SIXT warnt vor EU-Elektroquoten

Interview zu Elektroquoten und Marktveränderungen
Sixt warnt vor Elektroquote

Im Gespräch mit firmenauto erklärt Sixt-Vorstand Vinzenz Pflanz, warum Elektroquoten an der Realität vieler Flotten vorbeigehen – und welche Schritte nötig wären, um den Wandel besser zu gestalten.

Vinzenz Pflanz, Chief Business Officer von Sixt SE, im Interview über Elektroquoten und Flottenstrategien in Europa.

Die EU will den Anteil elektrischer Flottenfahrzeuge deutlich erhöhen – doch in der Praxis fehlen vielerorts Ladepunkte, Planungssicherheit und verfügbare Modelle. Was das für Fuhrparks bedeutet, erläutert Vinzenz Pflanz, Vorstandsmitglied und Chief Business Officer der Sixt SE, im Gespräch mit firmenauto. Pflanz warnt vor den Folgen überzogener Elektroquoten und spricht über den sogenannten "Havanna-Effekt", der entstehen könnte, wenn Verbrennerfahrzeuge länger im Einsatz bleiben, weil E-Autos im Alltag noch nicht praktikabel genug sind. Gleichzeitig erklärt er, warum Sixt auf marktwirtschaftliche Lösungen setzt und weshalb technologische Offenheit entscheidend bleibt, um die Elektrifizierung des Flottensektors realistisch und wirtschaftlich umzusetzen.

Wie verändert sich die Flottenstrategie von SIXT durch die Dekarbonisierung und Elektromobilität?

Sixt nimmt für sich bei der Transformation eine Vorreiterrolle unter den Mobilitätsdienstleistern in Anspruch und leistet seinen Beitrag zur Dekarbonisierung – allein schon durch das Angebot, das im Kern dem Shared-Mobility-Gedanken folgt. Zudem investieren wir massiv in die Sixt App als digitalem Tor zu unseren Mobilitätsdiensten, fördern Elektroautos mit attraktiven Angeboten, akzeptieren Fahrzeuge mit 80 Prozent Ladezustand bei der Rückgabe und haben unsere E-Angebote durch Kampagnen breit beworben. Dennoch ist die Nachfrage im breiten Markt bislang verhalten – und für uns als Anbieter ist der Wunsch des Kunden entscheidend. Gerade in der Kurzzeitmiete, unserem Hauptgeschäftsfeld, erwarten Kunden schnelle Verfügbarkeiten und ein einfaches Handling des Fahrzeugs, ohne lange und komplexe Ladeprozesse, wenn sie unterwegs sind.

Warum sieht Sixt in den EU-Elektroquoten ein Risiko für den Markt?

Der Zielkonflikt liegt zwischen politischem Anspruch und praktischer Umsetzbarkeit. Die diskutierten Quoten für gewerbliche Flotten ab 2027 beträfen mehr als 60 Prozent der Neuzulassungen in der gesamten EU und kämen für alle Flottenbetreiber faktisch einem vorgezogenen Verbrennerverbot gleich. Infrastruktur, Fahrzeugverfügbarkeit und Kundenakzeptanz wachsen aber nicht im gleichen Tempo. Eine Quote ersetzt keine

Wenn Flottenbetreiber keine Verbrenner mehr kaufen dürfen, Elektrofahrzeuge aber faktisch kaum nutzbar sind, entsteht der sogenannte "Havanna-Effekt": Verbrennerfahrzeuge müssen länger gehalten werden, neue Elektrofahrzeuge werden nicht gekauft – mit fatalen Folgen für den Absatz, Arbeitsplätze und die Transformation insgesamt. Hinzu kommt: Die von der EU ins Spiel gebrachten Mengen an E-Fahrzeugen wären ab 2027 von europäischen Herstellern gar nicht zu beschaffen. Das würde die Abhängigkeit von chinesischen Produzenten weiter verstärken. Gleiches gilt übrigens für Batterien.

Welche politischen Maßnahmen könnten die Elektrifizierung der Flotten sinnvoller unterstützen?

Sinnvoll sind Maßnahmen, die die Transformation fördern, statt sie mit nicht umsetzbaren Mitteln erzwingen zu wollen. Entscheidend ist, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Elektromobilität im Alltag funktioniert – nicht nur auf dem Papier. Starre Quoten schaffen keine Nachfrage, im Gegenteil: Sie gefährden sie. Was wir brauchen, ist ein marktwirtschaftlicher Ansatz mit Augenmaß, der einen flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU verfolgt.

Wie bewerten Sie den aktuellen Ausbau der Ladeinfrastruktur in Europa?

Leider ist sie bei weitem noch nicht ausreichend. 60 Prozent aller öffentlichen Ladesäulen in der EU stehen in nur drei Ländern – Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Auf rund 80 Prozent der EU-Fläche herrscht faktisch eine Lade-Wüste. Aber auch in Deutschland ist der Ausbau unzureichend. Laut Bundesverkehrsministerium verfügen knapp 50 Prozent aller Kommunen über keine öffentliche Ladestation. Von einem flächendeckenden, leistungsfähigen Schnellladenetz sind wir also noch sehr, sehr weit entfernt.

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen europäischen Märkten bei der E-Mobilität?

Skandinavien ist einer der Vorreiter – dort funktioniert Elektromobilität, denn eine flächendeckende Ladeinfrastruktur ist die Voraussetzung für Kundenakzeptanz. Deutschland bewegt sich, aber das Netz, wie beschrieben, ist noch nicht flächendeckend. In Südeuropa sieht es deutlich schwieriger aus: kaum Schnellladepunkte, teilweise fehlende Netzanbindung und geringe Nachfrage. Das zeigt, dass ein einheitlicher EU-Zeitplan nicht funktioniert, wenn die Ausgangslage so unterschiedlich ist. Politische Vorgaben müssen diese Unterschiede berücksichtigen, sonst entsteht ein Wettbewerbsnachteil für ganze Regionen.

Welche Folgen haben längere Fahrzeughaltedauern für Restwerte und Gebrauchtwagenmarkt?

Das ist genau die Gefahr, die Automanager wie BMW CEO Oliver Zipse und Mercedes-Benz CEO Ola Källenius mit dem Begriff "Havanna-Effekt" beschreiben. Wenn neue Fahrzeuge – ob Verbrenner oder Elektro – nicht gekauft werden, steigt das Durchschnittsalter der Flotten. Fahrzeuge bleiben länger im Bestand, der Gebrauchtwagenmarkt verknappt sich. Das kann die Restwerte gefragter Verbrenner sogar stabilisieren oder erhöhen, während viele Elektrofahrzeuge aufgrund hoher Wertverluste unter Druck bleiben. Wenn die Quoten kommen, müssten auch wir prüfen, gegebenenfalls Fahrzeuge deutlich länger in der Flotte zu halten – nicht nur Monate, sondern Jahre. Das hilft weder den europäischen Herstellern noch der Umwelt.

Wie wirken sich Zinsen, Preise und Lieferengpässe auf Flottenstrategie und Kunden aus?

Das aktuelle Zinsniveau, steigende Fahrzeugpreise und Lieferengpässe betreffen die gesamte Branche. Wenn starre Elektroquoten hinzukommen, wird das Investitionsklima weiter belastet – und das hätte letztlich auch Auswirkungen auf die Preise für Endkunden. Elektrofahrzeuge sind in der Anschaffung teurer, haben geringere Restwerte und verursachen höhere Betriebskosten. Diese Kostensteigerungen würden sich zwangsläufig auf die Mietpreise auswirken. Am Ende träfe eine überambitionierte Regulierung also die Verbraucher. Ein weiterer Effekt: Wenn europäische Hersteller die geforderten Stückzahlen nicht liefern können, müssten Flottenbetreiber zwangsläufig auf chinesische Marken ausweichen. Das kann nicht im Interesse der EU sein.

Was kann Europa von Chinas technologieoffenem Ansatz lernen?

Europa sollte pragmatischer werden – das schafft Flexibilität und fördert Innovation. Zudem macht eine einseitige Festlegung auf batterieelektrische Fahrzeuge Europa abhängig von asiatischen Lieferketten. Rund 70 Prozent der weltweiten Batterieproduktion liegen in China, und selbst europäische Produktionsprojekte sind zu fast 100 Prozent in asiatischer Hand. Eine verpflichtende Elektroquote würde diese Abhängigkeit weiter verschärfen. Europa muss technologieoffen bleiben, wenn es seine Wettbewerbsfähigkeit sichern will.

Wie hoch wird der Elektroanteil in der SIXT-Flotte bis 2030 realistisch sein?

Unsere ursprünglichen Planungen (aus dem Jahr 2022) sahen für 2030 einen Elektroanteil von 70 bis 90 Prozent vor – immer eng gebunden an die Produktionspläne der Hersteller und an den geplanten Ausbau der Ladeinfrastruktur. Diese Rahmenbedingungen haben sich inzwischen aber verändert; viele Hersteller haben ihre Elektroziele aufgeweicht und auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur geht nur schleppend voran. Daher sind wir überzeugt, dass ein politisch verordnetes Tempo zur Elektroquote nicht funktioniert, da der Markt dies nicht leisten kann. Sollte die EU dennoch daran festhalten, würde sie sich gegen die Marktwirtschaft und für eine Planwirtschaft entscheiden.

Was raten Sie Unternehmen, die ihre Flotten elektrifizieren wollen, aber bei der Ladeinfrastruktur zögern?

Vielen Dank für diese Frage! Hier ist Sixt der ideale Ansprechpartner. Unternehmen – und natürlich auch Privatkunden – können ohne Berührungsängste und ohne Investitionsrisiko so lange, wie sie möchten, Elektromobilität bei Sixt testen und dabei von dem Know-how sowie der Erfahrung von Sixt auf diesem Gebiet profitieren.