Wer keine Angst vor staubigen Klamotten hat, sollte sich einen Blick unter den eSprinter nicht entgehen lassen. Zwischen den Achsen zeigt sich ein gewohntes Bild: Die Batteriepakete sitzen dort und sorgen für einen sehr guten Schwerpunkt. Wahlweise sind bis zu 113 kWh drin. Unser Benz kommt mit zwei Paketen und 81 kWh. Wir lassen den Blick aber noch etwas weiter nach hinten schweifen. Hier sehen wir, aufgehängt an der leichten, komfortablen Komposit-Blattfeder, die neue E-Hinterachse. Quasi wie beim Sportwagen: Die Vorderachse darf sich aufs Lenken konzentrieren, die hintere auf die Längskräfte.
Leistungsdaten: Behäbiger Antritt trotz 400 Nm
Im Testwagen bringt der in der Achse verbaute E-Motor 100 kW ins Spiel. Bei 3,5 Tonnen Gesamtgewicht bewegen wir uns also wieder ein wenig weg vom Sportwagen. Aber 400 Nm Drehmoment sind doch ein Wort. Oder? Tatsächlich nimmt der eSprinter sogar mit leerem Laderaum nur sehr behäbig Fahrt auf. Perfekt, um eine schlecht gesicherte Porzellansammlung zu kutschieren, aber eher mäßig, wenn es darum geht, im dichten Innenstadtverkehr in eine viel befahrene Straße einzubiegen. Vom gewohnten Stromer-Bums weit entfernt. Allerdings gibt es ein paar Momente, in denen man das Drehmoment tatsächlich spürt. So etwa beim Zwischenspurt mit Tempo 70. Die Freude ist aber wiederum nur von sehr kurzer Dauer. Denn bei unserem Exemplar ist bei Tacho 104 schon wieder Schluss. Wer also das Einfädeln im Großstadtdschungel überstanden hat und doch mal auf größere Fahrt gehen will, wird sich im Zweifel mit den Lkw die rechte Spur teilen müssen. Außer natürlich, es gibt bestenfalls eine dritte Spur und eine große Lücke, und es geht nicht unbedingt bergab (wo so mancher Lkw die Überschwinger des Tempomats zu nutzen weiß).
Effizient nah am WLTP: geringer Verbrauch trotz Alltagstest
Die Kehrseite der Medaille ist aber: Mit der vorsichtigen Fahrpedal-Kennlinie und der niedrigen Höchstgeschwindigkeit räumt Mercedes-Benz große Teile der individuellen Fahrstile aus. Das resultiert in einem ziemlich angenehmen Verbrauch. Das Display verharrt bei 24 kWh pro 100 Kilometer. "Kann doch nicht sein!", denken wir. Tatsächlich liegen wir über knapp 700 Kilometer bei 26,6 kWh inklusive der Ladeverluste. Auf einer "Highspeed"-Runde mit üppiger Beladung und fast nur auf der Autobahn genehmigt sich der eSprinter über 300 Kilometer im Schnitt auch nur 30,4 kWh inklusive Verluste. Damit bleiben wir ziemlich dicht am WLTP-Verbrauch und auch eine gehörige Schippe unter den "Renntransportern" der Konkurrenz. Fahrspaß ist schön, aber im Gewerbealltag zählen die Kosten am Ende deutlich mehr.

Fürs Lenkrad gab‘s ein Update für den Mercedes-Benz eSprinter. Sieht schick aus, das alte war aber intuitiver zu bedienen..
LFP-Batterie-Technik: Schnelles Laden auch über 80 Prozent hinaus
Ein weiterer angenehmer Punkt zusätzlich zum sparsamen Verbrauch: Mercedes-Benz hat den eSprinter mit einer LFP-Batterie – Lithium-Eisenphosphat – versehen. Dank der Zellchemie vergrößert sich das gute Gewissen nutzbare Bereich auch über 80 Prozent hinaus. Das zeigt sich beim Laden. Bis 80 Prozent fließen die Elektronen im Test mit bis zu 119 kW in die Zellen. Doch selbst bei 90 Prozent liegen noch rund 60 kW an. Sehr vorteilhaft, wenn die geplante Fahrt etwas länger geht.
MBUX-Infotainment: Grenzen bei USB-Musik und Bedienkomfort
Wer langsam fährt, braucht unter Umständen gute Unterhaltung. Hier sind eigentlich dank MBUX ganz gute Voraussetzungen geschaffen mit einer bemühten "Mercedes", die doch die eine oder andere Frage zu beantworten weiß, und schönen großen Displays. Bei der Musikauswahl via USB gibt es allerdings Grenzen. Hier greift man nur auf die fest im Handy gespeicherten Daten zu und nicht auf Cloud-Playlists. Dann werden aber teils auch tonlose Gifs abgespielt. Seltsam. Davon abgesehen, sitzen die USB-Ports direkt an der Frontscheibe. Das Handy ist so zwar aus dem Blick und lenkt nicht ab, aber für den komfortableren Zugriff via Bluetooth muss beispielsweise Apple Music direkt am Handy bedient werden. Wenigstens ein bisschen Carplay oder ähnliches würden uns schon gefallen. Zudem ist die Bedienung über das neue Wisch-Lenkrad etwas fummelig. Eine simple Plus-Minus-Wippe für die Lautstärke tut’s auch und arbeitet berechenbarer.
Digitaler Innenspiegel: Deutlicher Fortschritt bei Nacht und Wetter
Umso schöner ist aber auch im Sprinter der digitale Innenspiegel. In der neuesten Generation fällt das Bild auch bei Nacht richtig gut aus. Fürs Familienalbum reicht es zwar nicht ganz, aber von unansehnlichem Pixelbrei ist die Darstellung Lichtjahre entfernt. Auch die Lichter der anderen Verkehrsteilnehmer überstrahlen das Bild nicht. Daumen hoch.
Technische Daten: Mercedes-Benz eSprinter
Länge: 5,93 m
Breite: 2,35 m
Höhe: 2,33 m
Radstand: 3,67 m
Kofferraumvolumen: 9.000 l
Antrieb
Elektromotor, Heckantrieb per E-Achse, drei Fahrmodi (Comfort, Eco, Maximum Range), AC-Laden: 11 kW, DC-Laden: 115 kW (im Test bis 119 kW) Abgasnorm: Euro 6e, Effizienzklasse: E, Preis: 49.700 Euro (alle Preise netto)
Abmessungen und Gewichte
Laderaum L/B/H max. 3.375/1.787/1.719 mm, Ladevolumen max. 9 m³, Nutzlast max. 656 kg, Verbrauch WLTP 23,9 kWh/100 km, Verbrauch Test gesamt 27,8 kWh/100 km, Testwagenpreis: 61.988 Euro