Bereits Ende März fragte der ADAC, wie Corona das Mobilitätsverhalten verändere. Danach sank der Anteil der Menschen, die an jedem Werktag zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz fahren, von 66 auf 32 Prozent. Zwei von fünf blieben ganz der Arbeit fern. Jeder Vierte, so stellte der ADAC weiter fest, fuhr nicht mehr mit dem öffentlichen Nahverkehr.
Fahrleistung sinkt um 20 Prozent
Bleibt das Auto damit Mobilitätsmittel Nummer eins? Die Huk Coburg verwies im Mai auf eine Umfrage, nach der zwei von drei Befragten nicht davon ausgingen, dass Corona ihr Mobilitätsverhalten langfristig verändern werde. Sie würden das Auto auch nach der Krise überwiegend verwenden. Und Lease Plan veröffentlichte im September die Ergebnisse einer internationalen Mobilitätsumfrage von Carnext.com. Danach nehmen 77 Prozent der in Deutschland Befragten nun eher das Auto anstelle von öffentlichen Verkehrsmitteln.
Geringere Mobilität – folglich sanken auch die von Firmenflotten gefahrenen Kilometer. Der digitale Flottenverwalter Avrios hat Daten von mehr als 110.000 Firmenwagen im ersten Halbjahr 2020 ausgewertet und festgestellt: Die in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge fuhren bis zu 20 Prozent weniger. Von durchschnittlich 2.382 monatlichen Kilometern im Januar und Februar sank der Wert auf 2.006 Kilometer im März und auf 1.895 Kilometer im Mai. Ab Juni sei die Fahrleistung dann parallel zur schrittweisen Lockerung der Maßnahmen wieder gestiegen und habe mit 2.267 Kilometern fast wieder das Vorkrisenniveau erreicht, erklärt CEO Andreas Brenner. Weniger gefahrene Kilometer bescherten den Flottenbetreibern niedrigere Kosten. Während des Lockdowns galten auch für die rund 120 User-Chooser von Efaflex Tor- und Sicherheitssysteme umfassende Reisebeschränkungen. "Unsere Baustellen und laufenden Projekte mussten allerdings trotzdem bedient werden. Deshalb waren unsere Monteure durchgehend mit den rund 150 Montagefahrzeugen bundesweit bei den Kunden vor Ort", erinnert sich Fuhrparkleiter Martin Kaus."Insgesamt sind die Kilometerleistung und damit die Sprit- und laufenden Fuhrparkkosten aber deutlich gesunken." Aufgrund der geringeren Fahrleistungen wurden branchenübergreifend viele Leasingverträge verlängert. Auch Flottenmanager Kaus ließ einige Verträge länger laufen.
Bei Boehringer Ingelheim haben weniger Dienstreisen ebenfalls zu stark gesunkenen Spritverbräuchen und reduzierten Kosten geführt, berichtet Melanie Schmahl, Leiterin Fuhrpark & Passenger Transport bei dem Pharmaunternehmen. Doch stand bei Boehringer Ingelheim keine Anpassung von Laufzeiten zur Diskussion. Die 1.600 Fahrzeuge, davon etwa 600 Autos für den Außendienst sowie Motivations-, Pool- und Spezialfahrzeuge, sind alle gekauft und werden nach 120.000 Kilometern oder fünf Jahren getauscht. Aufgrund der geringeren Fahrleistung können sie länger im Dienst bleiben.

Neuer Firmenwagen? Wozu?
Auch die Leasinggesellschaften merken, dass manche Unternehmen zögern, aufgrund der wirtschaftlich unsicheren Lage neue Geschäftswagen anzuschaffen. Häufig gingen sie deshalb auf ihre Kunden zu und schlugen individuelle Lösungen vor. VW Leasing etwa legte günstige Konditionen für Leasing- und Finanzierungsverträge auf. "Außerdem haben wir in dieses Paket den Ratenschutz bei Arbeitslosigkeit eingebaut", sagt Armin Villinger, Generalbevollmächtigter und Leiter Vertrieb Deutschland von Volkswagen Leasing. "Aus unserer Sicht ist das für Arbeitnehmer und kleine Gewerbetreibende eine sehr wirksame Absicherung, um im Bedarfsfall länger mobil zu bleiben." Die Aktion scheint zu greifen, die Nachfrage nach neuen Verträgen steige wieder.

Verstärkte Nachfrage nach Mietlösungen
Daimler-Tochter Athlon berichtet von einer hohen Nachfrage nach Mietlösungen, weil Unternehmen wegen der Planungsunsicherheit flexibel bleiben wollten oder Mitarbeitern ein Fahrzeug zur Verfügung stellen möchten, wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten könnten, sagt Commercial Director Philipp Berg. Ähnliche Erfahrungen hat auch Lease-Plan-Geschäftsführer Roland Meyer gemacht. Etliche Kunden hätten anfänglich mit verlängerten Leasingverträgen mobil bleiben müssen. "Unsere Kundenbetreuer stehen in regelmäßigem Kontakt mit den Fuhrparkbetreibern. Aktuell hat sich der Geschäftsbetrieb rund um die Leasingfahrzeuge bereits weitgehend normalisiert."

Und auch Car Professional Management (CPM) bestätigt, dass sich der Lockdown im Frühjahr auf die Bestellungen auswirkte." Mit Beginn der Lockerungen und spätestens mit dem Konjunkturpaket hat sich der Markt aber schnell wieder entwickelt. Entscheidungen wurden eher vertagt", so CPM-Chef Mattes Decker.
Gestoppte Produktion, verlängerte Lieferzeiten
Doch selbst bestellte Autos ließen teils lange auf sich warten. Alle Unternehmen spürten die Lieferverzögerungen, denn auch Autoindustrie und -handel standen lange still. "Corona hat die Lieferzeiten nicht nur verlängert, sondern komplett unplanbar gemacht", klagt Fuhrparkleiter Kaus von Efaflex. Auch die Flottenexpertin von Boehringer berichtet von verzögerten Prozessen in ihrem fast ausschließlich von Mercedes belieferten Fuhrpark. "Wir hatten rund zwei Monate lang Bestellschwierigkeiten", sagt Schmahl. "Selbst bereits fertiggestellte Autos wurden aufgrund von Kurzarbeit beim Transporteur verzögert geliefert. Und dann erschwerten Kontaktbeschränkungen auch noch die Fahrereinweisung."
Jetzt kämpft die Automobilbranche, um sich nach der großen Delle zu erholen. Allerdings war sogar im September noch immer ein Viertel der Beschäftigten in Kurzarbeit, berichtete VDA-Präsidentin Hildegard Müller auf einem Kongress von "auto motor und sport". Und so schlägt die Krise direkt auf die Zulassungszahlen durch. Abgesehen vom September ließen Gewerbekunden jeden Monat weniger Firmenwagen zu als im Vorjahr, im Oktober sank die Rate beispielsweise um 9,1 Prozent.
Auch andere Player im Mobilitätsgeschäft können noch nicht durchatmen. Schmahl etwa ahnt: Für einige der Dienstleister, die für Boehringer Ingelheim im Bereich Personenbeförderung unterwegs sind, wird sich einiges verändern. „Es fanden kaum Dienstreisen, Besuche und Kongresse statt. Das wird sich mittelfristig wohl auch nicht ändern.“
Doch es gibt auch Coronagewinner. Weniger Fahrten bedeuteten beispielsweise weniger Unfälle. Die Huk Coburg hat nun angekündigt, ihren Mitgliedern und Kunden nach Gesamtbewertung des Geschäftsjahres 2020 aufgrund der geringeren Schadensquote finanziell entgegenzukommen.
Weniger Fahrten, weniger Schäden
Eine bessere CO2-Bilanz der Flottenmobilität kann sich ebenfalls vorteilhaft auswirken. Nicht nur, dass aufgrund der Mobilitätsbeschränkungen weniger Kilometer gefahren, Leasingverträge oft verlängert und Kauffuhrparks länger gehalten wurden: Kaufprämien sollen alternative Antriebe und E-Mobilität schon seit längerer Zeit fördern. Einige Firmen nutzten die Umbruchzeiten nun, um verstärkt darauf zurückzugreifen.
Außerdem merken Firmen: Reisen zu Meetings sind gar nicht im bisherigen Umfang nötig, weil der digitale Weg über Videotelefonie und Gruppenchats auch zum gewünschten Ergebnis führt. Für eine komplette Neuausrichtung der Firmenmobilität ist es vermutlich vielerorts noch etwas zu früh, doch wo schon vorher Bewegung zu spüren war, wirkt Corona als Verstärker des Wandels. Das berichten auch Mobilitätsdienstleister. Sie bieten Alternativen und verzeichnen mehr Nachfrage nach günstigeren, nachhaltigeren oder flexibleren Angeboten.

Flexibilität steht hoch im Kurs
"Nicht erst seit der Coronapandemie beobachten wir: Mobilität ändert sich. Das nimmt durch die Entwicklungen in diesem Jahr deutlich an Fahrt auf", glaubt CPM-Chef Decker. "Gesellschaftliche und technische Entwicklungen führen zu einem breiteren Mobilitätsmix in den Unternehmen. Alternative Mobilitätslösungen werden neben dem klassischen, persönlich zugeordneten Dienstwagen zunehmend an Bedeutung gewinnen." Aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen würden häufig die Prioritäten neu ausgerichtet oder neue Themen in die Planung aufgenommen.
Bus, Bahn, Carsharing: Decker spielt auf alternative Mobilitätsformen an, die beispielsweise über Mobilitätsbudgets abgedeckt werden. Das Unternehmen Belmoto ist Spezialist für solche Lösungen. Dort erkennt man, dass Flexibilität das Stichwort der ersten Coronamonate war und bis heute ist. "Viele unserer Kunden haben die Situation genutzt, um sich grundsätzlich über die Neuausrichtung ihrer Mobilität Gedanken zu machen", sagt Belmoto-Geschäftsführer Philip Kneissler. Firmen seien sensibler, was Kosten angehe, und eher zum Downsizing bereit. Will heißen: kleinere Autos für den Fuhrpark. "Die Flottenbranche wird sich in Zukunft stärker flexibilisieren müssen."
Nicht zuletzt haben andere Mobilitätsanbieter ganz konkret von Corona profitiert – Autoabo-Anbieter wie Vive La Car zum Beispiel, ein Unternehmen, das mit dem Autohandel kooperiert. 38 Prozent der Abonnenten sind gewerbliche Kunden. "Ein Autoabo ist momentan für viele Firmen und Soloselbstständige die beste Lösung, weil es maximale Flexibilität bietet", sagt Co-Gründerin Florine von Caprivi. Das Stuttgarter Unternehmen hatte aufgrund des stillstehenden Autohandels zunächst ebenfalls mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. Im Laufe des Jahres sei die Nachfrage nach Mobilität zum Flatratepreis stark gestiegen.
Die Autovermieter reagierten ebenfalls. Europcar etwa habe mehr Langzeitlösungen und Aboangebote ins Programm aufgenommen, sagt Geschäftsführer Stefan Vorndran. Auch seine Kunden könnten passende Pkw, Transporter oder Lkw ab 28 Tagen Laufzeit mieten und danach flexibel kündigen.