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Batteriewechselstation Akku raus, Akku rein

Infra Dianba Batteriewechselstation 2022 Foto: Infra Dianba

Ein chinesisch-deutsches Start-up will ein Batterie­wechselsystem für E-Autos aufbauen. Zielgruppe: Unternehmen, deren Autos 24 Stunden unterwegs sind.

Eine halbe Stunde warten, bis der Geschäftswagen Strom für die nächsten 300 Kilometer zapft? Für das Gros der Außendienstmitarbeiter und Vielfahrer undenkbar. Auch Taxifahrer oder Lieferdienste wollen keine Zeit an Ladesäulen vertrödeln. Dass es anders gehen könnte, will nun das deutsch-chinesische Unternehmen Infra Dianba zeigen und Batterien von E-Autos in nur 20 Sekunden tauschen. Diese Idee gab’s zwar schon vor gut 14 Jahren. Doch scheinbar war Better Place damals seiner Zeit voraus: Bereits nach sechs Jahren ging das vom Ex-SAP-Manager Shai Agassi gegründete Unternehmen pleite.

Jetzt aber sei die Zeit reif, glaubt Alexander Yu Li. "Wir brauchen die Energiewende heute, nicht erst in fünf Jahren. Die Monokultur in Form einer Schnellladeinfrastruktur geht jedoch in eine völlig falsche Richtung", sagt der Geschäftsführer von Infra Dianba. "Die Stromnetze können die nötige Energie gar nicht liefern." Das Berliner Unternehmen hingegen will die Wechselakkus langsam laden. Deshalb würden sie das Netz kaum belasten und zudem länger halten.

Infra Dianba Batteriewechselanlage 2022 Foto: Infra Dianba

Sein Unternehmen entwickelte ein Batteriegehäuse, das sich marken- und modellunabhängig einsetzen lassen soll. Zum Wechsel fährt das E-Auto in eine Art Container auf eine Montagebühne. Ein Roboter löst die im Fahrzeugboden sitzende leere Batterie, anschließend surrt auf einer Palette ein voller Akku unters Auto und wird fest mit dem Fahrzeug verschraubt. Aussteigen? Unnötig. An einer Station ließen sich so bis zu 1.000 Akkus pro Tag wechseln.

Mit dem System will das Unternehmen all diejenigen Flottenbetreiber als Kunden gewinnen, deren Fahrzeuge rund um die Uhr eingesetzt werden, also Speditionen, Lieferdienste und Kommunen. Oder Taxisunternehmen. 7.000 Taxis sind auf Berlins Straßen unterwegs, aber nur eine Handvoll fährt elektrisch. Der Senat will das ändern und fördert den Umstieg auf E-Autos. Dazu bräuchte es jedoch viel mehr Ladepunkte in der City, speziell Schnelllader an den Standplätzen.

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Allerdings gibt es noch keine auf das System umgerüsteten Autos. "Die gesamte deutsche Autoindustrie hat sich auf das herkömmliche Laden per Kabel und die dazugehörende Ladeinfrastruktur eingeschossen", klagt Geschäftsführer Li. In China sei das anders. Dort habe der Partner von Infra Dianba seit dem Start 2019 schon 14 Autohersteller überzeugt, ihre Fahrzeuge aufs Wechselsystem umzurüsten, darunter Marken von VW-Partner SAIC oder Daimler-Partner BAIC. Es gebe bereits 300 Wechselstationen, zwei Milliarden Kilometer Praxiserfahrung habe das Unternehmen seither gesammelt. Bis 2025 sollen rund 5.000 Akkuwechsler für bis zu fünf Millionen E-Fahrzeuge entstehen. Mit an Bord seien auch etliche Partner, darunter BP. Das Unternehmen wittert hier ein neues Geschäftsmodell für Tankstellen.

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Ganz so weit ist man in Deutschland noch lange nicht, aber 2022 sollen am Flughafen BER und in der Berliner City die ersten beiden Wechselstationen starten. Um das Projekt zum Laufen zu bringen, will Infra Dianba auch gleich das passende Auto liefern, den MG5. Dieser Elektro-Kombi wird in China nicht nur mit fest verbauter Batterie gebaut, sondern rollt auf einer eigenen Linie auch in einer Version mit Wechselgehäuse vom Band. "Das Auto soll unser ­Türöffner werden", hofft Li. Seien erst genügend Autos auf der Straße unterwegs, würden die europäischen Hersteller das System besser verstehen und auch ihre Modelle darauf auslegen.

Kunden sollen den MG5 entweder kaufen oder leasen und zusätzlich ein Batterieabo abschließen. Das beinhalte dann eine bestimmte Anzahl an Wechseln oder eine definierte Strommenge pro Monat. Preise kann Li noch nicht nennen, doch spätestens bis Herbst soll das Paket stehen.

MG5 Electric
Start für den Elektro-Kombi

Zumindest bei den Kosten hilft ein weiterer Blick nach China. Dort treibt auch die Automarke Nio ein Wechselprojekt voran. Bis Ende 2025 will Nio 4.000 Stationen aufbauen, 1.000 davon außerhalb von China. Käufer eines E-Autos ohne Akku sparen dort im Fall der kleineren 75-kWh-Batterie rund 9.700 Euro, bei der 100-kWh-­Batterie sogar 17.700 Euro. Die monatliche Akkumiete kostet je nach Größe umgerechnet rund 135 Euro beziehungsweise 205 Euro. Die chinesischen E-Auto-Käufer fahren mit dem Wechselakku also sechs bis sieben Jahre lang günstiger als mit einem Steckdosen-Stromer.

Ob sich viele Berliner Taxifahrer mit einem MG anfreunden können, bleibt abzuwarten. Wenn sich die europäischen Automarken allerdings solchen Techniken verschließen, laufen sie Gefahr, von den Chinesen abgehängt zu werden. In China hätten die deutschen Hersteller mit ihren E-Autos jedenfalls schon 30 Prozent Umsatz ver­loren, behauptet Li.

So funktioniert das Wechselsystem

Der Hersteller muss das Auto für das System vorbereiten. Dazu wird statt der Originalbatterie ein Universalgehäuse montiert, in dem der mobile Akku mit einem Schnellverschluss befestigt wird. Der Tausch dauert im besten Fall 20 Sekunden. Die Tauschakkus werden an den Wechselstationen langsam geladen, was ihre Lebensdauer erhöht und das Stromnetz schont.