Der Kia EV6 kommt weit und lädt schnell. Nach der letzten Überarbeitung des Elektro-SUVs ist die Batterie einmal ein wenig gewachsen und die Optik leicht aufpoliert worden. Wichtiger im Alltag auf der Langstrecke ist aber die verbesserte Navigations-Software, die den Koreaner endgültig zu einem der besten elektrischen Reiseautos auf dem deutschen Markt macht.
Crossover mit sportlicher Silhouette
Reise-Crossover wäre allerdings die bessere Bezeichnung. Der Fünftürer hätte von der Grundform her ein windschlüpfiger Shooting Brake oder Sport-Kombi sein können; weil aber die Batterien irgendwo untergebracht werden mussten, haben ihm die Entwickler einen extra dicken Unterboden verpasst. Unterstrichen wird die ungewöhnliche Erscheinung von der leicht aggressiven Front und dem schrägen Heck, sowie den im Zuge des kürzlich erfolgen Liftings noch einmal schmaler geschnittenen Leuchten, die für eine leicht futuristische Optik sorgen.
Alltagstauglich und komfortabel im Innenraum
So avantgardistisch der äußere Auftritt ausfällt, so konventionell ist der EV6 innen. Gemeint ist das in einem positiven Sinne. Zwar durften die Designer auch im Cockpit ein paar schräge und ungewöhnliche Linien ziehen, insgesamt steht das Interieur aber klar im Zeichen der Alltagstauglichkeit. Das fängt mit dem vorne wie hinten wirklich üppigen Platzangebot an, geht über die ordentliche Ergonomie bis hin zur guten Verarbeitung und den sorgsam gewählten Materialien. Dabei handelt es sich zwar in erster Linie um graue, etwas schmucklose Kunststoffe, die aber eher solide und unempfindlich als billig wirken.

Die Platzverhältnisse innen sind sehr großzügig.
Besseres Navi mit Ladeplanung und Vorkonditionierung
Größter Schwachpunkt vor dem Lifting war das Navigationssystem mit seiner umständlichen und teils zu informationsarmen Ladeplanung. Diese hat Kia zwischenzeitlich überarbeitet, sodass sie nun mehr Informationen zu den geplanten Stopps bereitstellt. Und auch die Filterfunktion nach Säulenart und -betreiber funktioniert nun besser. Perfekt ist das System noch nicht – teilweise wirken die vorberechneten Stopps etwas zu langwierig und umständlich – aber grundsätzlich eignet sich das Bordsystem zur Planung, wenn man sich nicht allzu sklavisch an die Vorschläge des Systems hält. Wer trotzdem lieber auf Fremd-Apps vertraut und Android Auto und Apple Car Play nutzt, muss auf die Vorkonditionierung des Akkus nicht verzichten. Die läuft auch per Knopfdruck an.
Schnellladen mit bis zu 260 kW dank 800-Volt-Technik
Womit wir bei einem der Kernkompetenzen der große Kia-Stromer sind: dem Schnellladen. Weil der EV6 eine 800-Volt-Batterie nutzt, geht das tatsächlich richtig flott. In der Spitze saugt der Crossover Strom mit 260 kW aus dem Netz, doppelt so schnell wie manch anderer Wettbewerber mit 400-Volt-Technik. Der Höchstwert liegt natürlich nicht über den gesamten Ladevorgang an, aber im wichtigen Bereich von 20 bis 50 Prozent Akku-Füllstand kommt der Kia fast immer auf Werte jenseits der 200 kW. Schon eine längere Kaffee- oder Toilettenpause reicht, um Energie für 200 bis 300 weitere Kilometer in den Akku zu schaufeln.

Größter Schwachpunkt vor dem Lifting war das Navigationssystem mit seiner umständlichen und teils zu informationsarmen Ladeplanung.
Effizienz und Ladeleistung überzeugen auf der Autobahn
Neben dem schnellen Laden sorgt der vergleichsweise effiziente Antrieb für Freude auf der Langstrecke. Bei milden Temperaturen und gemäßigtem Tempo im Bereich der Richtgeschwindigkeit ist der Kia mit 16 bis 18 kWh pro 100 Kilometern zufrieden. Knapp 400 Kilometer Strecke zwischen zwei Ladepunkten wären dann in der getesteten Long Range-Variante zumindest in den warmen Jahreszeiten drin. Schlägt die Ungeduld zu und fährt man permanent auf der linken Spur, schrumpft die Reichweite auf exponentielle Weise. Aufgrund der schnittigen Karosserie allerdings weniger stark als bei vielen anderen E-Crossovern. Unterm Strich dürfte die Kombination aus großer Batterie und kurzen Ladezeiten für den Großteil der denkbaren Langstrecken-Einsatzszenarien ausreichen. Lediglich extreme Vielfahrer mit schwerem Gasfuß könnten im Alltag Probleme bekommen.
Fahrkomfort und Dynamik auf hohem Niveau
Überzeugen kann der Kia auch beim Fahrverhalten. Der leise Antrieb und die konsequente Geräuschdämmung sorgen für eine angenehme Raumakustik im Inneren. Das zum Facelift überarbeitete Fahrwerk verkneift sich passend dazu unbillige Härten und sorgt zusammen mit den festen Sitzen auch nach langer Fahrt für entspanntes Ankommen. Das Sportliche beherrscht der EV6 ebenfalls – zumindest was Antritt und Spurtqualitäten angeht. Das getestete Modell mit Hinterradantrieb und 229 PS ist auf den ersten Metern fast explosiv und nach 7,7 Sekunden auf Tempo 100, maximal sind 185 km/h drin.

Der Fünftürer hätte von der Grundform her ein windschlüpfiger Shooting Brake oder Sport-Kombi sein können.
Hoher Preis, aber gute Ausstattung und Technik
Besonders günstig gibt es das Gebotene allerdings nicht – zumindest, wenn man die heutzutage bereits schon hohen Verbrenner-Preise in Relation setzt. 37.395 Euro (alle Preise netto) kostet das Modell mit der kleinen Batterie (63 kWh). Viel Geld, auch wenn die Ausstattung komplett ist. Wer die Langstreckenausführung will, muss mindestens 42.017 Euro investieren, soll es auch noch Allradantrieb sein, kommen noch einmal 3.361 Euro dazu. Auf die Anhängelast hat die zweite motorisierte Achse allerdings keinen Einfluss – die liegt in beiden Fällen bei eher mäßigen 750 Kilogramm. Wer nicht in einer schneereichen Region auf dem Berg wohnt und auch nicht regelmäßig an Beschleunigungsrennen teilnimmt, kann auf den zweiten Motor also ruhig verzichten.
Ein echtes Langstreckenauto für die elektrische Zukunft
Der Kia bietet gemeinsam mit seinem Konzernbruder Hyundai Ioniq6 aktuell wohl die beste Langstreckentauglichkeit abseits der Premiumklasse. Das betrifft nicht nur Reichweite und Ladetempo, sondern auch Raumangebot, Ambiente und Fahrkomfort. Noch ein paar Software-Updates für das Infotainment sowie eine kleine Preissenkung (die letzte gab es beim Lifting im Herbst) – und es bliebe tatsächlich nichts mehr zu meckern übrig.
Technische Daten – Kia EV6
Fünftürige Limousine mit elektrischem Allradantrieb; Länge: 4,69 Meter, Breite: 1,89 Meter, Höhe: 1,55 Meter, Radstand: 2,90 Meter, Kofferraumvolumen: 490 – 1.300 Liter,
Elektromotor, 168 kW/229 PS, max. Drehmoment 605 Nm, Eingang-Automatikgetriebe, Hinterradantrieb, 0-100 km/h: 7,7 s, Vmax: 185 km/h Batterie 84 kWh, Ladeleistung AC: 11 kW, DC: 258 kW, Stromverbrauch: 15,9 – 16,9 kWh/100 km (WLTP kombiniert), max. Reichweite 560 - 582 km (WLTP), Testverbrauch: 18 kWh/100 km, Preis: ab 37.815 Euro netto.
Kurzcharakteristik:
Warum: hohe Langstreckentauglichkeit, guter Gesamtkomfort
Warum nicht: Ladeplanung teils schwer nachvollziehbar