Mehr als ein Jahrzehnt E-Auto-Erfahrung hat Renault seit dem Debüt des Kleinwagens Zoe gesammelt. Das merkt man dem zwei Klassen größeren Scénic deutlich an: Der Familien-Crossover präsentiert sich ausgewogen, durchdacht und praktisch. Lediglich das immer noch recht hohe Preisniveau konnten die Franzosen nicht wegoptimieren.
Modisches SUV statt klassischer Familien-Van
Wer bei "Scénic" noch an einen Van denkt, kommt gut ein Jahr zu spät. Seit dem Frühling 2024 trägt ein modisches SUV den knapp drei Jahrzehnte alten Namen. Geblieben ist die Familienorientierung: Der geräumige Fond mit üppiger Kniefreiheit ist alles andere als eine Strafbank und taugt auch für lange Strecken, der Kofferraum hat ein ordentliches Volumen und das elektronische Sicherheitsniveau ist hoch. Allerdings fehlt die herausragende Variabilität eines Vans. Bis auf die umklappbare Rückbank und ein Unterboden-Staufach im Kofferraum hat die Neuauflage keine Praxis-Booster an Bord. Als cleveres Extra gibt es immerhin eine Handyhalterung in der ausklappbaren Fond-Armlehne, sodass der Nachwuchs beim TikTok-Gucken die Hände frei hat.
Klares Design und hochwertige Materialien
Aber der Reihe nach: Äußerlich setzt der Renault einige zackige Designakzente, verzichtet aber auf Extravaganzen und bleibt so auf moderne Weise gefällig. Man muss weder E-Auto-Fan noch Renault-Liebhaber sein, um den knapp viereinhalb Meter langen Fünftürer schick zu finden. Innen geht es in ähnlichem Stil weiter: große Displays, helle, nachhaltige Materialien und eine eher reduzierte Formensprache machen einen zeitgemäßen Eindruck, ohne Traditionalisten abzuschrecken. Nicht nur im Scénic hat Renault aktuell ein gutes Verhältnis von Neuem und Gewohntem gefunden.

Die Bedienung stimmt ebenfalls, wenn man sich auf ein markentypische Eigenheiten wie die Fahrstufenwahl über einen Lenkstockhebel oder den Bediensatelliten hinterm Lenkrad gewöhnt hat.
Intuitive Bedienung mit Android-Infotainment
Die Bedienung stimmt ebenfalls, wenn man sich auf markentypische Eigenheiten wie die Fahrstufenwahl über einen Lenkstockhebel oder den Bediensatelliten hinterm Lenkrad gewöhnt hat. Hilfreich ist dabei das auf Android-Software basierende Infotainmentsystem, das neben Google Maps auch die Sprachbedienung des IT-Giganten nutzt. Die Routenplanung berücksichtigt dynamisch nötige Ladestopps und weiß auch, ob die Säule aktuell frei oder belegt ist. Es lohnt sich, die Wegfindung auch auf bekannter Strecke häufig aktiv zu haben, da Renault die Akku-Vorkonditionierung an die Navigation koppelt. Wird eine Lademöglichkeit angefahren, heizt beziehungsweise kühlt das Batteriemanagement den Speicher auf optimale Aufnahme-Temperatur.
Schnellladen mit Einschränkungen
Das Vorkonditionieren ist auch deswegen sinnvoll, weil der Scénic nicht eben ein Blitzlader ist. Nominell sind in der getesteten "Long Range"-Variante bis zu 150 kW möglich, im (bitterkalten) Testzeitraum waren es bei ordentlich leer gefahrenem Akku aber eher 100 kW, manchmal auch weniger. Zum Ausgleich lädt der Scénic an der Normalladesäule serienmäßig mit 22 kW, also doppelt so schnell wie die Konkurrenz. So bekommt man den Akku auch über ein ausgedehntes Mittagessen oder einen Kinobesuch gut und oft günstig gefüllt.
Reichweite: Solide, aber nicht rekordverdächtig
Reichweite ist aber sowieso kein großes Problem: Denn trotz andauernder Minustemperaturen lag sie bei voller 87-kWh-Batterie stabil oberhalb von 400 Kilometern (Herstellerangabe: 611 km). Und das, obwohl der Scénic sicher kein Effizienzwunder ist – unter 20 kWh war er kaum zu drücken. All das gilt wohlgemerkt bei dauerhaften Minustemperaturen, die es einem E-Auto besonders schwer machen. Auch wenn beim Renault die serienmäßige Wärmepumpe für etwas Entlastung sorgt. Milderes Klima könnte trotzdem für bessere Werte sorgen.
Komfortables Fahrwerk mit Fokus auf Familienfreundlichkeit
Gut gelungen ist das Fahrwerk, das gut zu dem geräumigen Familienauto passt. Insgesamt ausgewogen, überzeugt es vor allem bei niedrigem Tempo in der Stadt mit gutem Fahrkomfort: Wo viele Konkurrenten etwas holprig und steifbeinig wirken, siebt es auch gröbere Unebenheiten gut aus. Auch im Reisemodus auf Autobahn und Landstraße gleitet der Renault sanft und souverän daher, der leise Elektroantrieb und geringe Windgeräusche unterstreichen diesen entspannten Eindruck noch. Sportliche Ambitionen verkneift sich der Franzose aber und quittiert etwa engere und schnellere Kurven mit spürbarer Bewegung in der Karosserie. Das heißt nicht, dass er nicht kraftvoll könnte: Den flotten Antritt und vehementes Beschleunigen schüttelt der 220 PS starke Motor locker aus dem Ärmel, verzichtet dabei auf die Explosivität, die einige Konkurrenten in ihre E-Maschinen programmieren. Auch hier bleibt er ganz Familienauto.

Man muss weder E-Auto-Fan noch Renault-Liebhaber sein, um den knapp viereinhalb Meter langen Fünftürer schick zu finden.
Preis: solide Ausstattung, aber teuer
Nicht ganz so familienfreundlich sind die Preise. Knapp 41.176 Euro (alle Preise netto) muss man in die Ausführung mit großer Batterie investieren, in einer höheren Ausstattungslinie und mit ein paar weiteren Extras an Bord kratzt man fast an der 50.420-Euro-Grenze. Die Technik- und Designoptionen können für sich genommen dabei durchaus punkten – etwa das elektrisch abtönende Panorama-Glasdach oder die Matrix-LED-Lichter. Wer trotzdem nicht so viel ausgeben möchte, wählt eine der Basisvarianten mit kleinerem Akku sowie geringerer Reichweite und ist dann ab rund 34.790 Euro dabei.
Fazit: gutes Familienauto mit modernem Antrieb
Der Scénic wird auch als elektrischer Crossover der in seinem Namen hinterlegten Familienauto-Tradition gerecht. Dabei dürfen die Kinder auch ruhig schon erwachsen sein, so geräumig geht es in Reihe zwei zu. Da lässt sich auch die nicht mehr ganz so präsente Variabilität verkraften. Eher schmerzen dürfte die anvisierte Kundschaft der Preis, auch wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis unterm Strich passt.
Technische Daten - Renault Scenic E-Tech 220 Long Range
Crossover der Kompaktklasse mit fünf Sitzen; Länge: 4,47 m, Breite: 1,86 m, inkl. Außenspiegel 2,09 m, Höhe: 1,57 Meter. Radstand: 2,79 m, Kofferraum-Volumen: 545 - 1.670 Liter.
Elektromotor mit 218 PS, maximales Drehmoment 300 Nm, Batterie: 87 kWh, Reichweite: 611 km, Ladeleistung: 22 kW (AC) 150 kW (DC), Frontantrieb, 0 – 100 km/h 7,9 Sek., Vmax: 170 km/h, Stromverbrauch (WLTP): 17,2 kWh/100 km, Testverbrauch: 20,5 kWh/100 Kilometer, CO2-Emission: 0 g/km, Preis: ab 41.092 Euro
Kurzcharakteristik – Renault Scénic
Warum: viel Platz, hohes Komfortniveau, gutes Infotainment
Warum nicht: mäßige Praxis-Ladeleistung, relativ hoher Verbrauch
Was sonst: VW ID.4, Skoda Elroq, MG4







