Der Kilometerstand ist niedrig, das Fahrverhalten vorbildlich – und trotzdem verliert das Elektroauto spürbar an Reichweite. Viele Nutzer fragen sich: Liegt es am Laden? Und wenn ja: Wie schlimm ist es wirklich? Eine neue Studie der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit The Mobility House will darauf Antworten geben – ganz ohne Mythen, aber mit Zahlen aus zehn Jahren Batteriesimulation.
Netzrückspeisung belastet den Akku kaum
Das Vehicle-to-Grid-Prinzip, bei dem Strom aus dem Fahrzeugakku ins Netz zurückfließt, wurde oft kritisch gesehen. Die RWTH-Analyse zeigt jedoch: Zusätzliche Alterung bleibt mit 1,7 bis 5,8 Prozentpunkten nach zehn Jahren gering. Der Kapazitätsverlust beträgt je nach Zelltyp 0,9 bis 3,1 kWh, was rund 6 bis 19 Kilometern Reichweite entspricht. Gleichzeitig führt der zusätzliche Energiedurchsatz von etwa 4,7 MWh pro Jahr zu potenziellen Einnahmen von mehr als 600 Euro.
Studie vergleicht verschiedene Ladestrategien
Untersucht wurden drei gängige Ladeformen:
- Sofortladen (Immediate Charging),
- Intelligentes Laden (V1G) sowie
- Bidirektionales Laden (V2G).
Das Forschungsteam analysierte, wie sich die einzelnen Methoden auf die Alterung von im Markt verfügbaren Zelltypen auswirken. Dabei wurden über zehn Jahre hinweg unterschiedliche Lade- und Entladezyklen simuliert.
Sofortladen schadet der Batterie
Das direkte Laden nach jeder Fahrt – so praktisch es klingt – führt zu einer deutlich stärkeren Akkualterung. Im Vergleich dazu reduzierten intelligente Ladeprozesse die Kapazitätsverluste nach zehn Jahren um 3,3 bis 6,8 Prozentpunkte. Umgerechnet entspricht das einer Reichweitenersparnis von bis zu 22,5 Kilometern nach WLTP. Neben dem Schonungseffekt bringt Smart Charging auch einen geldwerten Vorteil: Zwischen 200 und 400 Euro pro Jahr lassen sich laut Studie durch netzdienliches Laden erzielen.
Batteriepflege durch Ladeverhalten
Extreme Ladezustände, also 0 oder 100 Prozent, sollten vermieden werden. Besonders schonend wirken sich sogenannte flache Ladezyklen aus. Wer sein Fahrzeug regelmäßig nur zwischen 20 und 80 Prozent Akkustand nutzt, kann die Lebensdauer deutlich verlängern. Intelligente Algorithmen helfen, Ladezeiten und Energiemarkt optimal zu kombinieren.
Experten sehen Potenzial für Energiewende
Prof. Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen sieht im V2G-Ansatz einen "Game Changer" für die Energiewende, sofern intelligentes Lade-Management eingesetzt wird. Auch Thomas Raffeiner, CEO von The Mobility House, fordert politische Rahmenbedingungen, um die Potenziale für Nutzer, Stromnetz und Klima umfassend zu nutzen.