Zeugenaussagen nach Unfall Im Zweifel für den Angeklagten

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In Gerichtsprozessen hängt der Ausgang des Verfahrens oft von Aussagen der Zeugen ab. Was tun, wenn die sich irren?

Mehr als 500.000 Fälle von Unfallflucht werden jährlich bei der Polizei angezeigt. Oft suchen die Beamten dann dringend Zeugen, die etwas beobachtet haben. Fatal ist allerdings, wenn ein zufällig Vorbeifahrender beschuldigt wird. Doch auch bei einem normalen Unfall beeinflussen Zeugen den Ausgang des Verfahrens maßgeblich. Dienstwagenfahrer, die beruflich auf ihr Auto angewiesen sind, kann das unter Umständen den Job kosten und sie in existenzielle Schwierigkeiten bringen.

Was aber tun, wenn Zeugen sich irren? Wenn sie womöglich krank sind und ihre Wahrnehmung nicht richtig wiedergeben können? In solchen Fällen ließen sich die Aussagen angreifen. Allerdings sei dafür viel Fingerspitzengefühl nötig. Das zeigt ein Test der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins mit 20 Probanden. Da scheiterte schon der Versuch, eine einfache Aussage so zu verstehen, wie sie gemeint war. "Eine Zeugenaussage ist das unsicherste Beweismittel", sagt Gesine Reisert. Die Fachanwältin für Straf- und Verkehrsrecht verweist auf die vielen Fehlerquellen: "Die Wahrnehmung am Unfallort, der Wahrheitsgehalt der Aussage oder die Aussagetüchtigkeit des Zeugen müssen überprüft werden."

Bei Dunkelheit oder schlechtem Licht etwa müsse geprüft werden, ob der Zeuge möglicherweise eingeschränkt sieht. Krankheiten oder Medikamente können die Wahrnehmung beeinflussen. "Auf solche Dinge sollte der Anwalt des Beschuldigten das Gericht frühzeitig hinweisen." Nach Einschätzung der Juristin können zudem ein Sachverständigengutachten oder Fotos die Aussagen eines Zeugen relativieren.

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Dabei gibt es unterschiedliche Strategien, um die Aussage nachhaltig zu erschüttern. Sinnvoll ist beispielsweise, dem Gericht bereits vor der Vernehmung des Zeugen Fotos des Unfalls vorzulegen, die den Ablauf demonstrieren. "Man kann die Fotos aber auch erst dann zeigen, wenn sich der Zeuge regelrecht verquatscht hat", empfiehlt Anwalt Nicolas Eilers.

Problematisch ist auch, dass wegen Corona Zeugen oft per Videokonferenz zugeschaltet werden. "Hier fehlt dann die im direkten Kontakt übliche Körpersprache und Mimik", so Reisert. Daher sei es sinnvoll, bei einem vermeintlich schwachen Zeugen auf einem Präsenztermin zu bestehen.

Die umfangreiche Zeugenanalyse ist aufwendig und teuer, kann aber vor einer schweren Strafe ­retten oder sogar einen Freispruch bringen. Deshalb sollten Vielfahrer einen Verkehrsrechtsschutz abschließen, sofern sie nicht bereits über eine Firmenpolice abgesichert sind.