Leapmotor und Stellantis: EV-Offensive für Europa

Neue E-Autos für Europa: Leapmotor zeigt Strategie
Darum setzt Stellantis auf China-Partner Leapmotor

Leapmotor bringt mithilfe von Stellantis chinesisches Entwicklungstempo nach Europa. Mit eigenen Elektroautos, schlanken Strukturen und Budget-Preisen will das Start-up schnell Marktanteile gewinnen. Die Hintergründe dazu.

Leapmotor B05 2025
Foto: Leapmotor

Rasanter Aufstieg made in China

Den viel zitierten "China Speed" gibt es nicht nur beim Bau von Flughäfen und sonstiger Infrastruktur – sondern auch beim Erwachsenwerden von Unternehmen. Gerade einmal zehn Jahre nach Gründung und im sechsten Jahr mit laufender Produktion hat das chinesische E-Auto-Start-up Leapmotor nun die millionste Fahrzeugauslieferung im Blick. Schon ab 2026 sollen jedes Jahr mindestens noch einmal so viele Autos auf die Straßen der Welt rollen. Ein Gutteil davon in Europa.

Stellantis als Türöffner für Europa

Der europäische Kontinent ist der wichtigste Erfolgsgarant, für die expansive Strategie der Marke, wie Tianshu Xin erläutert. Der Manager ist Chef von Leapmotor International, einem 2023 gegründeten Joint Venture des chinesischen Unternehmens mit dem euro-amerikanischen Stellantis-Konzern. Gleichzeitig organisiert er in China den Vertrieb der anderen Stellantis-Marken vor Ort. Ein Mann also, der beide Märkte ausgezeichnet kennt. Und der nicht zuletzt auf chinesische Geschwindigkeit setzt: "Das Tempo bei Leapmotor ist und bleibt schnell", sagt Tianshu Xin, und liefert damit den roten Faden für die Expansionspläne in Europa.

Eigenentwicklung statt Zukauf

Gegründet wurde Leapmotor 2015 von Jiangming Zhu, der zuvor erfolgreiche Elektronik-Unternehmen aufgezogen hatte. Auf Reisen nach Europa sei ihm die Idee zu kompakten, praktischen Fahrzeugen gekommen, erzählt Xin den Gründungsmythos, der auch in die Produktphilosophie einfloss. Leapmotor setzte nicht nur auf erschwingliche, alltagstaugliche Autos, sondern auch früh auf eigene Engineering-Kapazitäten: Batteriearchitektur, Software und viele Teile werden stark intern entwickelt und auch produziert, erklärt Xin.

Leapmotor B10 2025
Leapmotor

Der B10 startet im wichtigen Kompaktsegment.

Frühstart mit Kalkül

Der frühe Schritt nach Europa folgt einer einfachen Logik: Skalierung. Schnelles Wachstum sollte Kosten senken, ein starkes Europa-Geschäft dem Unternehmen mehr Luft für den harten Konkurrenzkampf auf dem Heimatmarkt verschaffen und nicht zuletzt die Claims auf dem immer noch großen EU-Markt frühzeitig abstecken. Ein Plan, den Leapmotor nicht exklusiv hatte. Auch andere Start-ups aus dem Reich der Mitte sind früh in Nord- oder Osteuropa angelandet – häufig allerdings erfolglos. Viele der Pioniere sind mittlerweile komplett verschwunden. Von den 250 bis 300 E-Auto-Start-ups, mit denen Leapmotor zusammen begonnen habe, sind heute nur noch etwa zehn aktiv, rechnet Xin vor.

Händlerstruktur als Vertrauensanker

Warum es bei Leapmotor auch auf Dauer besser klappen soll? Nicht zuletzt wegen Stellantis. Durch die strategische Allianz können die Chinesen das bestehende Händler- und Servicenetzwerk des Konzerns nutzen. Rund 700 Standorte gibt es bereits in Europa, 120 davon in Deutschland. Künftig sollen Kunden in der ganzen Republik nicht länger als 25 Minuten bis zum nächsten Standort fahren müssen. Exklusive Leapmotor-Händler sind aber eher nicht vorgesehen: Leapmotor-Autos gibt es hierzulande beim Opel-Händler zu kaufen, in Frankreich bei Citroen und in Italien bei Fiat, so der Plan.

Gesicherte Ersatzteile-Versorgung

Repariert wird an gleicher Stelle – sichtbar und mit seriösem, verlässlich wirkendem Auftritt. "Das Wichtigste ist Vertrauen", sagt Xin. Und verweist dabei nicht zuletzt auf die stabile Lieferkette und die gesicherte Ersatzteile-Versorgung. Schon bevor das erste Auto beim Händler gestanden habe, seien die Lager des Stellantis-Konzerns mit Leapmotor-Verschleißteilen und Werkzeugen gefüllt gewesen. Die Kombination aus chinesischer Kosten- und Entwicklungskraft einerseits und europäischer Vertriebs- und After-Sales-Infrastruktur andererseits ist laut Xin Grundlage für die Expansion.

Europa-Modelle mit Kampfpreis

Leapmotor setzt in Europa einen klaren Fokus auf die volumenstarken Segmente. Zum Start definierten der Kleinstwagen T03 am einen und der Mittelklasse-Crossover C10 am anderen Ende des Modellportfolios die Spanne, in der die Chinesen aktiv sein wollen. Auf der IAA füllten sie zwischen den Polen auf und zeigten ihre künftigen möglichen Bestseller, das Kompakt-SUV B10, das mit einem Einstiegspreis von 30.000 Euro nicht nur die konzerninternen Konkurrenten Opel Grandland und Peugeot E-3008 deutlich unterbietet. In München präsentierte die Marke außerdem den B05-Hatchback, der ab dem kommenden Jahr gegen Wettbewerber wie den VW ID.3 antreten soll.

OTA, Range Extender & E-Technik

Technisch setzen die Fahrzeuge auf Over-the-Air-Updates (OTA), eigene Batterie- und E-Architekturen sowie, in Sonderfällen, Range-Extender-Konzepte für größere Reichweiten. Sie sollen besonders für Kunden interessant sein, die Reichweitenangst haben.

Kleiner Crossover kommt 2027

Für die nächsten Jahre hat Leapmotor weitere Modelle angekündigt: Nach dem in den kommenden Monaten startenden Kompaktauto-Duo plant Xin für 2027 zwei neue Modelle im Kleinwagensegment. Nach der bisherigen Logik dürfte es sich um einen klassischen Fünftürer im Corsa-Segment sowie einen technisch abgeleiteten, kleinen Crossover handeln. Sicher mit Elektroantrieb, möglicherweise auch mit Range Extender. Dann ist die Modellpalette erst einmal komplett – reicht vom günstigen Kleinst-Stromer für die Stadt lückenlos bis zum großen SUV für die aktive Familie.

Produktion: Bald auch in Europa?

Gebaut werden die Fahrzeuge bislang in China. Eine ursprünglich in Fiats polnischem Werk geplante Montage ist nie ins Rollen. Aktuell prüft das Management laut Xin Lokalisierungs-Optionen in verschiedenen Regionen. Bei den Überlegungen spielen Kosten, Lieferzeiten und regulatorische Vorgaben eine Rolle. Konkrete Standortentscheidungen stehen noch aus.

Fazit: Chinas EV-Tempo trifft europäische Struktur

Leapmotor bringt typische Stärken chinesischer EV-Startups mit: hohe Entwicklungsgeschwindigkeit, vertikale Integration und ein großes Modellprogramm. Durch die Allianz mit Stellantis hat die Marke in Europa vielleicht den entscheidenden Hebel für After-Sales und Vertrieb gefunden. Ob sich das in langfristigem Markenvertrauen und profitablem Wachstum niederschlägt, hängt auch davon ab, ob Leapmotor tatsächlich die Erwartungen in Qualität, Service und lokale Anpassung erfüllt.