Vom Citroen 2CV zum Berlingo Lieferwagen für alle Branchen

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Citroen verstand es trefflich, die Ente und ihre Nachfolger charismatisch so aufzuladen, dass sie Kult wurden als Firmenwagen. Natürlich auch als Familienkutsche.

Paris im Hochsommer 1951. Rechtzeitig vor den großen Ferien kam ein skurriler kleiner Kastenwagen in Fahrt, der für Generationen von Studenten Fernweh verkörpern sollte und die Welt der leichten Laster für immer veränderte. Als Limousine mit Faltdach watschelte der weich gefederte Citroen 2 CV bereits seit 1948 über die französischen Straßen, jetzt folgte die Ente mit Nutzwert, 2 CV AU oder AK genannt. Die hinteren Flügeltüren des Mini-Lasters im Wellblechdesign gaben über zwei Kubikmeter Ladefläche frei: genug Raum für alles, was Landwirte, Handwerker oder Bäcker transportieren wollten. Auch junge Familien und Studenten erlagen bald dem unwiderstehlichen Charme der primitiv ausgestatteten Kasten-Ente, die konkurrenzlos preiswert war und als erster Mini-Lieferwagen Pkw-Fahrkomfort mit Frontantrieb kombinierte.

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Erstaunlich, wofür der "Döschwo" alles herhalten musste.

Die Lust auf diese Laster belebte Citroen durch immer neue fröhlich-freche Varianten. Auf die spartanisch gehaltenen frühen 2 CV folgten leistungsstärkere Fourgonnettes, die unter dem Label „Reise-Ente“ sogar serienmäßige Globetrotter-Talente entfalteten. Erst im Jahr 1977 überließ die Kasten-Ente der Acadiane das Feld, die das Enten-Herz mit dem New Look der Dyane kombinierte. Bis 1984 der Citroen C15 die Herzen der Handwerker eroberte. Sachlich gestaltet punktete der C15 aber weniger bei Privatkäufern, für die 1996 eine neue Sternstunde schlug: Der Berlingo begründete die Ära der Hochdachkombis.

Und noch einmal übernahmen die Gallier die Aufgabe des Avantgardisten. War der Citroen 2 CV der erste millionenfach verkaufte französische Mini-Camionette, beweist der Berlingo seit mittlerweile drei Generation, dass frugale Kastenwagen auch gut besetzt sind in den Rollen des charmanten Concept Cars und des begehrenswerten Lifestylevehikels für Freizeitsportler. Eine Vielseitigkeit, die der Van bereits mit seinem Namen indizieren soll, denn Berlingo leitet sich ab von „Berline“, dem französischen Wort für Limousine.

Die Ente war der Käfer der Franzosen

Ein Blick in den Rückspiegel zeigt übrigens: Die kleinen Citroen Kastenwagen und Frankreich, das ist eine nahezu parallel verlaufende Geschichte. Im Sommer 1951 wurden die Schatten des Zweiten Weltkriegs kürzer, der Vertrag zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) stand für eine zukunftsweisende wirtschaftliche Zusammenarbeit der ehemaligen „Erbfeinde Frankreich und Deutschland“ und die Menschen sehnten sich nach Wohlstand, verkörpert durch Attribute wie das erste eigene Auto. Bezahlbar sollte es sein und nicht nur Familien in die Ferien fahren, sondern auch Wein, Baguette oder Kartoffeln komfortabel und sicher in die hintersten Winkel der weitläufigen, noch landwirtschaftlich geprägten Vierten französischen Republik befördern. Ein Anforderungsprofil, das perfekt auf den preiswerten Citroen 2 CV zugeschnitten war – zumal mit großem Kofferaufbau. Besser als die Rivalen Renault 4 CV und Juvquatre oder der Simca 5 stellte der geräumige Citroen 2 CV die Bauern und Handwerker auf die Pkw-Räder, bevor sich die Ente mit Flügeltüren auch noch zum Familienkombi und Reisemobil mauserte. Völlig entspannt bei Tempo 65 und mit genügsamsten Verbrauchswerten sanft schwingend über Landstraßen streifen und an idyllischen Plätzen eine Picknickpause einlegen – das 2-CV-Gestühl ließ sich leicht ins Freie befördern – damit begründete der kleine Citroen eine neue Fahrkultur für Lieferwagen.

Tatsächlich setzte die Ente damals als erster Kastenwagen auf die Kombination Fahrwerkskomfort und Frontantrieb, während sich andere Kleinstlaster weiterhin aufs karge Transportieren konzentrierten. Demokratisierung des Komforts für Bauern und Betriebe nannten Journalisten scherzhaft diese Eigenschaften des 2 CV, der damit das Citroen-Flaggschiff Traction Avant 15 CV zitierte, in dem seit 1951 der französische Präsident Vincent Auriol chauffiert wurde. Nach Deutschland kam die Kasten-Ente in nennenswerter Stückzahl übrigens erst in der 1959 unter Präsident Charles de Gaulle begründeten Fünften Französischen Republik. Was weniger an den nun noch enger werdenden deutsch-französischen Beziehungen lag als an den anfangs zu geringen Produktionskapazitäten für den schnatternden Zwei-Zylinder-Boxer, der seinen Käufern sechs Jahre Lieferzeit auferlegte. Hinzu kam: Das Konzept des Citroen war den Deutschen lange Zeit zu avantgardistisch. Erst ab Ende der 1960er Jahre begeisterte der 2 CV mit und ohne Kasten jugendliche Protestler, cordsamt gekleidete Professoren, Individualisten und junge Familien auch jenseits des Rheins derart, dass schließlich sogar die frühen Öko-Aktivisten im genügsamen 2 CV Camionette oder der 1978 lancierten Nachfolgerin Acadiane Möbel aus ökologischen Materialien oder Bio-Wein transportierten. Abgeleitet von der Dyane – einer Ente im Haute-Couture-Kleid – konnte es die mindestens 15 kW/21 PS Acadiane auf Autobahnen sogar mit Lkw aufnehmen. Und ihr kleines Entenherz war wie im 2 CV gut für gigantische Laufleistungen von bis zu 300.000 Kilometern.

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Etwas Wellblech und ein Motörchen - fertig war der universelle Lieferwagen.

Auch der C15 war Kult

Richtig flott wurden die kleinen Citroen für große Aufgaben unter dem Kürzel C15. Dahinter verbarg sich ein 1984 eingeführter Laster, der bis zur B-Säule dem kompakten Bestseller Citroen Visa entsprach und echte Pkw-Fahrleistungen versprach. Dies übrigens erstmals auch mit Dieselmotor, denn mit effizienten Selbstzündern sagte die Grande Nation damals nicht nur den rekordverdächtig gestiegenen Benzinpreisen den Kampf an, auch die Emissionen sollten so gesenkt werden. Funktional gestaltet wie der Wettbewerb von Ford, Opel oder VW blieb der Citroen C15 beachtliche 22 Jahre in Produktion. Ohne aber den Kultstatus seiner zwei visionären Vorgänger zu erreichen.

Die Kasten-Ente ist tot, es lebe der Berlingo hieß es deshalb 1996. Wie sein legendärer Urahn 2 CV sollte der Berlingo mit seinem einfachen und praktischen Konzept auch Menschen ansprechen, die zum Auto eine eher pragmatische Attitüde kultivieren. Bewusster Minimalismus durch unverkleidete Blechflächen kündete im ersten modernen Hochdachkombi einerseits von Bescheidenheit, ohne billig zu wirken. Ein fast konkurrenzlos großes Raumangebot zeigte andererseits, dass üppiger Platz für die Familie und Freizeitgepäck wahrer Luxus sein kann. Für die Kreativität der Modellreihe standen dagegen von Beginn an Concept Cars und Sondermodelle wie der skurrile Berlingo Superbulle, das sonnige Coupé de Plage als Pick-up oder der Berlingo Grand Large. Nicht zu vergessen die antriebstechnische Pionierarbeit des Berlingo durch Batterie-Versionen, mit denen er an den C 15 Electrique von 1991 anknüpfte. Es war ein Auftakt nach Maß für den vielseitigen Citroen, der im Peugeot Partner ein Parallelmodell fand. Heute, als mehrfacher Produktionsmillionär und in mittlerweile dritter Generation teilt sich der Citroen Berlingo auch mit dem Opel Combo die Gene, dennoch bleibt er das Original der Baureihe. Nur die Faszination der Ente erreicht der Berlingo nicht, dafür ist der neue Franzose zu solide. Denn nichts schweißt Kultautos besser zusammen als rostige Erinnerungen, meint die Schrauberszene.