Totgesagte leben länger. Denn über viele Jahre galt der Plug-in-Hybrid nur als Brückentechnologie, die Skeptiker mit der Kombination aus Verbrenner und Akku-Antrieb auf die Elektromobilität einstimmen sollte. Doch obwohl die Autos mit der doppelten Technik überdurchschnittlich komplex und vor allem teuer sind, halten sie sich länger im Handel als erwartet. Im Gegenteil: Statt sie mit der zunehmenden Elektrifizierung ihres Portfolios aus dem Programm zu nehmen, entwickeln vor allem die deutschen Hersteller immer neue Teilzeitstromer.
CO2-Bilanz: Plug-in-Hybride als Rettungsanker für Hersteller
Denn mit ihrem zumindest rechnerisch geringen CO₂-Ausstoß, so die Hoffnung in Wolfsburg, Stuttgart oder München, drücken sie den Flottenverbrauch und damit die Klimazahlungen an Brüssel und können so die Lücke schließen, die durch den stotternden Absatz der Stromer in der Statistik klafft. Entsprechend groß also dürfte die Freude beim Blick in die 2024er-Statistik gewesen sein, die bei 192.000 PHEV-Neuzulassungen ein Plus von rund zehn Prozent ausweist.
Politik-Debatte: Plug-in-Hybride über 2035 hinaus?
Womöglich funktioniert dieser Rechentrick sogar noch länger als gedacht. Denn im Ringen um eine Rettung der vermeintlich bedrohten Autoindustrie und einer Aufweichung des De-facto-Verbrenner-Verbots ab 2035 in Europa könnte dem Plug-in-Hybriden eine Schlüsselrolle zukommen: Erstmals hätten EU-Vertreter den Verkauf von Plug-in-Hybriden nach 2035 nicht ausgeschlossen, schreibt der "Spiegel" unter Berufung auf Verhandlungskreise.
Plug-in-Hybride: Vorteile für Kunden trotz hoher Preise
Für die Kunden ist der PHEV unter Umständen nicht die schlechteste Lösung: Zwar deutlich teurer als ein reiner Verbrenner, ist er in der Regel noch immer spürbar günstiger als das elektrische Äquivalent – und eröffnet im Alltag trotzdem spürbare Sparpotenziale. Denn wer Solarstrom produziert, tankt zumindest teilweise kostenlos, es gibt einen Rabatt bei der Dienstwagenbesteuerung, und die elektrischen Komponenten werden obendrein immer leistungsfähiger.
Technologiewandel: Der Range Extender kommt
Aber dabei wird es nicht bleiben. Denn es zeichnet sich – getrieben aus China – mittlerweile eine Trend- und Technologiewende ab und die Vorzeichen kehren sich um. Nicht mehr der Verbrenner übernimmt das Gros der Antriebsarbeit, sondern E-Motor und Akku: Der Benziner läuft nur noch als Generator und aus dem Plug-in-Hybrid wird ein Range Extender, der Elektroautos zu Reichweiten von oft mehr als 1.000 Kilometern verhilft.
China macht es vor: Range Extender als neue Standardlösung
Während diese Technik bei uns ein absolutes Nischendasein fristet, nur kurz im ohnehin schon exotischen BMW i3 angeboten wurde und sich heute auf den nicht minder unkonventionellen Mazda MX-30 beschränkt, kommt sie auf dem wichtigsten Markt der Welt gerade groß raus: "Der große Sprung zum vollelektrischen Antrieb scheint auch in China nicht auf einmal stattzufinden – der Zwischenschritt über den Range Extender etabliert sich gerade als die Standard-Antriebsoption im elektrischen Lösungsraum", sagen Xing Zhou und Dominik Appel vom Strategieberater Alix Partners.
Warum Range Extender den PHEV ablösen könnten
"Befürworter sehen darin eine Brückentechnologie, die effizienter und klimafreundlicher ist als Plug-in-Hybride und dank hoher Reichweite auch im Westen weitere Kunden von E-Autos überzeugen könnte", so die Alix-Experten.
Westliche Hersteller zögern – China prescht vor
Während eine Reihe chinesischer Hersteller, darunter auch international aktive wie BYD oder der Range-Extender-Pionier Li Auto, mit verschiedenen Modellen auf dem Vormarsch sind und angesichts der hohen Nachfrage weitere Marken auf den Zug aufspringen werden, dümpelt die Technologie im Rest der Welt unter "Ferner liefen". Zwar ist Mazda bereits an Bord und die Alix-Experten berichten von ähnlichen Entwicklungen bei Hyundai-Kia. Doch viele westliche Hersteller hätten sich selbst das Ziel der vollständigen Elektrifizierung von Fahrzeugen gesetzt und deshalb Investitionen in Technologien ohne fossile Brennstoffe die größere Priorität eingeräumt, so Zhou und Appel.
Verpasst die deutsche Autoindustrie eine Chance?
Damit stellt sich für die Alix-Experten die Frage, ob die deutsche Automobilindustrie zu spät diese Angebotslücke schließt und auf diese Weise eine Chance verpasst. In ihren Augen könnte die Technologie nicht nur die CO₂-Grenzwerte für Neufahrzeuge in der EU bis mindestens 2034 erfüllen und stelle deshalb bis dahin eine sinnvolle Brückentechnologie dar. Sie könne voraussichtlich auch viele Kunden kurzfristig für die E-Mobilität gewinnen.
Expertenmeinung: PHEV ist nicht die optimale Lösung
Dabei sei sie dem Plug-in-Hybriden auf breite Front überlegen, sagt Alix-Experte Zhou: "Denn der PHEV ist weder technisch noch wirtschaftlich die optimale Kombination." Anders als beim Range Extender sei der Verbrenner sehr aufwändig und laufe zudem nicht permanent im optimalen Betriebspunkt. Und den zumindest perspektivisch wachsenden Preisvorteil billiger werdender Batterien und -Motoren könne der PHEV auch nicht nutzen.
"PHEVs werden ohne Förderungen nicht überleben"
"Die PHEV-Technologie war von Anfang an eine Übergangstechnologie – ich denke, es war im Nachhinein die falsche, die bessere ist der Range Extender, der von den Materialkosten und der Komplexität günstiger ist", sagt Zhou. Und für den Kunden: Den störe schließlich vor allem die Reichweitenangst und die mangelnde E-Infrastruktur, zwei Probleme, die sich mit dem Range Extender gut lösen ließen.
Wird China wieder zum Vorreiter?
PHEVs sind für Zhou ein Produkt von überzeichneten Fördersystemen und nicht ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage. "Das heißt: PHEVs werden ohne Förderungen nicht überleben – Range Extender brauchen keine Förderungen. Davon bin ich überzeugt", sagt der Experte. Die Zeit werde zeigen, dass sich die einfacheren Lösungen durchsetzen werden.
Und einmal mehr werden die Schrittmacher dabei womöglich aus China kommen, wo die Technik mittlerweile großflächig ausgerollt wird. Dabei sei Deutschland auch hier vor mehr als zehn Jahren technologischer Vorreiter gewesen, so Zhou und appelliert an die heimische Industrie: "Riskieren wir eine Mobilitätslücke und geben ein wachsendes Marktsegment kampflos auf?"