Entwicklung von Transportern ist komplexer als bei Pkw
Die Herausforderungen für Hersteller vor allem von kleineren und mittleren Nutzfahrzeugen sind aufgrund der Variantenvielfalt groß. Zudem stellt auch die Politik Renault, Ford, Mercedes und Co. hier immer wieder vor neue Herausforderungen. Wir sprachen mit Jean-Francois Vial, dem Leiter Entwicklung Transporter bei Renault über die aktuellen und künftigen Entwicklungen.
Herr Vial, einen Transporter zu entwickeln ist aufwendiger als einen Pkw. Worin liegen die größten Herausforderungen?
Jean-Francois Vial: Anders als bei einem Pkw entwickelt man bei einem neuen Transporter nicht ein einzelnes Modell, sondern gleich eine gesamte Modellfamilie mit sehr vielen Derivaten. Wir sprechen von E-Motoren und Verbrennern, von Front-, Heck- und Allradantrieb, von kurzen und langen Radständen, Versionen mit Hochdach, Kippern und vielem mehr. Alleine beim letzten Master waren es über 400 Varianten. Jede davon muss homologiert werden und alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Und das nicht nur in der EU. Viele unserer Modelle werden weltweit verkauft, und überall gibt es andere Vorschriften.
Das Problem ist: Diese Vorgaben werden immer wieder geändert, sodass wir ständig nachjustieren müssen. Eine der größten Herausforderungen der letzten Zeit ist die ab Ende 2027 gültige Abgasnorm Euro 7. Glücklicherweise ist die EU den Fahrzeugherstellern ein wenig entgegengekommen. Die ursprünglich angedachten Grenzwerte hätten das Aus für den Diesel im Transporter bedeutet. Selbst mit einem Voll-Hybrid-Dieselmotor hätte man sie nicht einhalten können.
Renault setzt trotzdem auf E-Mobilität. E-Trafic, Goelette und Estafette stehen bereit. Hat das die städtische Logistik verändert?
Unser aller Einkaufsverhalten beeinflusst auch die Logistik. Denken Sie nur an die vielen Paketfahrzeuge, die in den Städten unterwegs sind. Natürlich muss Renault darauf reagieren. Die Käufer erwarten, dass Päckchen schnell, sicher und sauber zugestellt werden. Den Estafette haben wir genau dafür entwickelt. Der Fahrer betritt den Laderaum von der Kabine aus, steigt auf der Gehwegseite ein und aus und kann das Fahrzeug mit weniger Handgriffen entsperren und starten. Das spart bei jedem Zustellvorgang bis zu 46 Sekunden. Viele neue Ideen kommen auch von unseren Flottenkunden, und die wollen wir als Fahrzeughersteller natürlich so weit wie möglich umsetzen. Aber das bringt mich wieder zu Ihrer vorigen Frage zurück: Jeder Kunde hat andere Wünsche. Und jede dieser speziell dafür entwickelten Varianten muss wieder aufwendig getestet und homologiert werden.
Die Zustellung auf der letzten Meile verändert sich. Welche Lösungen plant Renault für zentrale Mikrolager und E-Lastenräder?
Für solche Einsätze hat unsere auf Elektromobilität spezialisierte Marke Mobilize eben erst den Bento eingeführt. Der ist nur 2,43 Meter lang und kann in seiner 649 Liter große Ladebox jede Menge Päckchen transportieren. Möglicherweise wird sich Renault auch irgendwann mit einem elektrischen Lastenrad beschäftigen. Aber momentan konzentrieren wir uns auf unsere bestehende Palette von Master bis Kangoo und dem darunter rangierenden Bento.