Fahrbericht Lotus Eletre Schwergewicht mit Sportwagen-Genen

Lotus Eletre 2023 Foto: Lotus 9 Bilder

Der Lotus Eletre ist das erste SUV der britischen Geely-Tochter mit E-Antrieb und stilistischen Anleihen beim E-Hypercar Evija. Genau richtig für den gehobenen Dienstwagen-Anspruch.

Bei Lotus legt man Wert auf die Feststellung, dass mit dem Eletre eine ganz neue Automobilklasse startet. Er ist aus der Sicht der Briten nämlich das erste "Hyper-SUV" mit Stromantrieb und soll die Verbrenner-Konkurrenz das Fürchten lehren. Einmal mit einem recht aggressiven, auf alle Fälle aber sehr auffälligen Design, fulminanten Fahrleistungen und mehr als nur einem Hauch von Luxus in jeder Lebenslage.

Lotus Eletre: In Hessen entwickelt, in China gebaut

Der Lotus Eletre wurde im hessischen Raunheim entwickelt und wird in China gebaut. Es ist 5,10 Meter lang, 2,24 Meter breit und 1,63 Meter hoch. Trotz aller designtechnischen Kniffe, trotz des aerodynamisch optimierten Körpers mit diversen Kühlluftöffnungen steht der Eletre (ungarisch für "zu neuem Leben erwachen") ganz schön massiv auf seinen 20 bis 23 Zoll großen Rädern. Er setzt definitiv nicht auf Understatement, speziell in den Farben Solar-Gelb, Natron-Rot oder Galloway-Grün. Die stehen ihm tatsächlich deutlich besser als die für die Basisversion verfügbaren und ein bisschen langweiligen Farbtöne Kaimu-Grau und Stellar-Schwarz.

Lotus Eletre 2023 Foto: Lotus
Der extrem reaktionsschnelle15,1-Zoll-Touchscreen ist sehr fein auflösend.

Lotus Eletre hat einen Cw-Wert von 0,26

Aktiver Frontgrill, auf Wunsch Kameras statt "echter" Rückspiegel, rundum ausfahrbare Lidar-Sensoren, aktiver Spoiler in der Heckklappe und geteilter Dachspoiler – der Eletre ist aerodynamisch feingeschliffen und wartet mit einem Cw-Wert von 0,26 auf. Für ein SUV dieses Formats ist das nicht übel. Der Neuzugang lässt sich vorne wie hinten gut entern und auch wieder verlassen, auch wenn man dabei ziemlich mächtige Schweller überwinden muss.

Platzangebot und Sitzkomfort vorne sind über alle Zweifel erhaben, hier kann man es locker eine Akkufüllung lang aushalten. Im Fond des Testwagens waren die als Extra angebotenen zwei Einzelsitze mit breiter Armauflage und kleinem Display etwa zur Klimatisierungs-Bedienung montiert. Die bieten zwar guten Seitenhalt, sind aber recht straff gepolstert. Serienmäßig ist hinten eine Dreier-Sitzbank eingebaut. Platz ist in beiden Versionen reichlich vorhanden. Wie auch im Kofferraum, der als Viersitzer 611 Liter Volumen bietet. Beim Fünfsitzer sind es 688 bis 1.532 Liter, im Frunk unter der knappen Motorhaube lassen sich nochmal 46 Liter verstauen – also etwa das Ladekabel und sonstiger Kleinkram.

Lotus Eletre 2023 Foto: Lotus
Die Aufteilung der diversen Anzeigen ist gut gelungen.

Materialqualität wie beim AMG EQE 53 SUV und BMW iX M60

In Sachen Materialqualität muss sich der Eletre definitiv nicht hinter Wettbewerbern wie dem AMG EQE 53 SUV, dem BMW iX M60 oder dem Tesla Model X verstecken. Die Bauteile und Bezüge fühlen sich bis in den tiefsten Fußraum gut und wertig an und sie sind erkennbar sorgfältig verarbeitet. Gut gelungen ist die Aufteilung der diversen Anzeigen. Neben zwei schmalen Displays hinterm Lenkrad und direkt vor dem Beifahrer informieren noch ein großes Head-up-Display und ein mittig platzierter, sehr fein auflösender und extrem reaktionsschneller 15,1-Zoll-Touchscreen, über den unter anderem auch die EV-Routenführung aktiviert wird. Während die grafischen Vorzüge dieses Systems, hinter dem eine Rechenleistung von 12 GB RAM steckt, positiv ins Auge fallen, nerven beim Fahren diverse kleine Unzulänglichkeiten wie der übereifrige Müdigkeitssensor oder, deutlich lästiger, die hohe Fehlerquote bei der Verkehrszeichen-Erkennung. Das kann gerade in Ländern wie Norwegen ganz schön teuer werden.

Infotainment-System ist vergleichsweise intuitiv

Aber nachdem Lotus-Ingenieure auf Nachfrage durchaus einen gewissen Nachholbedarf auf diesem Gebiet einräumen und der Eletre durch die Luft updatefähig ist, lässt sich daran sicher noch etwas verbessern. Im Prinzip ist das Infotainment-System durchaus konkurrenzfähig und vergleichsweise intuitiv zu bedienen. Und auch der Rest ist selbsterklärend: Schlüsselkarte an die Fläche fürs induktive Handyladen halten, per Wippschalter auf "D", Fahrmodus-Einstellung (von Tour bis Track) über die rechte und Rekuperationsstufe über die linke Lenkradwippe einstellen. Das war's.

Lotus Eletre: 603 oder lieber 905 PS?

Nun ja, das klingt jetzt vielleicht doch ein bisschen zu normal für das, was man mit dem Antrieb des Eletre so alles anstellen kann. Immerhin warten in den Versionen Eletre und Eletre S 603 PS und 710 Newtonmeter (Nm) maximales Drehmoment darauf, sich in Szene setzen zu können. Und bei der Spitzenversion Eletre R sind es sogar 905 PS und 985 Nm. Wer es darauf anlegt und reichlich Platz auf abgesperrtem Terrain zur Verfügung hat, kann damit ziemlich abgefahrene Sachen anstellen. Etwa den Standard-Sprint in 4,5 beziehungsweise 3,0 Sekunden durchziehen. Oder die gut 2,5 bis 2,6 Tonnen schwere Fuhre mal eben in weniger als 2 Sekunden von 80 auf 120 km/h beamen – eine aggressive Attacke auf empfindliche Magennerven. Erst bei 258 respektive 265 km/h gibt sich der britische Bolide dem Luftwiderstand geschlagen.

Lotus Eletre 2023 Foto: Lotus
Der Eletre ist aerodynamisch feingeschliffen und wartet mit einem Cw-Wert von 0,26 auf.

Der Lotus Eletre ist ein extrem agiles SUV

Leistung ist einfach da, wann immer und wie viel davon man braucht. Dank des Allradantriebs, flankiert von einer Zwei-Kammer-Luftfederung, Multi-Link-Achsen vorne wie hinten und sämtlichen aktuell verfügbaren elektronischen Helfern lässt sich die brachiale Gewalt sogar noch bei Nässe vergleichsweise gut auf die Straße bringen. Die Lenkung macht ihre Sache auch im verschärften Einsatz gut. In engen, schnellen Kurven kann der Eletre seine üppigen Pfunde zwar lange ganz gut kaschieren, aber letztlich lassen sie sich nicht wegdiskutieren oder -regeln: Ein echter Sportwagen ist er nicht. Aber ein extrem agiles SUV. Und eines mit reichlich Komfort auf der Langstrecke – mit der Option auf künftiges autonomes Fahren. Die Hardware dafür ist schon mal an Bord.

800-Volt-Architektur schafft in 20 Minuten 80 %

Ein schnell ladender Stromer ist der Eletre auch. Dank der 800-Volt-Architektur des jüngsten und größten Lotus lässt sich der 112 kWh fassende Lithium-Ionen-Akku binnen 20 Minuten von zehn bis 80 Prozent füllen. Die Reichweite gibt der Hersteller mit bis zu 600 Kilometern beim Basismodell, 535 Kilometern beim S und mit bis zu 450 Kilometern beim R an. Die WLTP-Verbrauchswerte liegen abhängig von der Bereifung zwischen 21,4 (Eletre) und 30,7 kWh/100 km (Eletre R). Während der durchgehend temporeduzierten Testfahrt rund um Oslo signalisierte der Eletre S rund 23 kWh je 100 Kilometer. Wer es auch nur ein bisschen fliegen lässt, muss also auch in der zweitstärksten Variante definitiv mit deutlich über 30 kWh rechnen.

Exklusive Preise wie beim AMG EQE 53 oder BMW iX M

Auch bei den Preisen will Lotus ein Zeichen setzen, 80.664 Euro (alle Preise netto) fürs Basismodell, 101.672 Euro für den S und 126.882 Euro für den R können angesichts von Leistung, Technik und Exklusivität des Neuzugangs als fast schon günstig gelten. So geht es beim 625 PS starken AMG EQE 53 SUV preislich mit knapp 105.040 Euro los, das Model X mit 670 PS startet bei 95.370 Euro und der 619 PS starke BMW iX M60 steht gar erst ab 120.252 Euro in der Liste. Exakt solche Mitbewerber – und auch luxuriöse Verbrenner wie etwa der Lamboghini Urus – dürften aktuell noch in den Garagen der treuen Lotus-Gemeinde stehen. Der will die Geely-Tochter jetzt mit dem Eletre ein ernstzunehmendes Erstwagen-Angebot machen – zusätzlich zum Zweit- oder Drittwagen in Gestalt eines Exige oder eines Evora.

Lotus Eletre 2023 Foto: Lotus
Attraktive Rückansicht mit aktivem Spoiler in der Heckklappe und geteiltem Dachspoiler.

Lotus Eletre – Technische Daten

Fünftüriger SUV mit Allradantrieb
Länge: 5,10 Meter
Breite: 2,14 mit Kamera-Rückspiegeln
2,23 Meter mit Außenspiegeln
Höhe: 1,63 Meter
Radstand: 3,02 Meter
Kofferraum hinten 688 - 1.532 Liter/ vorne 46 Liter

Zwei Elektromotoren (Front und Heck)
603 PS
maximales Drehmoment 710 Nm
Allradantrieb
1-Gang-Automatik
0-100 km/h: 4,5 s
Vmax: 258 km/h
elektrische Reichweite nach WLTP: 600 km (20 Zoll), 535 km (22 Zoll)
Akku: 112 kWh, 05:48 h:min. (22 kW-Wallbox), 20 min (350-kW-Ladestation 10 auf 80 Prozent)
Stromverbrauch nach WLTP: ab 21,4 kWh/100 km
Preis: ab 80.664 Euro

Lotus Eletre R
Zwei Elektromotoren (Front und Heck)
905 PS
maximales Drehmoment 985 Nm
Allradantrieb
2-Gang-Automatik
0-100 km/h: 3,0 s
Vmax: 265 km/h
elektrische Reichweite nach WLTP: 450 km (22 Zoll) , 410 km (23 Zoll)
Akku: 112 kWh, 05:48 h:min. (22 kW-Wallbox), 20 min (350-kW-Ladestation 10 auf 80 Prozent)
Stromverbrauch nach WLTP: ab 28,3 kWh/100 km
Preis: ab 126.050 Euro

Kurzcharakteristik

Warum: sehr viel Leistung, hohe Exklusivität, relativ günstige Preise
Warum nicht: hoher Verbrauch, nervige Software
Was sonst: Tesla Model X, BMW iX M60, AMG EQE 53 SUV
Wann er kommt: Spätsommer 2023