Frischer Wind bei Volkswagen. Statt zurückhaltend konservativ tritt der VW T-Roc stylish und modern auf. Ist der Kompakt-SUV der Beginn einer neuen Ära?
Wenn Erfolg wirklich planbar ist, dann müsste der T-Roc das Zeug zum Kassenschlager haben. Von kompakten Modellen verkaufen Autobauer schließlich in ganz Europa am meisten. Bei Volkswagen ist der Golf der klare Bestseller. Geht der SUV- und Crossover-Trend allerdings so weiter, dann ist laut Analysten in fünf Jahren jeder dritte Neuwagen ein SUV. Besonders beliebt – wer hätte es gedacht – die kompakten SUV. Löst der T-Roc dann also den Golf als Bestseller ab?
Alles nur Spekulationen, gehen wir lieber den Fakten nach. In Lissabon, wo der Wagen gebaut wird, ließ uns VW eine erste Runde drehen. Quietsch-bunte T-Roc stehen vor uns fein säuberlich aufgereiht. Wir müssen nicht lange überlegen, wählen den Goldgelben mit weißem Dach. Eine besondere Farbe für ein besonderes Auto. Schließlich sticht der T-Roc herrlich erfrischend aus dem VW-Einerlei heraus.
Mit seinem farblich abgesetzten Dach, den großen Rädern, den bullig ausgestellten Kotflügeln und den rundlichen Tagfahrleuchten zeigt uns VW eine neue Design-Sprache. Eine Sprache, mit der VW junge Großstädter einfangen will, die schon fleißig nach Skoda Karoq, Opel Crossland X oder Kia Stonic googeln. Ob VW sein Image wandeln will, wie Mercedes mit der A-Klasse vor rund fünf Jahren? Möglich, immerhin soll der kleinere Polo-SUV T-Cross dem flotten und frischen Look folgen.
Glanz in der Hütte, aber kaum Luxus
Die Vorzüge des T-Roc gegenüber dem Golf sind im Grunde die eines jeden SUV: Wir sitzen leicht erhöht, können dem Nebenmann von oben herab auf den Scheitel schielen. Das gefällt derzeit und ja, vorne raus überblicken wir den Verkehr wirklich besser. Weil die Sitzbank hinten aber noch höher liegt und die Fensterlinie leicht ansteigt, die geneigte C-Säule zudem breit ausfällt, macht uns der T-Roc bei manchen Spurwechseln und beim Abbiegen das Leben schwer.
Mit seinen 4,23 Meter hält der T-Roc einen Respektabstand von knapp einem viertel Meter zum großen Bruder Tiguan. Dafür ist er fast exakt so lang wie der Golf (4,26 Meter). Man könnte ihn deshalb als Golf-SUV bezeichnen, eine engere Beziehung zum Golf gibt es aber nicht. Im Grunde baut er aber auf der MQB-Plattform wie jedes andere VW-Modell – vom Polo bis zum Arteon – auf. Dank dieser Architektur zieht der T-Roc seine Achsen weit auseinander, was innen viel Raum schafft. Hinten sitzen wir komfortabel, haben genügend Luft überm Kopf und angemessene Kniefreiheit. Und der Kofferraum erst. 445 Liter Stauraum, davon träumen Golf-Fahrer (272 Liter). Mit dem typischen Griff an den Schultern der Rücksitze klappen wir die zweigeteilte Lehne vor. Der Ladeboden bleibt eben, die Ladeschwelle ist minimal.
Ganz neu ist das Cockpit. Eine große Dekorblende in der goldgelben Außenfarbe zieht sie sich von der Schaltkonsole über den Armaturenträger bis über die seitlichen Türleisten hinweg. Geblendet vom neuen Glanz fällt uns Anfangs gar nicht auf, dass VW den schwarzen Rest ausnahmslos aus hartem Plastik zusammensetzt. Die Armauflagen an der Türverkleidung oder die Mittelarmlehne sind ebenfalls nur mit dünnem Stoff überzogen. Selbst willige Draufzahler kommen nicht in den Genuss eines weich unterschäumten Cockpits. Lediglich die Lederausstattung (1.928 Euro netto) bringt einen Hauch von Eleganz.
Ausstattungslinien Style und Sport
Wobei wir gegen die Stoffsitze gar nichts haben. Die weichen Komfortsitze stützen uns seitlich gut und die Sitzfläche bietet ausreichend Auflage. Warum VW allerdings keine elektrische Sitzverstellung anbietet, leuchtet nicht ein. Während der Fahrer am Rad dreht, rückt der Beifahrer seine Lehne über einen fummeligen Hebelzug in Position. Keyless-Go gibt’s ebenfalls noch nicht zum Markstart im November. Der schlüssellose Zugang samt Motor-Startknopf folgt ab Mitte kommenden Jahres, wenn auch die Rückfahrkamera in die Preisliste aufgenommen wird.
Up to date ist der T-Roc was das Thema Konnektivität angeht. Unsere Apps vom Handy spiegelt er auf den bis zu acht Zoll großen Touchscreen, während unser Smartphone induktiv in der Ablage darunter lädt. Die Inhalte des Infotainment-Systems, die normalerweise über den zentralen Display flimmern, schieben wir rüber auf das digitale Instrumenten-Display hinterm Lenkrad. Unsere Lieblingseinstellung: wenn die Navikarte die gesamte Bildschirmbreite ausfüllt.
Oberhalb der Grundausstattung gibt es die zwei gleichwertige Linien Style und Sport. Bei Style fährt der T-Roc mit Kontrastdach, farbigen 17-Zöllern und viel Chrom vor. Die Sport-Version erkennen Sie unter anderem an roten Bremssätteln, abgedunkelten Fenstern und Rückleuchten sowie schwarzem Kontrastdach. Nächstes Jahr folgen Exterieur- und Interieur-Pakete der sportlichen R-Line. Der Notbremsassistent samt Fußgängererkennung, die Multikollisionsbremse oder der Spurhalteassistent sind schon in der Basisversion dabei.
Kaum teurer als der Golf
Einstiegsmotorisierung ist der Dreizylinder-Benziner mit 115 PS im 1.0 TSI, der mit 17.134 Euro netto rund 500 Euro mehr kostet als der vergleichbare Golf 1.0 TSI. Darüber rangieren der 150 PS starke 1.5 TSI mit Zylinder-Abschaltung sowie der 2.0 TSI mit 190 PS. Bei den Dieseln geht‘s mit 1,6 Litern Hubraum und 115 PS los. Der Zweiliter-Diesel hat 150 und 190 PS. Bis auf bei den jeweiligen Einstiegsmotorisierungen sind Allrad und Siebengang-DSG optional. Wobei VW ab November zunächst nur die beiden Benziner mit 115 und 190 PS sowie den Diesel mit 150 PS anbietet. Die beiden stärkeren haben serienmäßig Allrad und DSG.
150-Diesel-PS, 4motion, Siebengang-DSG: Wird Zeit, dass wir mit dem Testwagen endlich loskommen, bevor uns VW nach der ausgiebigen Parkplatz-Inspektion den T-Roc wieder abnimmt. Schlüssel rum. Der Zweiliter-Diesel nagelt leise, verrichtet nach wenigen Minuten nahezu stumm seinen Dienst. Auf den Gasfuß spricht er schnell an. Die Doppelkupplung schaltet flüssig, nur bei geringen Geschwindigkeiten entschließt sich das Getriebe teils zögerlich zum Gangwechsel.
Mit Standard-Fahrwerk rollt der T-Roc im Stadtverkehr recht straff abgestimmt über den unebenen Belag, federt aber anschließend auf Landstraßen und der Autobahn lange Bodenwellen beflissen und lobenswert weg. Wind- und Abrollgeräusche der Reifen nehmen allerdings bei höherem Tempo stark zu. Da hat VW wohl auch an der Dämmung gespart. Naja, ein Kassenschlager wird für Autobauer eben vor allem derjenige, der schon in puncto Produktionskosten ein Hit ist.