Nio ET9 und Firefly: Hightech und Verzögerung

Fahrwerks-Innovation und neue E-Modelle
Nio überrascht mit ET9 und Firefly in München

Mit dem ET9 zeigt Nio in München ein Luxusmodell mit Hightech-Fahrwerk, während der Firefly als City-Stromer punkten will. Nach Deutschland kommen beide Modelle aber später als erhofft.

Nio ET9 2025
Foto: Rudolf Huber/SPX

Fahrwerk mit Champagner-Test sorgt für Staunen

Aus dem Internet ist die Szene mittlerweile bestens bekannt: Ein Nio ET9 fährt über versetzt angeordnete Bodenwellen, auf der Fronthaube transportiert er eine Kaskade aus gefüllten Champagnergläsern. Das Fahrwerk, das in Kooperation mit dem Start-up ClearMotion entstanden ist, gleicht in Sekundenbruchteilen alle Unebenheiten aus – der Champagner bleibt in den Gläsern.

Präsentation im Münchner Nio-Hub

Was schon Ex-VW-Chef Herbert Diess in lautstarkes Erstaunen versetzte, klappt auch im Münchner Nio-Hub in der Nähe des Messegeländes. Hinter der aufsehenerregenden Vorstellung steckt ein laut Nio "prädiktives Fahrwerk der nächsten Generation". Das eliminiert Unebenheiten und Vibrationen auf einem bislang unerreichten Niveau und soll so selbst unter schwierigen Fahrbedingungen eine extrem komfortable Fahrt gewährleisten.

Komfort und Show-Effekte im ET9

Der damit als erstes Fahrzeug ausgestattete ET9 kann aber noch mehr als Komfort – mit ihm kann man auch spielen. Über sein kombiniertes Lidar-, Radar- und Kamerasystem reagiert er auf die Bewegungen eines vor ihm stehenden Menschen – er verneigt sich, wackelt von links nach rechts, macht ansatzweise Männchen – immerhin schwingt die Front dabei um rund 20 Zentimeter in die Höhe.

Nio ET9 2025
Rudolf Huber/SPX

Höchst komfortabel, speziell im Fond: die Suite auf Rädern mit Lounge-Charakter.

Fahrwerk lernt dank Cloud in Echtzeit

Nutzwert hat die in München gezeigte Spielerei nur begrenzt. Aber sie ist ein deutliches Zeichen dafür, dass im vollaktiven Fahrwerks-System noch ungeahnte Fähigkeiten stecken. Zudem ist jeder ET9 ein unermüdlicher Datensammler: Er scannt jeden Meter, den er zurücklegt und speichert die Daten zu Straßenzustand, zu Bodenwellen und Unebenheiten in eine Cloud. Und diese Cloud versorgt von diesem Zeitpunkt an alle ET9 auf dieser Strecke vorab, also prädiktiv, mit diesen Informationen, das Fahrwerk ist sozusagen vorgewarnt und stellt sich millisekundengenau darauf ein.

Hightech und Design wie im Jet-Cockpit

Zudem ist das Nio-Flaggschiff mit dem 360-Grad-LiDAR-Sichtsystem von Seyond bereits fürs autonome Fahren gerüstet, ZF aus Friedrichshafen hat die Steer-by-Wire-Fahrwerkstechnologie beigesteuert und BASF Coatings zeichnet für die nachhaltigen Lacke verantwortlich. Die Form des ET9 bezeichnet Nio-Chefdesigner Danilo Teobaldi als Landjet-Design, Pate standen extrem stromlinienförmige und geräumige Düsenjets. So tut sich denn nach Teobaldis Worten nach dem Öffenen der Türen auch kein gewöhnlicher Innenraum auf, sondern eine eigene Suite mit Lounge-Komfort für alle Passagiere. Darin erlebbar sei physischer und akustischer Luxus und eine „maximale Sounderfahrung“. Und das alles mit mehr als sehr ordentlichen Fahrleistungswerten angesichts einer Leistung von 708 PS, einer 925-Volt-Plattform samt maximaler Ladeleistung von 600 kW. Den Verbrauch gibt Nio mit 16,2 kWh/100 km an, die Reichweite nach chinesischer CLTC-Norm mit 650 Kilometern.

ET9 startet vorerst nur in China

Klingt alles sehr schön, macht Lust auf eine praktische Bekanntschaft mit dem stattliche 5,33 Meter langen ET9. Doch daraus wird so schnell nichts. Bisher gibt es ihn nur in China, dort ist er im März dieses Jahres gestartet. Wann er nach Europa, nach Deutschland kommt? Dazu hüllt sich die deutsche Nio-Dependance in Schweigen. Konkret wird es nur im Ausschlussverfahren: 2025 geht ganz bestimmt nichts mehr.

Firefly 2025
Rudolf Huber/SPX

Der Firefly von Nios gleichnamiger Tochterfirma ist vier Meter lang und wirkt auf Anhieb sympathisch.

Firefly: Kleiner Stromer mit großem Platzangebot

Das gilt auch für Nios pfiffige kleine Tochter namens Firefly. Deren gleichnamiger Stromer ist zwar mittlerweile in Europa angekommen und wird bereits in Norwegen und den Niederlanden verkauft. Aber der Start in Deutschland ist frühestens für 2026 vorgesehen. Schade, denn die Konkurrenz schläft nicht, inzwischen wächst die Zahl der außen kleinen und innen geräumigen Stromer im Preissegment bis zu 30.000 Euro brutto, in dem auch das Glühwürmchen angesiedelt ist. Es bringt eine Vielzahl von Talenten mit, die keinen Zweifel an einer Karriere auch im anspruchsvollen Automarkt Deutschland aufkommen lassen. Das Vier-Meter-Gefährt ist mit einem 143 PS starken Elektromotor an der Hinterachse mehr als ausreichend ausgestattet, es soll in rund acht Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h sprinten, die Spitze liegt bei 150 km/h. Die 41,2 kWh des LFP-Akkus sollen für eine Reichweite von 330 Kilometern nach WLTP gut sein.

Ausstattung und Alltagstauglichkeit überzeugen

Die Sitzprobe im Vorab-Exemplar im Münchner Nio-Hub bestätigt die Angaben zur Geräumigkeit des Firefly, rundum haben die Passagiere reichlich Luft. Die Ausstattung des ausgestellten Basismodells erscheint absolut ausreichend bis hin zu beheizten Sitzen und Lenkrad, den üblichen Assistenzsystemen und einem gut ablesbaren 13,2-Zoll-Touchscreen. Auch als Kleintransporter und rollende Einkaufskiste macht der kleine Chinese eine gute Figur, der von 404 auf 1.253 Liter erweiterbare Kofferraum wird noch durch einen Frunk unter der Fronthaube mit einem Volumen von 92 Litern ergänzt. Der hat, vergleichbar mit der Giga-Box beim Ford Puma Gen-E unten einen Stöpsel, um Schmutz einfach ausspülen zu können.