Bußgeldbescheid aus dem Ausland Dienstreise mit Nachspiel

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Vorsicht vor angeblichem Bußgeldbescheid aus dem Ausland. Private Inkassofirmen versuchen vermehrt, deutsche Autofahrer abzuzocken.

Die Dienstreise nach Kroatien liegt schon fast zwei Jahre zurück. Plötzlich flattert die Mahnung eines privaten Inkassobüros ins Haus. "Vorgeworfen wird dem Autofahrer ein Parkverstoß in Höhe von 20 Euro. Nun sollen einschließlich der Gebühren 300 Euro bezahlt werden", schildert Kay Nehm, Präsident des Verkehrsgerichtstags in Goslar einen typischen Fall. Allein 2017 wären rund 450.000 solcher Mahnschreiben an deutsche Autofahrer verschickt worden. Viele dieser Forderungen seien falsch, überhöht oder unzulässig.

Neben Inkassobüros treten auch Anwälte oder sogar Notare als Eintreiber auf. "Die Entwicklung ist besorgniserregend", urteilt der ehemalige Generalbundesanwalt Nehm. Viel Ärger gibt es beispielsweise, weil angeblich die Pkw-Maut nicht bezahlt wurde oder den Autofahrern vorgeworfen wird, in verbotene Zonen eingefahren zu sein. Die meisten Forderungen kommen aus Kroatien, Italien, Ungarn oder Großbritannien. "Die rechtlichen Möglichkeiten der Betroffenen, sich gegen solche im Ausland zivilrechtlich geltend gemachten Forderungen zu wehren, sind in vielen Fällen sehr kompliziert", warnt Rechtsanwältin Verena Bouwmann von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein.

Temporäre Fahrverbotszonen sind beliebte Fallen

Hauptärgernis aus Italien ist der Vorwurf, eine verkehrsberuhigte Zone, eine sogenannte Zona Traffico Limitato, befahren zu haben. Darauf weist das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland hin. Diese Zonen wurden fast in allen historischen Innenstädten Italiens eingeführt. Sie sind Anwohnern vorbehalten und zu bestimmten Uhrzeiten für fremde Fahrzeuge ohne gebührenpflichtige Sondergenehmigung verboten. In der Regel werden die Zonen videoüberwacht. Die Verkehrsschilder, die auf diese Zonen hinweisen, sollen oft nur schwierig zu erkennen sein.

Laut einem Urteil des Friedensgerichts Florenz müssen öffentlich-rechtliche Strafen aber förmlich zugestellt werden (Az. 3624/2016). Die einfache postalische Zustellung eines Inkassobüros ist daher laut dem österreichischen Verkehrsclub ÖAMTC nicht wirksam. Ähnliche Schwierigkeiten haben Autofahrer in London mit einer Umweltzone (Low Emission Zone) und einer gebührenpflichtigen Überquerung der Themse (Dartford Crossing). Während früher beim Versäumen der Mautzahlung eine Nachentrichtung möglich war, werden nun Verwarnungsgelder gefordert.

Auf keinen Fall vorschnell zahlen

Eigentlich sollte die Praxis ganz anders aussehen. So haben sich die Staaten der EU darauf geeinigt, dass Autofahrer, die sich im Ausland nicht an die Regeln halten, zwar grenzüberschreitend mit einer Strafe rechnen müssen. Der sogenannte Rahmenbeschluss sieht aber vor, dass das eingetriebene Bußgeld in die Kasse des Staates wandert, der die Vollstreckung durchführt. Gleichzeitig sollen geringe Geldbußen unter 70 Euro gar nicht eingezogen werden. Das wollen ausländische Gemeinden nun nicht mehr hinnehmen. Sie versuchen daher systematisch, Knöllchen und Mautzahlungen auf dem zivilrechtlichen Inkasso­weg selbst durchzusetzen. Betroffene Autofahrer sind oft in einer schwierigen Beweislage, wenn der Fall schon lange zurückliegt. Vielfach wurden die Belege längst weggeworfen. Daher rät Hannes Krämer, Leiter Recht beim ACE Autoclub Europa, auf keinen Fall vorschnell zu zahlen. »Eigentlich sind Polizeistrafen nur rechtmäßig, wenn sie über das Bundesamt der Justiz aus Bonn kommen«, erläutert Krämer. Das gilt etwa für Rotlicht- oder Tempoverstöße. Private Inkassounternehmen haben hier nicht das Recht, solche Forderungen einzutreiben.

Anders ist dies, wenn es sich um zivilrechtliche, also privatrechtliche Forderungen handelt. Das können Verstöße gegen die private Maut- oder Parkpflicht sein. Doch oft ist es schwer, zwischen öffentlich-rechtlichen Forderungen und zivilrechtlichen Ansprüchen zu unterscheiden. Zudem würde versucht über Amtsanmaßung Druck aufzubauen. Dabei erwecken die Unternehmen den Eindruck, dass das Schreiben von einer Behörde kommt. Daher empfiehlt ACE-Mann Krämer, immer wenn man sich keiner Schuld bewusst ist oder der Fall sehr lange zurückliegt, grundsätzlich auf einigen Zeilen einen formlosen Widerspruch an Inkassobüros, Notare oder Anwälte zu senden. Nicht legale Eintreiber würden dann meist aufgeben. Krämer: "In der Regel riskieren die keinen Prozess."

Reagieren sollten betroffene Dienstwagenfahrer auf jeden Fall, wenn das Schreiben von einer deutschen Behörde kommt. Ist die Forderung plausibel, kann es sogar günstiger sein, schnell zu zahlen. Dann gibt es oft hohe Rabatte. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Betroffene in jedem Fall einen Rechtsrat einholen. Noch besser ist es, wenn eine Verkehrsrechtsschutzversicherung besteht. Sie übernimmt in der Regel alle Kosten – egal wie sich das Verfahren entwickelt. Doch Vorsicht: Es gibt auch Verstöße, die in der Verkehrsrechtsschutzpolice nicht abgedeckt sind, wie etwa verbotenes Parken.