Interview e.Go Mobile "Wir haben eine harte Schule durchlaufen"

Günther Schuh & Martin Sommer Foto: Alex Mannschatz

Erst der innovative Streetscooter, jetzt ein Mini-E-Auto: e.Go Mobile macht vieles anders als andere. Unternehmenschef Prof. Günther Schuh und Vertriebsleiter Dr. Martin Sommer erklären die Vertriebsstrategie, die hinter dem Start-up steckt.

Seit Mai liefern Sie den e.Go Life aus. Lässt sich das Interesse auf Gewerbeseite schon beziffern?

Sommer: Etwa ein Drittel der Anfragen kommt aus Unternehmen. Natürlich steigern neben der Kaufprämie auch die Förderprogramme mancher Länder das Interesse.

Sozialdienste mit kleinen Einsatzradien ihrer Fahrzeuge könnten den Durchbruch der Elektroautos bringen. Auch für e.Go?
Martin Sommer Foto: Alex Mannschatz
Vertriebsleiter Dr. Martin Sommer kam 2016 zu e.Go Mobile. Er promovierte im Bereich Innovationsmanagement, leitete die Unternehmensentwicklung bei e.Go und ist seit 2017 für den Aufbau des Vertriebsnetzes, für digitale Vertriebsprozesse und Produktmanagement verantwortlich.

Sommer: Zumindest ist diese Branche aufgrund ihrer Fahrzyklen für die E-Mobilität prädestiniert. Die Caritas etwa hat über 300 Fahrzeuge bei uns vorbestellt. Das gesamte Fuhrparkpotenzial der Caritas mit Fahrprofilen, die für den e.Go Life geeignet sind, liegt sogar beim Zehnfachen.

Angenommen, die Reichweite passt. Was sind danach die entscheidenden Aspekte für einen Umstieg?

Sommer: Wichtig ist das Gesamtpaket. Manche Kunden wollen zum Elektroauto passende Energieverträge, Lademöglichkeiten oder Abrechnungsdienstleistungen. Wir arbeiten dazu bislang mit der Aachener Stawag zusammen, mit Rheinenergie in Köln sowie mit der MVV in Mannheim. Für Ladetechnik und Ladestromabrechnung haben wir das Stuttgarter Unternehmen Eliso als Partner gefunden. Und wir selbst bieten natürlich auch eine eigene Ladetechnik in Form einer 11-Kilowatt-Wallbox an.

Herr Schuh, wie können Sie mit Nettolistenpreisen unter 13.500 Euro starten?

Schuh: Wir haben einen konzeptionellen Konstruktionsvorteil durch die Bauweise. Der lässt sich auf etwa 8.000 Euro pro Auto beziffern. Unser Einkaufsnachteil als kleiner Hersteller liegt normalerweise bei knapp 5.000 Euro. Genau das aber ist die Stellschraube. Eliminieren können wir diesen Nachteil nicht ganz. Aber wenigstens mindern durch intelligente Kooperationen. Wie etwa die mit Volkswagen und der künftigen Nutzung des VW-Elektrifizierungsbaukastens.

Infotainment von JBL, Leuchten von Hella, Fensterheberschalter vom PSA-Lieferanten. Klingt nach einer ziemlich ausgedehnten Einkaufstour bei den Zulieferern.
Günther Schuh Foto: Alex Mannschatz
Prof. Dr. Günther Schuh hat seit 2002 einen Lehrstuhl für Produktionssystematik an der RWTH Aachen. Er war 2010 Mitgründer von Streetscooter und leitete das Unternehmen als Geschäftsführer zwischen 2012 und 2014. 2015 gründete er e.Go Mobile und ist dort seitdem CEO.

Schuh: Komponenten, die am Markt funktionieren und in hohen Stückzahlen produziert werden, braucht man ja nicht selbst entwickeln. Besser ist, sie günstig einzukaufen. Wir wollten aber nicht als Bittsteller auftreten, sondern waren selbstbewusst nach dem Tom-Sawyer-Prinzip unterwegs. Du darfst mir den Zaun streichen, aber du musst mir dafür was schenken. Wir wollten Zulieferern aufzeigen, dass es sich lohnt, bei e.Go von Anfang an dabei zu sein. Was die angesprochenen Leuchten angeht: Die stammen aus dem Standardregal von Hella. Wir haben unseren italienischen Designer gebeten, ein Auto mit diesen Leuchten zu zeichnen und nicht auf teure Eigenkreationen zu setzen. Hella hat uns dann quasi als Benefit unser Logo in die Leuchten integriert.

Ihr Werk 1 in Aachen ist mittlerweile ein ähnlicher Besucher­magnet wie einst die Smart-Fabrik in Hambach. Was macht e.Go anders als andere?

Schuh: Wir entwickeln das Auto so, wie man eine Software entwickelt, nämlich stets veränderbar. Die Basis­architektur ist unser Alu-Space-Frame. Darauf können wir in kürzesten Frequenzen Verbesserungsmaßnahmen oder Anpassungen durchführen. Ähnlich wie Releases bei einer Software. Marktanforderungen oder Ideen lassen sich so schneller und kostengünstiger in der Produktion ­umsetzen.

Gibt es so etwas wie eine Produkt-DNA?

Schuh: Wir gehen einen anderen Weg als die meisten ­Hersteller von Elektroautos, die auf Frontantrieb setzen. Durch den Heckantrieb, eine De-Dion-Hinterachskon­struktion und eine negative Wankachse, die – wie übrigens im 911er-Porsche auch – bei schneller Kurvenfahrt das innere Vorderrad und nicht das Hinterrad anheben lässt, bietet unser Auto ein Fahrvergnügen wie ein Gokart, zudem beim Starten eine klasse Beschleunigung. Wir leisten uns trotz aller Kostenkompromisse ein tolles Design und wertige Details. Zum Beispiel selbst entworfene 17-Zoll-Felgen und Breitreifen, die diesen Namen auch verdienen.

Foto: e.Go
Reicht das, um auch Gewerbekunden zu überzeugen?

Schuh: Dort zählen auch noch andere Werte. Wir haben durch die Entwicklung des Streetscooter für die Post eine harte, aber wertvolle Schule zum Sicherheitsanspruch von Business-Kunden durchlaufen. Daraufhin haben wir auch in den e.Go Life Sicherheitskomponenten einfließen lassen, die für einen Kleinwagen überdurchschnittlich gut sind. Die Batterie ist in ihrer Druckgusswanne wie in einer Panzerung verbaut und so in den Rahmen integriert, dass die Steifigkeit der Fahrgastzelle noch mal erhöht wurde. Hinzu kommen vorne und hinten Knautschzonen, die in dieser Form eigentlich gar nicht nötig wären. Vorne sprechen wir von 42 Zentimetern. Das ist in etwa das Niveau der S-Klasse.

Klingt gut, aber die meisten Ihrer Gewerbekunden sitzen mit dem Taschenrechner am Verhandlungstisch.

Schuh: Eines unserer Argumente zur Gesamtkostenbetrachtung ist die Wertbeständigkeit. Man muss sich schon anstrengen, um unser Auto kaputt zu machen. Die Thermoplastkarosserie ist verletzungsresistenter als lackiertes Blech. Kleinere Parkrempler bleiben ohne Folgen. Ebenso bietet die robuste Achskonstruktion im Gegensatz zu einer Verbundlenkerlösung deutlich mehr Widerstandskraft. Denken Sie an das ständige Überfahren von Bordsteinen oder Bodenwellen im City-Einsatz. Auch diese Reparaturfreundlichkeit hat zur Einstufung des e.Go Life in die Kasko-Typklasse 13 geführt. Das ist für neue Fahrzeugmodelle bemerkenswert.

Großes Thema bei Flottenkunden: Kosten und Lebens­zyklus der Batterie. Welchen Weg geht e.Go?

Schuh: Bei uns gehört die Batterie zum Auto, wird mit ihm zusammen verkauft und ist im Preis inbegriffen. Mietkosten fallen nicht an. Im Gegenteil, wir bieten unseren Kunden an, die Batterie nach acht Jahren zurückzunehmen und eine neue einzubauen. Wir können das zu attraktiven Preisen anbieten, weil wir die alte Batterie an Unternehmen weiterverkaufen, die mit stationären Energiespeichern arbeiten. Der Bedarf ist da.

Müssten dann eigentlich die kalkulierten Restwerte nicht langsam durch die Decke schießen?

Schuh: Zumindest müssten sie nach unserer Auffassung deutlich höher liegen, als sie zurzeit noch von den Analysten ­kalkuliert werden. Nachhaltigkeit und Wertbeständigkeit sind wichtige Einflussgrößen für die Total Cost of Ownership. Offenbar muss sich diese Erkenntnis aber erst noch durchsetzen. Deshalb warten wir mit Leasingofferten noch bis Ende des Jahres. Gingen wir damit jetzt schon an den Start, würden wir einfach die falschen Restwerte fixieren.

e.Go Mobile Foto: Gugu Mannschatz
e.Go Mobile wurde 2015 gegründet und hat 450 Mitarbeiter. Das Unternehmen nutzt das Netzwerk des RWTH Aachen Campus mit dessen Forschungseinrichtungen und Technologieinstituten. Der e.Go Life wird im neuen Werk in Aachen-Rothe Erde gebaut und seit Mai ausgeliefert.
Aber Finanzierungsmodelle gibt es schon?

Schuh: Ja. Wir arbeiten mit der MCE-Bank zusammen, dem Finanzierungspartner von Mitsubishi. Wir haben klassische Finanzierungsofferten, gehen aber auch hier in die Offensive. So bieten wir Kunden an, sofern sie sich nach vier Jahren wieder für ein Auto von uns entscheiden, ihren bisherigen e.Go Life zu einem Rückkaufwert von 52 Prozent, bei Vollausstattung sogar von 55 Prozent, zurückzukaufen. Wir garantieren also den Rückkauf ähnlich wie bei Leasingofferten. Beim e.Go Life 20 wird das aus Kundensicht auf ­Bruttomonatsraten von 99 Euro rauslaufen, beim e.Go Life 60 von 150 Euro.

Wo kaufe ich denn überhaupt einen e.Go Life und wer übernimmt den Wartungs- oder Reparaturservice?

Sommer: Unser Partner ist der Bosch Car Service mit rund 1.000 Stützpunkten in Deutschland. In etwa 60 größeren Autohäusern mit angeschlossenem Bosch-Car-Service-Betrieb können Sie ein Auto auch bestellen. Allerdings im Vermittlungsgeschäft, e.Go bleibt Verkäufer des Autos. Zudem arbeiten wir mit Auto1 auch an einer digitalen Handelsplattform. Über die Plattform können Neufahrzeuge dann auch europaweit gekauft werden.

Das heißt, Sie werden kein eigenes Niederlassungsnetz aufbauen?

Sommer: Nein. Wir leisten uns allerdings an wechselnden Standorten eigene Pop-up-Stores, mit denen wir den Erstkontakt zu unseren Autos ermöglichen. Mit unserem Vertriebsmix behalten wir die Preishoheit und – ganz wichtig – die Kundenbindung, weil wir der Vertragspartner sind. Einen Rabatt wird es übrigens nicht geben. Kalkulations- und Preissicherheit sind wesentliche Argumente, wie wir glauben.

Es gibt sicher Kunden, die wollen ein Elektroauto nicht gleich kaufen, sondern nur nutzen …

Sommer: Auch wir sehen das Potenzial dieses Trends. Deshalb haben wir ein eigenes Unternehmen, die e.2Go GmbH, gegründet. Hier wird man einen e.Go Life für den eigenen Fuhrpark einfach und flexibel zumieten können. Nebenbei ermöglicht das ja auch einen sanften Einstieg in das Thema Elektromobilität. Wichtig ist es, den Kunden eine gewisse Investitionsangst zu nehmen.

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