oktober 2017 entschieden sich nur reichlich 3.500 gewerbliche Käufer für einen Rio. Zum Vergleich: Polo und Fiesta (meist das Vorgängermodell) fanden im gleichen Zeitraum gut 25.000 und 20.000 Liebhaber. An den grundsätzlichen Qualitäten des Rio liegt das sicher nicht, denn da schneidet er kaum schlechter ab als die runderneuerten deutschen Konkurrenzmodelle.
Und ebenso wenig an dem Preis, obwohl der kleine Kia ja kein Billigheimer mehr ist. Mit dem 100 PS starken Dreizylinder und in der Spirit-Ausstattung kostet er knapp 15.800 Euro und liegt damit zwischen Fiesta und Polo. Mit dem Unterschied, dass er weitgehend komplett ausstaffiert vorfährt. So sind etwa Geschwindigkeitsregelung mit Begrenzer, Parkpiepser hinten, Sitzheizung oder der Spurhalteassistent serienmäßig, das Navi-Paket für günstige 495 Euro ist eines der wenigen sinnvollen Extras in der Preisliste. Apropos Parkpiepser: Die hat ansonsten lediglich noch der Polo Highline serienmäßig dabei, bei Ford Fiesta und Opel Corsa müssen sie extra bezahlt werden.
Die Investition in das Navi-Parkpaket lohnt sich aber in jedem Fall, denn alle vier Kleinwagen sind ziemlich unübersichtlich, ganz anders als ihre Urahnen vergangener Epochen. Kleine Heckfenster, dicke C-Säulen und schmale Seitenfenster scheinen heute zum Pflichtprogramm zu gehören. Am schlimmsten ist das beim Corsa, nur der Rio macht es ein wenig besser.
Zudem kann der kleine, in Rüsselsheim entwickelte und abgestimmte Kia ziemlich gut federn, da sind Polo und Fiesta kaum besser. Nur bei kurzen Unebenheiten gibt er sich etwas unwirsch, gleicht es jedoch mit leiseren Fahrwerksgeräuschen wieder aus. Und obwohl es in beinahe jedem Test wiederholt wird, sei es hier wieder aufgeführt: Die Bedienung im Kia ist mustergültig einfach und unkapriziös. Übersichtliche Menüs, keine Gimmicks, beinahe alles da, wo es hingehört. Das kann in diesem Test nur der VW Polo ähnlich gut
Ford Fiesta: immer flott ums Eck und für den Notfall super Bremsen
Dem Ford gelingt das selbst in seiner neuesten Generation nicht ganz so gut, obwohl er sich gegenüber seinem Vorgänger mächtig verbessert hat. Mit dem optionalen Touchscreen in der Mitte (Serie beim Titanium) wirkt das Interieur nicht nur hochwertiger und hübscher, es ist zudem besser bedienbar. Die meisten Funktionen sind leicht aufzufinden, verschachtelte Menüs gibt es freilich immer noch. Erkennbar ist dennoch das Bemühen der Entwickler, den kleinen Ford wohnlicher und wertiger zu gestalten, allzu groß ist der Rückstand hier nicht mehr.
Auch sonst hat der Fiesta mächtig aufgerüstet, bei den Assistenzsystemen beispielsweise. Gegen Aufpreis bietet er Fernlichtassistent, Abstandstempomat, Müdigkeitswarner oder Verkehrsschild-Erkennungssystem (Sicherheitspaket II, 504 Euro). Alles Dinge, die in dieser Klasse nicht so alltäglich sind. Das ist jedoch bei Weitem nicht die schönste Seite des Fiesta. Ein Fahrwerk gut abstimmen können sie ja nun schon seit mindestens zwei Jahrzehnten bei Ford, doch in dieser Disziplin haben sie noch einmal nachgelegt. Der Fiesta federt nicht nur am angenehmsten in diesem Testfeld, er bietet zudem hervorragende Fahreigenschaften. Agil und willig biegt er ab, bleibt neutral auf Linie und hat eine gefühlvoll und berechenbar zupackende Lenkung.
Ein wenig trübt der Motor die Freude, denn er geht vergleichsweise verhalten zur Sache. Immerhin ist der Ecoboost-Dreizylinder das sparsamste Triebwerk im Vergleich, wenngleich der Unterschied zum Polo-Motor sehr gering ausfällt. Mit dem VW-Triebwerk gemeinsam hat er zudem die Laufruhe.
VW Polo: viel Platz, hohe Qualität
Vermutlich haben Sie es schon geahnt, der neue Polo gewinnt seinen ersten Vergleichstest, wenn auch nur mit denkbar knappem Vorsprung. Die entscheidenden Punktepolster verschafft er sich mit überlegenem Raumangebot und dem beachtlichen Komfort. Dabei sind es nicht einmal die Federungsqualitäten, die den Ausschlag geben, da ist der Ford Fiesta einen kleinen Hauch besser. Von seinen optionalen Verstelldämpfern profitiert der VW nicht, die scheinen sogar harscher zu reagieren, was den Wagen steifbeiniger abrollen lässt.
Dafür hat er mit Abstand die besten Sitze. So bequemes und langstreckentaugliches Mobiliar in der ersten und zweiten Reihe ist in dieser Fahrzeugklasse kaum anzutreffen. Wer dieses Auto in seinem Fahrzeugpool aufnimmt, den müssen keine Gewissensbisse plagen, wenn er die Kollegen damit auf lange Reisen quer durch die Republik schickt. Da es zudem noch ausreichend Platz für Insassen und Gepäck gibt, ist der Polo voll erstwagentauglich. Schließlich wuchs er kräftig, über acht Zentimeter ist er nun länger, was ihn zwar etwas unübersichtlicher macht, ihm innen jedoch die Raumfülle eines Golf der fünften oder sechsten Generation beschert.
Dass der Abstand zum Golf nicht mehr allzu groß ist, spürt man auch bei dem Antriebskomfort. Der kleine Dreizylinder läuft leise und geschmeidig, ohne sich freilich durch besonders muntere Fahrleistungen hervorzutun. Die fünf PS, die hier im Vergleich zu der Konkurrenz fehlen, sind überraschend deutlich zu merken. Vor allem der Kia und der Opel wirken da lebendiger.
Der fehlende sechste Gang ist dagegen weniger nachteilig. Das Getriebe ist passend gestuft und lässt sich sehr exakt und leichtgängig schalten. Eigentlich sollte das heute kein Thema mehr sein, doch im direkten Vergleich ergeben sich sehr gut fühlbare Unterschiede. So stören etwa im Corsa der unhandliche Schaltknauf und die hakelige Führung. Im Rio ziert sich die Schalthebelführung ebenfalls mitunter etwas zu sehr.
Was dem VW hier ebenso keiner nachmachen kann: die saubere, gediegene Verarbeitung und die hochwertig anmutenden Werkstoffe im Interieur. Dass in dieser Preisklasse Kompromisse unumgänglich sind, zeigt andererseits der Blick unter die Kofferraumabdeckung des Polo. So bleibt der Vorsprung am Ende gering. Sollten Sie im Übrigen die Vergleichszahlen zum 75er-Polo vermissen, hier sind sie: 95 PS, 1.157 kg und 6,2 Liter. Kinder, wie die Zeit vergeht.
1. VW Polo
Da gewinnt er also, der Polo. Unter anderem weil er am meisten Platz, die besten Sitze und den gediegensten Antrieb hat. Zudem ist er selbst in der gehobenen Highline-Version nicht zu teuer.
2. Ford Fiesta
So nah war der Fiesta noch nie am Polo. Das Fahrwerk überzeugt, die Sicherheitsausstattung und die Bremsen ebenso. Nicht so toll: der müde Motor und der knappe Raum.
3. Kia Rio
Der Kia Rio ist ein spürbar europäisches Auto. Er ist groß und komfortabel, die Bedienung übersichtlich und die Garantiezusage unschlagbar. Dagegen stören der rau laufende Motor und das etwas störrische Getriebe.
4. Opel Corsa
Obwohl sich der Corsa immer noch bestens verkauft, ist er ein Auto von gestern. Das merkt man am Fahrwerk, an der Bedienung und am Benzinverbrauch. Da muss Opel nachbessern.