Der Automarkt steht unter Druck: In China bröckeln die Gewinne, zugleich drängen chinesische Marken nach Europa. Das hat gravierende Folgen für deutsche Hersteller – von der Modellstrategie bis zur Preispolitik. Peter Fintl, Director Technology & Innovation bei Capgemini Engineering, analysiert im firmenauto-Interview, wie sich der Wettbewerb verschärft, was das für Flottenkunden bedeutet und warum gerade jetzt Offenheit gegenüber neuen Anbietern gefragt ist.
1. Was bedeutet der Preiskampf in China für deutsche Hersteller und deren Modellstrategien in Europa?
Gerade für die deutschen Hersteller war der chinesische Markt für viele Jahre ein verlässlicher Gewinnbringer. Vielfach war es sogar der wichtigste Einzelmarkt. Erstarkende lokale Konkurrenz, geänderte Kundenwünsche hin zu elektrifizierter Mobilität und ausgefeilten Infotainment-Lösungen – und vor allem ein erheblicher Preiskampf – stellen deutsche Hersteller aber vor Herausforderungen. Vom lokal produzierten Einstiegsprodukt bis hin zur importierten Oberklassenlimousine sind die Verkäufe unter Druck geraten. Damit sinken kurzfristig Cashflows, welche bei der Transformation der globalen Modellpalette hin zu „elektrisch, automatisiert, vernetzt“ aktuell fehlen. Ebenso sehen wir eine gewisse Abkopplung der Märkte. Das "Weltauto" ist derzeit ein Auslaufmodell. Strategien wie "in China – für China" sind notwendig, um den Geschmack der Kunden zu treffen und von Kostenvorteilen zu profitieren. Dies alles erfordert hohe Investitionen. Gleichzeitig haben alle Hersteller erkannt, dass das Innovationstempo nicht verringert werden darf. Den Anschluss verlieren – das ist für die deutschen Hersteller keine Option. Insofern steht die deutsche Industrie in einer Transformationsphase, um insgesamt effizienter zu werden und gleichzeitig kundenrelevante Innovationen rascher auf den Markt zu bringen.
2. Wie beeinflusst Chinas Marktsituation die Angebots- und Preispolitik hierzulande?
Kurzfristiger Sparbedarf führt meistens zu einer Straffung des Portfolios. Modelle bzw. Ausstattungen werden optimiert – oder gar gestrichen. Hier sind die Hersteller nun in einer Zwickmühle. Einerseits gilt es, hohe Preise durchzusetzen, andererseits sieht man Zeichen, dass die Produzenten sich teilweise aus dem Markt gepreist haben. Letzte Zahlen zeigen, dass zur Stützung der Absätze vermehrt auf Eigenzulassungen oder den Vertrieb über Mietwagenunternehmen zurückgegriffen wurde. Das schlägt auf die Margen.
3. Welche Auswirkungen hat der Markteintritt chinesischer Hersteller auf europäische Flottenangebote?
Chinesische Anbieter verfügen ohne Zweifel vielfach über konkurrenzfähige Produkte. Der Markteintritt in Europa ist bei vielen großen Spielern nun erfolgt – aber anders als erwartet. Die Absatzzahlen entwickeln sich bis dato weniger dynamisch als erwartet. Teilweise unrealistische Preispunkte, fehlendes Betrieb- und Servicenetz sowie ein unklares Markenversprechen konnten hiesige Käufer kaum hinter das chinesische Lenkrad locken. Das bedeutet jedoch nur eine willkommene Atempause für europäische Hersteller. Die Defizite im europäischen Vertrieb wurden in China erkannt. Anpassungen der Strategie sind bei allen großen Marken angelaufen. Ebenso ist die Eröffnung einer Produktion in Europa bei vielen Marken geplant. Mit diesen Maßnahmen sind die Voraussetzungen geschaffen, um auch im wichtigen deutschen Flottengeschäft erfolgreich zu sein.
4. Sind deutsche Hersteller bereit für den Preis-Leistungs-Druck im Volumensegment?
Deutsche Hersteller sowie ihre Marken verfügen in allen Segmenten und Antriebsarten über attraktive Produkte. Unter Druck gesetzt von den wachsenden Anforderungen an das Fahrzeug von Kundenseite und gesetzlicher Seite, kämpfen Hersteller darum, die Kosten im Griff zu behalten. Allzu verlockend ist es, an der Preisschraube zu drehen. Hier erwarte ich perspektivisch stärkste Konkurrenz durch chinesische Spieler. Während die Standortkosten für alle gleich sind, können Unternehmen aus dem Reich der Mitte von schlanken Organisationen sowie Skaleneffekten entlang der Wertschöpfungskette profitieren. Schnelle, effiziente und innovative Produktentwicklung aus China für die Welt wird eine Trumpfkarte sein. Allerdings geben die noch in diesem Jahr auf den Markt kommenden Modelle der deutschen Hersteller Anlass zur Hoffnung. In Sachen Technik, Nutzererlebnis und vermutlich auch TCO werden diese Fahrzeuge hochattraktiv sein. In jedem Fall darf sich der Kunde freuen, die harte Konkurrenz sorgt für bessere Angebote im Markt.
5. Was empfehlen Sie Flottenverantwortlichen angesichts wachsender Konkurrenz und unsicherer Restwerte?
Fuhrparkverantwortliche stehen vor der Aufgabe, ihr Mobilitätsangebot kostengünstig und gleichzeitig attraktiv für die Nutzer zu gestalten. Man kann zur Offenheit gegenüber neuen Anbietern raten. Das Gesamtpaket aus Produkt, Service und vor allen Dingen Kosten könnte sich bei einigen "Neueinsteigern" in den nächsten 12 Monaten deutlich verbessern.
6. Kann der Wettbewerbsdruck aus China deutsche Hersteller zur Effizienz zwingen?
Auch hier gilt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Ohne Zweifel bestehen in den Geschäftsprozessen noch erhebliche Potentiale zur Effizienzsteigerung – und damit zur Kostenoptimierung. Ich gehe davon aus, dass der verstärkte Wettbewerbsdruck auch als Katalysator zur beschleunigten Veränderung wirkt und manchmal auch zur simplen Erkenntnis führt: Es zählt nur, was dem zahlenden Kunden gefällt.