Vom grauen Alltag zu bunten Ikonen
Trübe, gedeckte Lackierungen liegen heute im Trend, wie der Blick auf die Straßen zeigt. SUVs, Kombis und sogar Kleinwagen in "Leasing-Grau" oder "Business-Schwar" verkaufen sich besser. Und doch sind es immer wieder bunte Revolutionen, die Autos begehrenswert machen. „Wenn man ein Kind bittet, ein Auto zu malen, wird es dafür mit Sicherheit die Farbe Rot benutzen“, erklärte schon Enzo Ferrari, als er Ende der 1940er Jahre mit seinen in Corsa-Rossa lackierten Sportwagen die Tristesse der damals ebenfalls überwiegend grau-schwarzen Farbwelt unter den ersten Nachkriegsmodellen von Austin über Mercedes bis VW auflockerte.
Italiener und Amerikaner entdecken Farbe
Tatsächlich waren es zunächst vor allem italienische und amerikanische Designer, die bunte Autos wollten und mit hellen Pastelltönen oder Zweifarblackierungen Akzente setzten, die in jenen Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs Begehren auslösten. Ein riesiger Cadillac oder Chrysler, aber auch ein großer Alfa 1900, Citroen DS oder Volvo Amazon wirkte flacher, gestreckter und dynamischer, wenn das Dach mit einer Kontrastlackierung farblich abgesetzt war – ein Trend, der heute bei SUVs revitalisiert wird.

Bei Renault gestaltete die Textildesignerin Paule Marrot in den 1950ern Farben und Interieurmaterialien von Modellen wie Dauphine und Floride (im Bild).
Weiße Klassiker und orange Signaltöne
Aber auch pflegeleichte, weil staubunempfindliche "Weißware" blieb bis in die 1970er Jahre beliebt, wie etwa Liedermacher Reinhard Mey in seinem Song vom "schneeweißen Kapitän" feierte. Knallige Signalfarben wie Orange sollten ab den späten 1960ern Sichtbarkeit und Sicherheit bringen, vor allem Dynamiker wie BMW 2002, NSU TT oder Porsche 911 punkteten damit. Bis in die 1980er sprach die Autowerbung oft gezielt Männer an – aber keine Kaufentscheidung ohne Frauen, stellten verschiedene Studien klar. Dennach oblag in acht von zehn Fällen Frauen die Entscheidung über die Farbe des neuen Autos, und die Damen folgten dabei den Modezyklen der Bekleidungsbranche von knallig bis dunkel. Ein Phänomen, das automobile Designstudios früh veranlasste, auf die Expertise von Frauen bei Farben und Materialien zu vertrauen.
Designerinnen prägen Farbwelten
Speziell die "Colour & Trim Departments" werden oft von Designerinnen geleitet. Eine Entwicklung, die schon 1953 durch Renault initiiert wurde: Die Textildesignerin Paule Marrot als "Fachberaterin für Farben" sorgte für Furore, woraufhin Alfa Romeo auf die Expertise der Alta-Moda-Spezialistin Jole Veneziani vertraute. Veneziani etablierte Textilmode "made in Italy" in Nordamerika, ein Ziel, das auch Alfa mit seinen Mailänder Premiummodellen verfolgte.

Frauen machten ab den 1950ern automobile Alta Moda – Ein Alfa Romeo 1900 Berlina in den Farben von Jole Veneziani.
Farben mit Fantasie statt Technikjargon
Veneziani gestaltet nicht nur die Interieurmaterialien der Modelle Giulietta, 1900 und 2000 nach Haute-Couture-Maßstäben, auch die Farbpalette war disruptiv. Dazu ersetzte Veneziani die bis dahin nüchternen Farbnamen durch faszinierende Bezeichnungen wie Aurora (Morgenröte), Verde Bosco (Waldgrün), Aqua di Fonte (Quellblau), Giallo Paglierino (Strohgelb) oder Pomodoro (Tomatenrot) – das Startsignal für eine bis heute kultivierte fantasievolle Farb-Namensgebung bei fast allen Autobauern.
Wenn Farben Emotionen verkaufen
Alfa Romeo mauserte sich durch die kreativen Farben zum verführerischen Paradiesvogel unter den Premiumkonkurrenten. Schließlich galt schon damals, was Francois Farion, Director Design bei Renault, heute sagt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Farbe für viele Menschen das zweitwichtigste Detail an einem neuen Auto ist. Wenn jemand ein neues Auto gekauft hat, wird er zuerst gefragt: Was für ein Modell? Und gleich danach: Welche Farbe?" Mit der Folge, dass heute rund 80 Prozent der Kunden – sofern verfügbar – eine Zweifarblackierung wählen, wie Farion erklärt. Ein Phänomen, das schon in den 1950ern bei Renault Dauphine und Citroen DS zu beobachten war.

Gold für Champions – Zwei Millionen Opel-Fahrzeuge feierten sie in Rüsselsheim 1956 mit einem vergoldeten Kapitän.
Gold, Rennfarben und Statussymbole
Gold – bisweilen sogar veredelt durch echtes Blattgold – galt dagegen als Couleur der Champions, Mitte der 1950er zu erleben etwa beim einmillionsten VW Käfer oder dem Kapitän als zweimillionstem Opel-Automobil. Apropos Champions: Auch Motorsport-Championate waren bis 1970 von besonderen Farben geprägt. So trugen italienische Autos Rot (Rossa Corsa) und französische Fahrzeuge Blau, während britische Rennwagen an British Racing Green zu erkennen waren. Kein Wunder, dass britische MG- oder Jaguar-Sportwagen oft ebenfalls grün lackiert waren, während die französischen Leichtbau-Flundern von Alpine als "Equipe Bleu" bekannt wurden.
Farbe als Zeichen von Wohlstand
Mit steigendem Wohlstand zeigten Autokäufer in den 1960ern und 1970ern gern, wer sie waren: Den sozialen Aufstieg belegten edle Metallic-Lackierungen oder zumindest "schnelle" Rallyestreifen und die mattschwarze Motorhaube. Dagegen versprachen Farbtöne à la "Targa-Orange" nicht nur Temperament ähnlich wie beim Porsche 911, sondern auch "Vorsprung durch Technik" beim Wankelmotor-Pionier NSU Ro 80, nicht zu vergessen das legendäre "Weißherbst" beim Wankel-Supersportler Mercedes C 111.
Kunst auf Rädern: Die Ära der Art Cars
Kurz nach der ersten Ölkrise von 1973/74 kreierten Künstler einen Farbenrausch in der Automobilwelt: "Die Kunst, mit Erfolg Individualist zu sein", warb BMW für seinen ersten 3er (E21), der auf einem Plakat zwischen schreiend bunten BMW-Art-Cars der prominenten Künstler Alexander Calder, Frank Stella und Roy Lichtenstein parkte. Art Cars erlebten einen Hype, zumal auch schon Popstars der 1960er wie John Lennon oder Janis Joplin ihre privaten Rolls-Royce und Porsche in psychedelischen Farben veredeln ließen.
Farbenspiel der 1990er: Der Polo Harlekin
Als Volkswagen 1994 die dritte Generation des Polo lancierte, ging sogar aus einem Showcar mit bunten Ausstattungskomponenten ein Art Car hervor. Das Polo-Konzeptauto mutierte ein Jahr später zum legendären Sondermodell Polo Harlekin mit Teilen aus Flashrot, Ginstergelb, Pistazie und Chagallblau.

Ein Auto im Clownskostüm – Mit dem Polo Harlekin lancierte VW 1995 ein vierfarbiges Sondermodell.
Pop-Art und Farbvielfalt der 1990er
Pop Art anderer Art zelebrierten derweil Renault, Lancia oder Toyota. Während westliche Allradler durch die von Umweltdiskussionen geprägten 1980er und 1990er vorzugsweise in Erdtönen oder in "Japan-Weiß" fuhren, gab es den Toyota RAV4 Funcruiser 1995 als Colour-Plus-Edition in 136 Farbkonfigurationen. Erstmals konnten 4x4-Fans ihren SUV passend zur Farbe des Lieblingspullovers bestellen – während die vorzugsweise weibliche Kundschaft des Cityflitzers Lancia Y aus einem vergleichbar großen Farbprogramm namens Kaleidos wählen konnte.
Von Farbexplosion zu Farbreduktion
Zu viel Qual der Wahl. Bald reduzierten die Hersteller ihre Farbpaletten wieder, nur Edelmanufakturen wie Bugatti oder Individualisierungsprogramme etwa bei Porsche bieten noch heute ein Meer der Möglichkeiten. Schrille Farbkleckse setzten aber auch Kleinwagen á la Renault Twingo und Smart in den 1990ern oder seit den 2000er Jahren schicke Retro-Flitzer in der Art von Fiat 500, (BMW) Mini oder elektrischer Renault 5 – allesamt Blickfänger auf grauen Großstadtboulevards.
Farbe bleibt Emotion – auch elektrisch
Pulsbeschleunigende "Red Heat" entfachen dagegen weiter rote und orange Sportwagen, das längst nicht mehr nur aus bella Italia, sondern nun auch aus Japan (Mazda MX-5, Toyota GR86) oder elektrisch aus China (MG Cyberster). Aber auch einige der heute omnipräsenten Crossover setzen auf Emotionen durch eine bunte Farbgebung. Manche Marktforscher und Designer erwarten sogar, dass brillant-bunte statt grauer Farben die Autoformen der Zukunft in Bewegung bringen.
Farbgeschichte des Autos – Von Rot bis Leasing-Grau
1940er–1950er: Farbe kehrt zurück
Nach dem Krieg dominieren Schwarz und Grau. 1947 setzt Ferrari mit dem 125 S in Rosso Corsa erstmals ein Statement. In den 1950ern bringen italienische und französische Designer Farbe ins Spiel: Renault engagiert Textildesignerin Paule Marrot für den bunten Dauphine, Alfa Romeo vertraut Jole Veneziani für stilvolle Farbpaletten.
1960er: Pastellfarben und Popkultur
Pastelltöne, Orange und Zweifarblackierungen prägen die Sechziger. John Lennons bunt bemalter Rolls-Royce und der VW-Bulli werden Symbole der Love & Peace-Ära. Mazda zeigt mit der Luce die erste Metallic-Zweischichtlackierung.
1970er: Rennfarben und Art Cars
Polyurethanlacke bringen Glanz und Haltbarkeit. BMW startet 1975 mit Alexander Calder die legendären Art Cars, VW macht mit dem roten Golf GTI Farbe massentauglich.
1980er–1990er: Vom Farbboom zum Grau-Trend
Metalliclacke setzen sich durch. In den 1980ern wird Grau beliebter, während bunte Kleinwagen wie Renault Twingo oder VW Polo Harlekin in den 1990ern noch einmal Farbe bekennen.
2000er–2010er: Technik und Emotion
Hightech-Lacke wie Lexus Cosmo Silver oder Mazdas wasserbasierte Systeme stehen für Effizienz. Mazda definiert mit Rubinrot Energie emotionales Farbdesign neu.
2020er: Grau regiert – Farbe kommt zurück
Laut BASF sind 79 Prozent aller Neuwagen in Europa grau, schwarz oder weiß. Doch Blau, Grün und Gelb holen auf. Porsche bietet 2025 über 190 Farbtöne, matte Lacke liegen im Trend. Designer erwarten ein Comeback kräftiger Farben.







