Noch vor Markteinführung muss sich der BYD (Build Your Dreams) Seal mit dem Tesla Model 3 vergleichen lassen. Und warum? Na, weil er ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Legt man die Tesla-Brille ab und betrachtet den Seal als solchen, so kann man ihm durchaus Attraktivität unterstellen. Mal schauen, ob der auch was kann.
BYD Seal AWD mit 530 PS auf abgesperrter Strecke
Für das erste Aufeinandertreffen steht das Top-Modell bereit. Ein Elektromotor an der Hinterachse mit 230 kW und einer mit 160 kW vorne wachsen im Seal als AWD zusammen. Die Systemleistung liegt bei 390 kW beziehungsweise 530 PS. Da trifft es sich gut, dass BYD uns den Seal für die erste Ausfahrt auf eine abgesperrte Strecke gestellt hat. Kaum ist der Kontakt zu den serienmäßigen Sportsitzen hergestellt, richtet sich der Blick auf eine gut 600 Meter lange Gerade. Gelegenheit für einen Sprint. Also den Fahrmodi-Schalter in der Mittelkonsole von Normal auf Sport gestellt. Ein Tastendruck auf dem Lenkrad bringt zudem ein entsprechendes Design inklusive Timer auf die Instrumente. Danke dafür.

Der Innenraum des BYD Seal wirkt sehr aufgeräumt und übersichtlich.
Beschleunigung mit Ansage – aber ohne Show
Selbstbewusste 3,8 Sekunden gibt BYD für den Standard-Sprint an. Der linke Fuß findet die Bremse, die rechte Hand legt die Fahrstufe ein. Akustisch passiert nichts. Kickdown! Immer noch Stille. Unsicher, ob das Auto den Befehl überhaupt verstanden hat, gibt der Fuß ruckartig die Bremse frei. Der erwartete Schlag in den Nacken bleibt aus. Der Seal setzt sich in Bewegung. Die ersten gefühlten Millisekunden lang rollt er einfach los. Fast schon zaghaft, beinahe so als wolle er dem Fahrer einen Moment Zeit geben, sich noch einmal umzuentscheiden. Das rechte Pedal rückt unaufhaltsam in Richtung Bodenblech. Die Absichtserklärung zum Sprint bleibt. Und dann geht es los.
Der Seal stemmt seine gesamte Kraft über alle vier Räder in den Asphalt. Sanft, aber bestimmt bauen die 530 PS Druck auf. Ohne große Show und trotzdem beeindruckend. Das Ende der Geraden fliegt näher. 180 km/h läuft er in der Spitze – Grüße an Volvo. Ich bremse vorher ab. 4,0 Sekunden protzt der Timer. Ein zweiter Versuch muss her. Gleiche Stelle, gleiches Prozedere, gleiche Souveränität. Diesmal stehen 3,9 Sekunden auf der Uhr. Nah dran. Ein Instruktor erklärt mir, dass mit geöffneten Seitenfenstern und eingeklappten Außenspiegeln, sogar schon Zeiten unterhalb von 3,8 Sekunden gefahren wurden. Nett, aber im Alltag ohne Relevanz.
Der Basis-Seal fährt dynamisch und ausgewogen
Mal schauen, was der Seal fahrdynamisch ansonsten bietet. Dafür steht ein Fahrzeug mit kleinerer Motorisierung bereit: das Basismodell. Der Frontmotor entfällt, die 230 kW an der Hinterachse bleiben. In alter Währung sind das 313 PS. Die Beschleunigungszeit klettert auf 5,9 Sekunden. Der Basis-Seal kaschiert sein Leistungs-Minus aber überraschend effektiv. Zwar weniger vehement als das Top-Modell, aber dennoch zügig setzt er seine Kraft in Vortrieb um. Nach der langen Geraden schaffen es auch die nächsten Kurven dem Seal weitere Stärken zu entlocken. Die Lenkung erfordert trotz ihrer Leichtgängigkeit keine Korrektur der Einschläge.
Fahrverhalten sicher und mit hohem Komfort
Messerscharfe Sportlichkeit ist nicht die Sache des Seal. Aber der Fahrer fasst schnell Vertrauen zu dem chinesischen E-Auto. Man meint, den tiefen Schwerpunkt, viel Steifigkeit der Karosse zu spüren, das Fahrverhalten wirkt stabiles und sicher. Dabei nervt das Fahrwerk nicht mit übertriebener Härte, selbst wenn sich die adaptiven Dämpfer im Sportmodus befinden. Das Auto lässt sich auch von Unebenheiten nicht aus der Ruhe bringen.

Blade Battery bringt Struktur und Sicherheit
Die Torsionssteifigkeit führt BYD unter Anderem auf die neue Fahrzeugarchitektur zurück. Deren Hauptbestandteil ist ein kobaltfreier Lithium-Eisenphosphat-Akku mit besonders hoher Energiedichte – von BYD "Blade Battery" genannt. Mit seinem 82 Kilowattstunden großen Stromspeicher folgt der Seal als erstes BYD-Modell dem "Cell to Body"-Konzept. Der Akku ist mit seiner Aluminium-Wabenstruktur als tragendes Bauteil in das Chassis des Seal integriert. Dadurch soll er besser gegen äußere Einflüsse, beispielsweise bei Unfällen, geschützt sein und eben die Torsionssteifigkeit verbessern.
Eigenständiger Charakter trotz vertrautem Look
Der BYD Seal muss sich nicht hinter seinem Design verstecken, er wirkt gut proportioniert und gefällt. Aber vielleicht ähnelt er dem Konkurrenten aus dem Hause Tesla ein bisschen zu sehr. Dafür glänzt er bei den Fahreigenschaften mit eigenem Charakter. Die hohe Leistung bringt er unspektakulär auf die Straße, beim Federungskomfort gibt er sich konzilianter als die US-Konkurrenz.