Straßen-Maut in Deutschland Ungewisse Zukunft

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Bleibt Toll Collect dauerhaft beim Bund, und wann kommt die Pkw-Maut? Es gibt viele offeneMautfragen. Wenigstens eine wurde entschieden: wer das Bezahlsystem betreibt.

Der offenbar endlose Dieselstreit wird in Deutschland zuverlässig begleitet von genauso endlos scheinenden Maut­themen. Das betrifft zunächst die erneut geplante Toll-Collect-Privatisierung mit neuem Betreibervertrag für die Lkw-Maut, daneben die Einführung einer Pkw-Maut, ebenfalls mit einem Betreiber, und schließlich die anstehende Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes. Niemand wisse zurzeit, wie all das ausgehen werde, heißt es hinter vorgehaltener Hand im Bundesverkehrsministerium (BMVI).

Bis zum 31. Oktober statt des bisher genannten 27. Septembers müssen die Angebote für den Toll-Collect-Deal im Ministerium von Andreas Scheuer (CSU) vorliegen. Die inzwischen erfolgte Einigung im Schiedsverfahren hatte eine Anpassung der Vergabeunterlagen und die Fristverlängerung erforderlich gemacht. Immerhin hat das Ministerium für die Pkw-Maut einen Betreiber gefunden. Den Zuschlag erhielt der österreichische Telekommunikations- und Verkehrstelematikkonzern Kapsch. "Wir haben einen Riesenschritt zur technischen und organisatorischen Umsetzung gemacht: Die Vergabe des Kontrollsystems ist erfolgt. Zudem steht die Vergabe für die Erhebung der Maut kurz bevor", sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.

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Offene Fragen, die die jeweils geplante Realisierung beeinträchtigen können, gibt es zu allen drei Mautthemen. Bei der Pkw-Maut betrifft das die beim Europäischen Gerichtshof anhängige Klage Österreichs gegen die Bundesrepublik wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von EU-Bürgern. Zum anderen plant die EU-Kommission die EU-weit einheitliche Eta­blierung eines streckenabhängigen Mautsystems und spricht sich für ein Ende der zeitabhängigen Mautsysteme aus.

Auf beides scheint die Bundesregierung nicht wirklich vorbereitet zu sein, ein Plan B ist nicht erkennbar. Vielmehr hält sie an ihrer Pkw-Maut fest. Begründung: »Die Infrastrukturabgabe ist EU-rechtskonform und nicht diskriminierend. Dies hat die Europäische Kommission mit der Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens bestätigt.« Was aber, wenn der EUGH das anders sieht? Oder wenn die EU-politische Debatte über die angestrebte Neufassung der Eurovignetten-Richtlinie in konkrete Verhandlungen mündet?

Einen konkreten Starttermin der Pkw-Maut nennt vorsichtshalber schon lange keiner mehr. »Noch in dieser Legislaturperiode soll mit der Erhebung begonnen werden«, heißt es lediglich.

Unter Druck steht das Verkehrsministerium auch beim Vergabeverfahren für die Lkw-Maut. Denn ob am Ende noch alle vier Bieterkonsortien – Telekom/Vinci, Continental/IBM/Abertis, Atlantia/Autostrade, PPF-Group/Sky Toll – bieten werden beziehungsweise dürfen, ist ungewiss. Grund sind die Unternehmenstransaktion des spanischen Mautbetreibers Abertis sowie die Ankündigung des italienischen Verkehrsministers Danino Toninelli, den italienischen Mautbetreiber Autostrade per l’Italia nach dem Einsturz der Brücke in Genua zu verstaatlichen.

Im Raum stehen zudem Anträge der Grünen und Linken, das Vergabeverfahren zum Toll-Collect-Verkauf sowie zum Abschluss eines neuen Betreibervertrags »unverzüglich und endgültig zu beenden«. Stattdessen solle Toll Collect zum Betrieb des Lkw-Maut-Systems dauerhaft als Bundesunternehmen weiterbetrieben werden. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags habe bestätigt, dass der Abbruch des Vergabeverfahrens rechtlich möglich sei. Die Begründungen für die Forderungen der Fraktionen reichen von mangelnder Transparenz bezüglich der abzuschließenden Verträge und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bis zu Betrugsvorwürfen gegen Toll Collect.

Mautsätze ab Januar 2019

Bei der anstehenden Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes geht es im Wesentlichen um eine Aktualisierung der Mautsätze ab Januar 2019. Daneben wird die rechtliche Grundlage für die Anlastung der Kosten der Lärmbelastung geschaffen. Mit den Neuregelungen sollen von 2019 bis 2022 Mehreinnahmen von rund 4,2 Milliarden Euro erzielt werden. E-Lkw werden vorübergehend von der Maut befreit. Unter die Freistellung sollen auch land- und forstwirtschaftliche ­Fahrzeuge bis maximal 60 km/h fallen; hier will der Bund der Forderung des Bundesrats entsprechen. Dagegen lehnt die Bundesregierung eine von den Ländern vorgeschlagene Mautbefreiung für »Müllfahrzeuge im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge« ebenso ab wie eine Differenzierung der Mautsätze zwischen Tag und Nacht.