Dienstwege bei BMW Läufst du noch oder scooterst du schon?

Foto: Susanne Löw

Bei BMW in München rollern Mitarbeiter mit ­E-Scootern zwischen den Firmenstandorten. Das soll Verkehr vermeiden und Kosten sparen.

Axel Schäfer vom Bundesverband Fuhrparkmanagement hat eine klare Meinung zu E-Scootern: "Das sind Spiel-, Spaß- und Sportfahrzeuge, die wir für die betriebliche Nutzung aus Sicherheitsgründen nicht empfehlen." BMW sieht’s anders. Nachdem sich der Hersteller mit sicherheits- und arbeitsrecht­lichen Aspekten von E-Scootern ausgiebig beschäftigt hatte, kam man zum Schluss: Es ist einen Versuch wert.

Seit Dezember 2019 testet BMW mit dem Roller­verleiher Lime 70 E-Scooter in der innerbetrieblichen Mobilität. Mitarbeiter sollen flexibel, sauber und 20 km/h schnell von einem Firmenstandort zum anderen rollern. Fahrten in die Stadt oder der Weg von und zur Arbeit sind nicht abgedeckt.

"Scooter eignen sich perfekt für die Kurzstrecke", sagt Jonas Gläßer von dem Team, das sich bei BMW um Verkehr und Mobilität kümmert. Auch firmen­eigene Fahrräder bieten die Bayern an für kurze dienstliche Distanzen. "Businessbekleidung und ex­treme Temperaturen sind oft hinderlich beim Radeln. Auf dem Roller dagegen steht man. Deshalb sehen wir ihn als ein weiteres Angebot, das es zu prüfen lohnt. Zumal er auf kurzen Distanzen seine Vorteile bestens ausspielen kann."

Die Idee hatten die Projektverantwortlichen bereits, bevor die E-Roller im Juni 2019 im Straßenverkehr zugelassen wurden. "Im Münchner Norden liegen die BMW-Standorte weit auseinander. Neben dem BMW-Zylinder, dem Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) mit 25.000 Mitarbeitern und einem dritten Zentrum in Freimann gibt’s Dutzende weitere Immobilien. Dazwischen müssen die Mitarbeiter häufig hin- und herpendeln«, beschreibt Gläßer die Ausgangslage. Momentan zählen fünf Standorte zum Testgebiet. "Wir sind sehr früh auf Anbieter zugegangen, von denen wir wussten, dass sie den Münchner Markt angreifen wollen, und haben gemeinsam die Projektidee entwickelt", erinnert sich Gläßer.

Parallel musste das Unternehmen die internen Prozesse organisieren. "Wir waren mit allen Beteiligten im Gespräch, mit Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz, Betriebsrat und allen anderen wichtigen Fraktionen, um alle abzuholen", sagt Jonas Gläßer. Und natürlich ging es darum: Wie sicher sind die Roller? Für die Roller sprach, dass abgetrennte Radwege die Standorte in beide Richtungen verbinden. Außerdem war nach der Gefährdungsbeurteilung klar, dass sich BMW bei der Sicherheitsausrüstung an die gesetzlichen Vorgaben hält. Die StVO gelte ohnehin. "Eine Helmpflicht besteht folglich im Rahmen unseres Testprojekts nicht. Sollten sich die Gesetze ändern, passen wir das natürlich an", sagt Teamleiter Tilman Haas. Und während das gesetzliche Mindestalter bei 14 Jahren liegt, dürfen die BMW-Mitarbeiter erst ab 18 scootern.

Eingewiesen werden sie per App-Tutorial. Das muss sich jeder Kollege anschauen, bevor er das erste Mal auf den Scooter steigt. Im Intranet sind die Hinweise ebenfalls hinterlegt. Außerdem organisierten BMW und Lime ein Fahrtraining, damit Neulinge die Roller unter Aufsicht ausprobieren konnten.

Foto: Susanne Löw
Gebucht werden die Roller per App.

Per App finden und reservieren Mitarbeiter nun die an festen Stationen verteilten Roller; zwischen sechs und zwanzig Uhr können sie sie leihen. Durch die Registrierung mit ihrer BMW-E-Mail-Adresse fallen für sie keine Kosten an. Schließlich handelt es sich ja um Dienstfahrten. Für Wartung, Laden und das Zurückbringen an Stationen, wenn Roller fälschlicherweise anderenorts abgestellt wurden, ist Lime zuständig. "Es war uns wichtig, ein etabliertes System eines Anbieters mit gewissen Qualitätsstandards zu nutzen", so Gläßer. "Bei Lime kümmern sich feste Mitarbeiter ausschließlich um unsere Roller."

Nach zwei Monaten zieht BMW eine erste Bilanz: Auf 1.400 registrierte Nutzer, rund 4.000 Fahrten und 5.000 Kilometer kommt Gläßer. "Die Durchschnittsdistanz liegt bei 1,2 Kilometern. Das entspricht in etwa der Entfernung zwischen den Stationen." Stoßzeiten registrieren die Projektverantwortlichen mittags, wenn häufig der Standort gewechselt wird.

Foto: Susanne Löw
Die Roller werden an Stationen gesammelt. Um den Transport falsch abgestellter Scooter kümmert sich Lime.

Das Zwischenfazit fällt positiv aus. "Die E-Scooter werden sehr gut angenommen. Wir bekommen viele positive Rückmeldungen mit dem Wunsch, den Test auszubauen und zu verlängern. Unfälle und negatives Feedback gab es bislang nicht, lediglich technische oder organisatorische Fragen", berichtet Haas. Um kein Risiko einzugehen, werden die Scooter aber bei extremen Wetterbedingungen wie Glatteis gesperrt. Auch wenn die Kollegen bei starkem Regen sowieso eher zu Fuß gehen.

Dass das Projekt mitten im Winter startete, sieht Haas als Vorteil. "So testen wir den Roller gleich als Ganzjahresfahrzeug und entkräften, wenn er auch im Winter genutzt wird, den Vorwurf, es handle sich lediglich um ein Spaßmobil." Die Befürchtung, der elektrische Antrieb könne im Winter schwächeln, hatte BMW nicht. Schließlich gebe es E-Scooter auch im kalten Kanada oder in Skandinavien, sagt Gläßer. "Dort bleiben die Flotten auch bei Eiseskälte im Einsatz und werden rege genutzt."

Der Pilotversuch läuft noch bis Ende April. Die Chancen stehen gut, dass BMW das Projekt ausbaut. Vielleicht wird BMW sogar irgendwann eigene Roller für die Mitarbeitermobilität nutzen. 15 Stück davon testet der Autohersteller bereits im Pendelbetrieb. Sie wurden über eine Bluetooth-Kopplung sharingfähig gemacht.

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Was rät Mobilitätsprofi Gläßer Unternehmen mit mehreren Standorten oder großem Betriebsgelände, die ebenfalls über E-Scooter nachdenken? "Entscheidend ist immer die Verfügbarkeit am Standort. Mit einem Anbieter vor Ort stehen bereits die Strukturen." Darüber hinaus sei es wichtig, alle Parteien abzuholen, den Betriebsrat einzubinden und die Mitarbeiter vorab nach dem Bedarf zu fragen.

Vielleicht dürfen die BMW-Mitarbeiter nach den positiven Eindrücken des Tests bald auch auf Geschäftsreisen ­E-Roller benutzen Man wird sehen. Momentan findet sich in der Dienstreisevorschrift noch keine gesonderte Regelung.

Das müssen Sie beachten

  • E-Scooter fallen unter die Betriebssicherheitsverordnung und die Unfallverhütungsvorschrift Fahrzeuge (DGUV-Vorschrift 70). Sie müssen regelmäßig geprüft werden.
  • Unternehmen müssen sie in die Gefährdungsbeurteilung aufnehmen. Hierzu gehört auch die Überlegung, ob die Mitarbeiter Helm, reflektierende Kleidung und geeignete Schuhe tragen müssen.
  • Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter einweisen.

Quelle: Berufsgenossenschaft Verkehr (Fachbereiche Handel und Logistik sowie Verkehr und Landschaft der DGUV)