Virtuelles Training für Extremsituationen
Fahren unter extremen Wetterbedingungen wie Aquaplaning oder schweren Schneefall stellt selbst die erfahrensten Fahrer vor Herausforderungen. Manchmal reicht es aber auch, wenn ein Fußgänger oder Radfahrer wie aus dem Nichts angeschossen kommt und sich am Lkw vorbeidrängen will. Jetzt ist schnelle Reaktionszeit und der richtige Umgang mit der Fahrsituation gefragt – das kostet Nerven. Gut wäre es doch, hätte man solche kniffligen Situationen schon mehrmals erlebt und Erfahrung gesammelt. Das ist zumindest virtuell möglich. Thorsten Straube, Fahr- und Projektleiter bei der Dekra Akademie, hat sich gemeinsam mit seinem Team im Rahmen des Qualifizierungsprogramms „ProFahrT“ einiges einfallen lassen, um einen möglichst realistischen Fahrsimulator zu erschaffen. Und erst kürzlich wurde die digitale Fahrt noch einmal technisch weiterentwickelt.
Kompakter Aufbau und neue Technik
Dabei hat sich auch äußerlich einiges geändert. Die Konstruktion, die davor von einem Lkw gezogen werden musste, kann jetzt von einem Transporter (in diesem Fall ein TGE von MAN) gezogen werden. Damit ist es nun etwas einfacher, etwa auf einem Platz zu rangieren und die Anlage zu installieren. Wirklich lange dauert das auch nicht, wie Thorsten Straube erklärt: „In nur 20 Minuten ist alles fertig aufgebaut und einsatzbereit“. Technisch gesehen hat sich mit der neuen Variante des Fahrsimulators zudem noch einmal einiges getan: Mit dabei sind jetzt etwa sogenannte Mirror-Cams und eine 360-Grad-Kamera, was dem Fahrer eine noch umfangreichere Übersicht bietet. Zusammen mit der Lkw-Kabine hat man jetzt tatsächlich das Gefühl, als würde man direkt am Steuer eines Lkw sitzen – obwohl sich technisch gesehen eigentlich nichts in Bewegung setzt, außer vielleicht die Sitzfläche. Diese kann nämlich sogar unebene Fahrbahnen simulieren und bei einer Notbremsung tatsächlich das Gefühl vermitteln, als würden 40-Tonnen abrupt zum Stehen kommen. Da fangen die Knie schonmal an zu schlottern.
Realitätsnahes, flexibles Fahrertraining
Der ein oder andere mag jetzt Kritik einwerfen und behaupten, dass eine Simulation nichts mit der Realität zu tun hat. Zugegeben: Praktische Fahrstunden können Fahrten hinter dem „digitalen Steuer“ nicht gänzlich ersetzen – das sieht auch Thorsten Straube so. Allerdings ist das Ganze mehr als nur eine „Spielerei“. Der Highend-Simulator ermöglicht es, Kurvenfahrten, Beschleunigungs- und Bremssituationen, aber auch Fahrten auf unebenem Gelände zu erfahren. Seien es Bremsschwellen, Schlaglöcher oder ein Kiesbett. „Mit unserem Fahrsimulator können wir das Verhalten in kritischen und unvorhersehbaren Situationen gezielt trainieren“, betont Straube. Und selbst das Fahrzeug kann dabei gewechselt werden. Vom Lkw mit Auflieger, über einen Tanklaster bis hin zu Blaulichtfahrzeugen und das in Ortschaften, Industriegebieten, auf Autobahnen oder Landstraßen mit Steigungen und Gefällen und vielem mehr.
Individuelles Training ohne Risiko
Der Lerneffekt ist zudem riesig, da sich per Mausklick Gefahrensituationen erzeugen lassen und der Instrukteur und die anderen Teilnehmer jeden einzelnen Schritt analysieren können. Dadurch kann auch wirtschaftliches Fahren – also möglichst kraftstoffsparendes Fahren – oder aber Sondersignalfahrten (sog. Blaulichtfahrten) trainiert werden. Auch Rangierübungen sind so ohne Schäden möglich. Die Situationen sind beliebig variier- und replizierbar, weshalb sich der Fahrer beim Lernen auf das Wesentliche konzentrieren kann. Das individuelle Training bleibt zudem unabhängig von den örtlichen Gegebenheiten. Mit dem mobilen Fahrsimulator ist Dekra praktischerweise nicht ortsgebunden. Optional kann also sogar ein Praxistraining auf einem Gelände oder Hof direkt beim eigenen Unternehmen gebucht werden.
Zukunftspläne für den Highend-Simulator
Thorsten Straube plant aber bereits jetzt, das System stetig zu verbessern. Denn auch wenn sich technisch einiges weiterentwickelt hat, gilt es, möglichst viele Assistenzsysteme moderner Lkw akkurat zu simulieren. Das Praktische: Es wäre denkbar, einzelne Fahrassistenten auszuschalten und dann dem Fahrer zu zeigen, was sich am Handling eines Lkw dadurch ändert. Und auch softwaretechnisch gilt es, den Simulator stetig weiterzuentwickeln, gerade in Bezug auf die visuelle und audiovisuelle Umgebung des Fahrers.