Der Polarstern funkelt längst noch nicht so hell, wie er sollte. Realistisch gesehen, blieb der der Erfolg der chinesisch-schwedischen Elektromarke Polestar bisher deutlich hinter den Erwartungen zurück. Nach andauernd hohen Verlusten im operativen Geschäft verkaufte Volvo Anfang letzten Jahres einen Großteil seiner Polestar-Anteile an den chinesischen Mutterkonzern Geely und behielt nur noch 18 Prozent. Polestar sieht es positiv und deutet die Teiltrennung als Aufstieg von der Tochter- zur Schwestermarke. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Polestar das Geschäftsjahr 2024 im wichtigsten Markt Deutschland mit einem deutlichen Minus von 15 Prozent beendet hat.
Neuer Schwung durch Vertrieb und Prämie
Seit Jahresbeginn aber hellt sich die Stimmung bei der stylischen Elektro-Marke mit Sitz im schwedischen Göteborg wieder auf. Im ersten Quartal 2025 verkaufte Polestar weltweit 12.304 Fahrzeuge, ein Plus von 76 Prozent. Den Aufschwung vor allem auf dem deutschen Markt beflügelt sicherlich auch das neu strukturierte Vertriebsnetz, das im März umgesetzt wurde. Es ermöglicht eine engere Zusammenarbeit mit Handelspartnern und erhöht so deutlich die Sichtbarkeit im Markt. Zudem versüßt Polestar jede Bestellung mit einem Umweltbonus von 4.000 Euro aus eigener Tasche. Hauptsächlich aber setzt der Elektrobauer seine Hoffnungen auf neue Modelle wie den Polestar 3 und 4 sowie den künftigen Kompakt-SUV Polestar 7, der ab 2028 Kosice in der Slowakei gebaut werden soll.

An der Ladesäule zählt der Dreier nicht zu den Sprintern im Lande.
Hecktriebler als Einstiegsmodell
Aktuell sorgt vor allem der SUV mit der Nummer drei für ordentlichen Auftragseingang. Nach Einführung der Allradler im Juli 2024 folgt nun die Version mit Heckantrieb für 62.681 Euro (alle Preise netto) – was den Einstieg mal eben um schlanke 5.882 Euro günstiger macht. Besonders fürs Flottengeschäft sei diese Version wichtig, erklärt Polestar. Ein Schnapper ist der 4,90 Meter lange Stylist damit zwar noch nicht, hat aber gute Argumente im Gepäck. Zum Beispiel den großen 111 kWh-Akku der Longe Range-Version, der mit ins neue Basismodell umzieht und 706 Kilometer nach WLTP durchhalten soll. Weil nur noch ein E-Motor montiert wird, wiegt er rund 176 Kilo weniger als der Allradler. Der Gewichtsvorteil sowie der geringere Rollwiderstand bringen laut Polestar 70 Kilometer mehr an Reichweite. Für viele ein wichtiges Argument.
Weniger Power, mehr Effizienz
Potenzielle Käufer sollten sich aber das Kleingedruckte im Gegengeschäftsvertrag durchlesen. Denn da stehen statt 489 PS oder 517 PS in der Performance-Variante nun 299 PS. Na klar, merkt man das beim Fahren, mit seinen 2,4 Tonnen. Doch mal ehrlich, wem knapp 300 PS in einem E-Auto nicht reichen, sollte den Begriff "Nachhaltigkeit" aus seinem Wortschatz streichen. Mit nur noch einem Motor im Heck hat der nachgereichte Einstiegs-Dreier noch immer reichlich Feuer unterm eleganten Dach, wird allerdings bei 180 km/h eingebremst (statt 210) und darf auch nur noch 1.500 Kilo ziehen, beim Allradler sind es 2.200 Kilo.

Klassenunterschiede zu den teureren Versionen müssen Einsteiger im Innenraum nicht hinnehmen.
Kein Luftfahrwerk mehr im Basis-Polestar
Was spürbar schwerer wiegt, ist der Verlust der mehrfach einstellbaren, aktiven Zweikammer-Luftfederung. Die spart sich Polerstar beim Basismodell, auch optional ist sie nicht zu haben. Hier muss ein konventionelles, passives Stahlfeder-Fahrwerk reichen, was eindeutig auf der sportlichen Ebene beheimatet ist. Bei gutem Straßenbelag ist das kein Faktor, doch sobald der Asphalt brüchiger und unebener wird, spürt man den Unterschied zum sensibel ausgleichenden Aktivfahrwerk bei jedem Schlagloch. Die doch ziemlich straffe Gangart mit den serienmäßigen 20 Zoll-Rädern erscheint wenig passend für ein Auto dieser Preisklasse, auch wenn Polestar auf die Performance-DNA der Marke verweist. Zudem hat Polestar aus Kostengründen auch auf das Torque Vectoring an der Hinterachse verzichtet, das die Antriebsmomente situativ zwischen den Rädern verteilt. So fühlt sich der Allradler eben doch ein gutes Stück dynamischer an als der heckgetriebene Newcomer.
Nachhaltiger Anspruch bleibt erhalten
Wer damit leben kann, bekommt einen aerodynamisch ausgefeilten äußerst lässigen Lifestyle-Laster, dessen Mission schon die Polestar-Homepage erahnen lässt. Die ist genauso durchgestylt wie der Innenraum selbst. Natürliche Materialien wie "bio-attributed" Mikrotech, tierschutzgerechtes Nappaleder oder die komplett bis zum Erzeuger rückverfolgbaren Wollbezüge unterstreichen das Bemühen um Nachhaltigkeit. So bleibt der Eindruck eines skandinavisch geprägten Interieurs, den vor allem Anhänger des Volvo-Stils mögen werden.

Was spürbar schwerer wiegt, ist der Verlust der mehrfach einstellbaren, aktiven Zweikammer-Luftfederung.
Ausstattung auf hohem Niveau
Klassenunterschiede zu den teureren Versionen müssen Einsteiger im Innenraum nicht hinnehmen. Hier macht Polestar keine Unterschiede. Weder bei den Materialien noch bei der Ausstattung. Sie umfasst bereits serienmäßig ein Panorama-Glasdach, aktive LED-Scheinwerfer, geräuschdämmende Akustikfenster, elektrisch verstellbare Sitze, ein 14,5 Zoll großes Display oder ein 300 Watt-Audiosystem mit zehn Lautsprechern. Das Betriebssystem ist Google-basiert und lässt sich Over-the-Air (OTA) updaten. Zudem fahren natürlich reichlich Assistenten mit, gesteuert über fünf Radarmodule, fünf Kameras sowie zwölf Ultraschallsensoren. Zwei Infrarot-Kamerasysteme mit Eye-Tracking-Technologie überwachen stets den Fahrer. Wer sich schon mal aufs Fahren von morgen vorbereiten möchte, ordert für 2.353 Euro extra das Pilot-Paket. Es beinhaltet Assistenten, die automatisch den Spurwechsel übernehmen oder das Einparken.
Ladezeiten bleiben ausbaufähig
An der Ladesäule zählt der Dreier nicht zu den Sprintern im Lande. Basierend auf der Elektroplattform des Volvo EX, nutzt der Polestar 3 eine 400 Volt-Ladetechnologie mit überschaubaren Ladezeiten. Am Schnelllader dauert die Befüllung der großen Batterie von 10 – 80 Prozent 30 Minuten, zuhause an der Wallbox mit 11 kW vergehen von 0 bis 100 Prozent elf Stunden. Da sind Konkurrenten im Umfeld bereits schneller unterwegs.
Weniger Ausstattung, begrenzte Zielgruppe
Unterm Strich ist diesmal weniger nicht mehr. Das Sparpotential von 5.882 Euro hat in dieser Preisklasse weniger Gewicht als die fehlende Luftfederung oder der Verzicht auf Allrad. Das weiß auch Polestar und erwartet einen Anteil am Dreier von gerade 20 Prozent. Das klingt ziemlich realistisch.
Polestar 3 Longe Range Single Motor – Technische Daten
Fünfsitziger SUV der oberen Mittelklasse mit Heckantrieb; Länge: 4,90 Meter, Breite: 1,96 Meter (mit Außenspiegeln 2,12 Meter), Höhe: 1,61 Meter, Radstand: 298 Meter, Kofferraumvolumen: 484 - 1411 Liter, Frunk 32 Liter,
E-Motor mit 299 PS, Drehmoment: 490 Nm, 0-100 km/h: 7,8 s, Vmax: 180 km/h, Verbrauch: 17,6-20,3 kWh/100 km, Akkugröße: 111 kWh, Reichweite: 706 km (WLTP), Ladeleistung: 250 kW (DC), 11 kW (AC), Ladedauer: DC: 10-80 % in 30 Minuten, AC: 0-100% in 11 Std.
Preis: ab 62.681 Euro
Warum: weil die Leistung völlig reicht
Warum nicht: weil eine Luftfederung in dieser Preisklasse Pflicht ist
Wann kommt er: ab sofort