Mercedes E-Klasse W210: Youngtimer wird 30

Kultklassiker aus Stuttgart
Mercedes E-Klasse 210 wird 30 Jahre

Vor 30 Jahren debütierte die E-Klasse W210 mit Vier-Augen-Design und prägte eine Generation von Dienstwagenfahrern - als Cheflimousine oder T-Modell. Heute gilt sie als stilvoller Youngtimer. Ein Rückblick mit großer Bildergalerie.

Mercedes E-Klasse Rückblick
Foto: Mercedes-Benz

Diese E-Klasse hat das Potenzial für Träume, besonders die Generation der Millennials verbindet mit der 1995 vorgestellten Mercedes-Baureihe 210 nostalgische Erlebnisse und Emotionen aus der eigenen Kindheit. Ob als Familien-Limousine, Freizeit-Kombi, Linke-Spur-Jäger mit AMG-Insignien, Taxi, Polizei- und Rettungsfahrzeug oder gar als gepanzerte Staatskarosse, dieser in über 1,6 Millionen Einheiten verkaufte Sternträger war um die Jahrtausendwende allgegenwärtig im Straßenbild und auf den Monitoren des jungen Internet-Zeitalters. Für das Stuttgarter Mercedes-Museum Anlass, die V8-Limousine E 60 AMG als ein Highlight der bis November 2025 laufenden Ausstellung „Youngtimer“ herauszustellen.

Mercedes E-Klasse Rückblick
Mercedes-Benz

Mit bis zu 1.975 Liter Stauraum krönte sich der Kombi zum neuen Ladechampion, nicht einmal der Citroen XM Kombi fasste so viel Gepäck, und gegenüber Lifestyle-Lastern wie Audi A6/S6 hielt der Benz sogar fast die Hälfte mehr an Volumen bereit.

Kaum zu glauben: schon Oldtimer-Potenzial

Tatsächlich zählen die ältesten Exemplare der zweiten E-Klasse – mit dem „E“ wie „Executive“ fährt die obere Mittelklasse erst seit 1993 – aber sogar zu den neuen Oldtimern und Kandidaten für ein H-Kennzeichen. Die E-Klasse (Baureihe 210) mit dem revolutionären Vier-Augen-Gesicht bereits 30 Jahre alt? Kaum zu glauben, strahlt die unter dem legendären Chefdesigner Bruno Sacco gezeichnete Baureihe doch bis heute Eleganz aus. So wie es Sacco immer forderte: Das Design eines Mercedes-Benz müsse rund 30 Jahre lang aktuell bleiben, zugleich aber zeitlos. „Vertikale Affinität“ nannte Sacco die Mission, dass ein abgelöstes Modell nach der Präsentation des Nachfolgers nicht veraltet wirkt. Bei der Baureihe 210 gelang dies souverän, sogar das provozierende Vier-Augen-Gesicht wurde über drei Generationen nur sanft weiterentwickelt.

40 Jahre Mercedes-Benz 200 D - 500 E (W124 E-Klasse)
Mercedes

Hier ein Mercedes-Benz E-Klasse (W124) aus dem Produktionszeitraum 1990-1995 mit 5.0-Liter-V8 Motor und 326 PS.

Das berühmte Vier-Augen-Gesicht polarisiert

Und doch sind es genau diese vier Augen, die das wahre Alter der E-Klasse auf charmante Art andeuten. Selbst wenn die originalen Kunststoffabdeckungen der Scheinwerfer noch nicht ermattet sind, fallen die klassischen Strahler heute in der Masse neuer LED-Leuchten auf. Damals, im Juni 1995, setzte die vier runden Scheinwerfer einen provokanten optischen Akzent. Manche Kritiker zeigten sich enttäuscht, dass die Baureihe 210 mit dem über Jahrzehnte gewohnten Mercedes-Scheinwerferlook, so wie zuletzt noch bei C-Klasse (Baureihe 202) oder S-Klasse (Baureihe 140), brach. Oder sie monierten, dass die vier Rundleuchten eher einer Eiform ähnelten.

Designstrategie mit Weitblick

Der Markt aber belohnte Bruno Saccos Mut: Der Mann, der die Marke Mercedes in ihrer Ästhetik und in ihrem Auftreten fast bis in die Gegenwart – und damit über einen längeren Zeitraum als jeder seiner Vorgänger – mitprägte, verankerte das Vier-Augen-Gesicht der Mercedes-Benz E-Klasse in der Automobilwelt fast wie ein zweites Markenzeichen. Dazu schickte er ein gemeinsam mit Peter Pfeiffer realisiertes Coupé-Concept auf den Genfer Salon 1993: Zwei Jahre vor dem Start der E-Klasse sollte dieses erste Showcar von Mercedes das Publikum auf den neuen Vier-Scheinwerfer-Look vorbereiten und zugleich das für 1997 geplante CLK-Coupé anteasern. Die mittelgroßen Coupés und Cabriolets sollten künftig in einer eigenen Modellreihe laufen – anders als zuletzt noch bei der E-Klasse (124).

Mercedes E-Klasse 2024
Mercedes

Hier die Mercedes-Benz E-Klasse der Baureihe 214, die 2023 auf den Markt kam.

Verkaufszahlen und Einfluss auf die Konkurrenz

In einem Jahrzehnt, in dem das Fahrzeugdesign mehr denn je die Kaufentscheidungen beeinflusste – die kuriosen Ford Scorpio und Fiat Multipla etwa blieben unverstanden, und die sogar von Bundeskanzler Helmut Kohl bevorzugte massige S-Klasse (Baureihe 140) war in Deutschland wenig beliebt – zeigte die aufsehenerregende E-Klasse von 1995, wie Erfolg geht: Mit Vorsprung in den Verkaufscharts auf die ewigen Rivalen Audi A6 und BMW 5er. Plötzlich waren vier Augen angesagt: BMW antwortete beim Facelift des 5ers (E39) mit neuen Standlichtringen um die Doppelscheinwerfer, und auch Rover 75 und Jaguar S-Type strahlten aus Doppellampen, später adaptierten sogar große Asiaten wie Kia Opirus und Lexus GS den Benz-Look.

Korrosion und die Folgen für den Ruf

Dennoch bekam der Sternenglanz nach nur wenigen Jahren Kratzer, als Kunden über Korrosionsschäden an ihrer E-Klasse klagten. Spätestens seit den Anlaufproblemen der Vorgänger-Baureihe 124 wussten sie in Stuttgart, wie wichtig Kulanz und Nachbesserung sind, und so stellte Mercedes die anfänglichen Defizite auch bei der Serie 210 ab. Bis sich die Stammtischgespräche und Gebrauchtwagenkäufer beruhigten, dauerte es allerdings länger.

Weltweit gefragt – vor allem als Limousine

Den Erfolg der E-Klasse beeinträchtigte das alles nicht: In einer Ära, als Limousinen noch wichtiger als SUV waren, etablierte sich die 4,80 Meter lange E-Klasse mit einem durchschnittlichen Absatz von mehr als 200.000 Fahrzeugen pro Jahr als meistverkaufte Business-Limousine der Welt. Die Schwaben verstanden es, Vorsprung auf ihre vielen Rivalen zu halten, die nun auch vermehrt aus Asien kamen.

Zeitgeist trifft Vielfalt bei Motoren und Varianten

Fitness und Bodyshaping lagen in den 1990ern im Trend – und dazu passten die aerodynamischen Formen der E-Klasse und die mit dem Design-Award „red dot“ ausgezeichnete Vier-Augen-Front. Wichtiger: Für jeden Kunden den passenden Motor und die adäquate Karosserieform, diese Kunst führte Mercedes in der E-Klasse zu einem neuen Höhepunkt. Vom E 200 Diesel bis zum E 55 AMG – ergänzt um die in offiziellen Preislisten nicht genannten Typen E 60 AMG und E 63 AMG – reichte das breite Typenportfolio des optischen Blickfangs, der nach dem Elchtest-Debakel der A-Klasse durch das serienmäßige Fahrsicherheitssystem ESP auf Kurs gehalten wurde.

Motorenvielfalt und Leistungsbandbreite

Nie zuvor gab es bis dahin eine so große Bandbreite an Motoren in einer Baureihe der Businessclass. Von 100 kW/136 PS bis 298 kW/405 PS reichte die Leistungsspreizung bei den Benzinern mit vier, sechs oder acht Zylindern, von 75 kW/102 PS bis 145 kW/197 PS bei den Vier-, Fünf- und Sechszylinder-Selbstzündern, die auch eine Biodiesel-Option fürs grüne Gewissen boten. Optional gab es den Allradantrieb 4Matic als Antwort auf die Quattro-Offensive von Audi. Während die Taxifahrer den E 200 CDI als Temperamentsbolzen empfinden mussten – bot er doch 40 Prozent mehr Power als der 200 D (Baureihe 124) – konnten es die starken V8 bei Sprintduellen fast mit Ferrari V12-Racern aufnehmen. Die Vmax limitierte Mercedes allerdings konsequent auf 250 km/h.

T-Modell als Raumwunder und Familienheld

Während in den Single-Charts des Jahres 1996 Los del Rio mit „Macarena“ und der „Lemon Tree“ von Fool’s Garden den Beat vorgaben und Urlaubsgefühle weckten, zeigte Mercedes mit dem neuen, bis zu siebensitzigen T-Modell der E-Klasse wie Freizeit und Familie gehen. Mit bis zu 1.975 Liter Stauraum krönte sich der Kombi zum neuen Ladechampion, nicht einmal der Citroen XM Kombi fasste so viel Gepäck, und gegenüber Lifestyle-Lastern wie Audi A6/S6 hielt der Benz sogar fast die Hälfte mehr an Volumen bereit. Das alles hatte seinen Preis: 62.100 Mark kostete 1997 ein E 200 T-Modell, gut 50 Prozent mehr als etwa ein Opel Omega Caravan. Für den V8-Typ 420 T-Modell verlangte Mercedes damals sogar 105.000 Mark.

Einsatzfahrzeug, Panzer und Prestigeobjekt

Staatstragende Rollen übernahm die E-Klasse ebenfalls, so verfügten die Typen E 420/E 430 als weltweit einziges Modell des Segments über eine Panzerung der Schutzklasse B6. Diese E-Klasse beherrschte fast alle Rollen, vom stilvollen Taxi bis zur Repräsentationslimousine – kein leichtes Erbe für den Nachfolger, die 2002 mit frischem Vier-Augen-Gesicht lancierte Baureihe 211.

Chronik der Mercedes E-Klasse ab1984:

1984: Start der "Mittleren Mercedes-Klasse" (Baureihe 124), gezeichnet von Bruno Sacco, Joseph Gallitzendörfer und Peter Pfeiffer.

1985: Debüt des T-Modells (S 124) auf der IAA.

1991: Das 300 CE-24 Cabriolet wird auf der IAA vorgestellt.

1993: In Genf zeigt Mercedes ein Showcar mit dem neuen Vier-Augen-Design. Im Juni wird die Baureihe 124 zur "E-Klasse" umbenannt.

1995: Markteinführung der E-Klasse Baureihe 210 mit dem neuen Vier-Augen-Gesicht. Premiere des E 50 AMG (255 kW/347 PS).

1996: Das T-Modell 210 kommt mit bis zu 1.975 Litern Stauraum. Neue Sicherheits-Features wie Seitenairbags, Parktronic und BAS.

1997: Produktionsende des E 50 AMG, Nachfolger E 55 AMG mit 260 kW/354 PS. Die E-Klasse verzichtet auf Coupé und Cabriolet – der neue CLK übernimmt.

1998: Einführung des E 220 CDI mit moderner Common-Rail-Technik.

1999: Facelift für die Baureihe 210 mit ESP und Windowbags. Neues Bedienkonzept (Comand) und Komfortsitze.

2002: Nach über 1,3 Mio. Limousinen und 257.000 T-Modellen folgt die neue Baureihe 211.

2025: Die Baureihe 210 wird 30 Jahre alt und gilt als H-Kennzeichen-Kandidat. Das Mercedes-Museum zeigt sie in der Youngtimer-Ausstellung.

Motorisierungen (Auswahl):

  • E 200: 100 kW/136 PS
  • E 230: 110 kW/150 PS
  • E 320: bis 165 kW/224 PS
  • E 55 AMG: 260 kW/354 PS
  • E 60 AMG: bis 298 kW/405 PS
  • E 220 CDI: bis 105 kW/143 PS
  • E 320 CDI: 145 kW/197 PS