Ein Arbeitnehmer hatte selbst gekündigt und wurde daraufhin von seinem Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt – ein in der Praxis übliches Vorgehen. Der Arbeitgeber verlangte gleichzeitig die Rückgabe des Dienstwagens, der dem Mitarbeiter auch zur privaten Nutzung überlassen war. Beides war so im Arbeits- und im Dienstwagenüberlassungsvertrag vorgesehen: Bei einer Kündigung könne der Arbeitgeber den Mitarbeiter einseitig freistellen, und mit der Freistellung ende auch automatisch das Recht zur Nutzung des Dienstwagens. Doch der Arbeitnehmer akzeptierte das nicht und klagte – mit Erfolg.
Klauseln zur Freistellung und Fahrzeugrückgabe sind unwirksam
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschied am 22. Mai 2025 (Az. 5 SLa 249/25), dass die Freistellung des Mitarbeiters unzulässig war – und damit auch die Pflicht zur Rückgabe des Dienstwagens. Begründung: Die Klausel im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber im Fall einer Kündigung ohne weitere Begründung freistellen kann, sei zu unbestimmt und daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Gleiches gelte für die daran gekoppelte Klausel zur Dienstwagenrückgabe.
Das Gericht stellte klar: Arbeitnehmer haben ein Recht auf vertragsgemäße Beschäftigung. Eine pauschale Freistellung ohne konkreten sachlichen Grund verletzt dieses Recht. Außerdem habe der Arbeitgeber nicht dargelegt, warum im konkreten Fall ein berechtigtes Interesse an der Freistellung bestanden habe. Auch sei keine Vergütung für die entgangene Dienstwagennutzung angeboten worden.
Schadenersatz für entgangene Privatnutzung
Weil der Mitarbeiter das Fahrzeug nicht weiter nutzen durfte, sprach das Gericht ihm Schadenersatz zu – in Höhe von 510 Euro brutto pro Monat für die Dauer von fünf Monaten. Das entspricht dem geldwerten Vorteil, den der Dienstwagen zur privaten Nutzung gehabt hätte. Laut Urteil war die einseitige Entziehung des Dienstwagens rechtswidrig – ebenso wie die zugrunde liegende Vertragsklausel.
Rechtslage: BAG-Urteil weicht ab
Brisant ist das Urteil vor allem, weil es der bisherigen Linie des Bundesarbeitsgerichts nicht vollständig folgt. In einem wenige Wochen zuvor veröffentlichten Urteil (Az. 5 AZR 171/24) hatte das BAG entschieden, dass eine Freistellung auch ohne vertragliche Regelung zulässig sein kann – nämlich dann, wenn ein überwiegendes betriebliches Interesse des Arbeitgebers vorliegt.
Im Fall des LAG Niedersachsen wurde jedoch kein solches Interesse dargelegt. Deshalb reichte die bloße Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht aus, um eine sofortige Freistellung und die Rückgabe des Dienstwagens zu rechtfertigen.
Folgen für die Praxis
Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für Fuhrparkverantwortliche und Personalabteilungen:
- Formularklauseln prüfen: Allgemeine Vertragsklauseln zur Freistellung oder Fahrzeugrückgabe sollten überarbeitet und mit konkreten Voraussetzungen versehen werden.
- Berechtigtes Interesse dokumentieren: Eine wirksame Freistellung erfordert eine nachvollziehbare Begründung – etwa betriebliche Gründe oder der Schutz sensibler Daten.
- Dienstwagenregelungen anpassen: Die Entziehung eines Dienstwagens bei Freistellung muss rechtlich fundiert und angemessen kompensiert sein.
- Kostenrisiken beachten: Wer Dienstwagen zu früh zurückfordert, riskiert Nachzahlungen in Form von Schadenersatz für die entgangene Privatnutzung.
Revision möglich – endgültige Klärung steht noch aus
Das LAG Niedersachsen hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen. Die höchstrichterliche Klärung steht also noch aus – bis dahin gilt das Urteil als deutlicher Hinweis darauf, dass pauschale Klauseln zur Freistellung und zur Rückgabe von Dienstwagen nicht mehr haltbar sind.