Fahrbericht Cadillac Lyriq Game Changer für Cadillac

Cadillac Lyriq Foto: GM 9 Bilder

Cadillac bringt mit dem Lyriq seinen ersten Stromer nach Deutschland. Das fünf Meter lange Crossover-Modell tummelt sich in der Klasse von Mercedes EQS SUV, Audi e-tron und BMW iX. Alle Details im Fahrbericht und der Bildergalerie.

Darauf muss man erst einmal kommen. Cadillac nennt sein erstes Elektroauto Lyriq, weil die amerikanische Luxusmarke über die vergangenen Jahrzehnte hinweg in mehr als 1.000 Songs erwähnt wurde. Nun denn. Der Lyriq soll aber auch so etwas wie ein "Game Changer" sein, wie Marketing-Strategen gern jene Modelle bezeichnen, die angeblich den Aufbruch in eine neue Zeit symbolisieren. Und die soll elektrisch werden.

Modular aufgebaute Plattform

Bei der Marke Cadillac macht der Lyriq den Anfang. Das fünf Meter lange Crossover-Modell tummelt sich in der Klasse von Mercedes EQS SUV, Audi e-tron und BMW iX, wirkt aber deutlich schlanker als diese. Und wer den elektrischen Cadillac zum ersten Mal sieht, dürfte wenig Zweifel daran haben, dass hier etwas ganz Neues um die Ecke kommt.

Das gilt nicht nur fürs Design mit seiner aufwändigen Lichtinszenierung im Grill, sondern auch für die Technik. Jahrelang hat General Motors (GM) eine komplett auf Elektroantrieb ausgelegte Architektur entwickelt. Die modular aufgebaute und sehr flexibel einsetzbare Plattform trägt den Namen Ultium. Sie soll zukünftig allen GM-Marken zur Verfügung stehen, ähnlich wie es VW mit dem MEB-Baukasten oder der Hyundai-Konzern mit der E-GMP macht.

Weg vom Image durstiger Achtzylinder

Im Lyriq stellt die Ultium-Plattform 104 kWh an Kapazität zur Verfügung, was nach dem amerikanischen EPA-Verbrauchszyklus eine Reichweite von umgerechnet rund 500 Kilometern ergeben soll. Die für uns gültigen WLTP-Werte gibt Cadillac noch nicht bekannt. Doch Europa gilt als beste Gelegenheit, die Marke Cadillac neu zu positionieren und wegzukommen von Image durstiger Achtzylinder und riesiger Full-size-SUV.

Cadillac Lyriq Foto: GM
340 PS Leistung und 425 Newtonmeter an Drehmoment verleihen dem amerikanischen Crossover eine solide Souveränität.

Erste Fahrt auf GM-Testgelände

Unsere erste Probefahrt auf dem GM-Testgelände in Milford/Michigan lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die Entwickler des Lyriq professionelle Arbeit abgeliefert haben. Bemerkenswert sind die Ruhe, die Geschmeidigkeit und der Komfort, die der Lyriq an den Tag legt. Besser könnte ein neuer Antrieb zu einer Luxusmarke kaum passen. 250 kW/340 PS Leistung und 425 Newtonmeter an Drehmoment verleihen dem amerikanischen Crossover eine solide Souveränität. Viel entspannter lässt es sich über den Highway gleiten. Erst recht nicht, wenn man den Super-Cruise-Button gedrückt hat. Das elektronische Assistenzsystem ist so etwas wie ein halbautonomer Autopilot. Erstmals darf man auf vielen Straßen sogar die Hände vom Lenkrad nehmen, das Auto fährt von alleine, hält Spur und Abstand, beschleunigt und bremst und fährt im Stop&Go-Verkehr selbstständig wieder an. GM ist der erste Hersteller, der in Amerika die Zulassung für das Super-Cruise-System erhielt.

Außergewöhnlich großes Raumgefühl

Das Raumgefühl im Lyriq ist außergewöhnlich, einmal bedingt durch den für Elektroautos charakteristischen Flachboden ohne Mitteltunnel, zum anderen durch das riesige Panoramadach. Der lange Radstand, ebenfalls typisch für E-Fahrzeuge, bietet besonders den Passagieren im Fond Beinfreiheit im Business-Class-Format. Eher in Richtung First Class gehen Materialauswahl und Verarbeitung. Im Cockpit zieht das breite und leicht gebogene Display alle Blicke auf sich. Die Anzeigen hinter dem Lenkrad sind in vier unterschiedlichen Konfigurationen darstellbar, der rechte Teil des Bildschirmes ist für Infotainment und Navigation zuständig. Alles lässt sich intuitiv über Touch oder aber mittels des Drehstellers auf der Mittelkonsole steuern.

Cadillac Lyriq Foto: GM
Das Raumgefühl im Lyriq ist außergewöhnlich, einmal bedingt durch den für Elektroautos charakteristischen Flachboden ohne Mitteltunnel, zum anderen durch das riesige Panoramadach.

So modern es oben zugeht, so konventionell läuft es unten ab. Denn bei der Bedienung der Klimatisierung entschieden sich die Lyriq-Designer für eine klassische Schalterleiste. Verwechslung ausgeschlossen.

One-Pedal-Driving ist nicht optimal

Man weiß die Einfachheit der Schalter zu würdigen, sobald man im sogenannten One-Pedal-Modus fahren möchte. Um die stärkste Verzögerung (Rekuperation) zu aktivieren, bedarf es eigentlich nur eines Fingertipps auf ein Symbol auf dem Display. Nur muss dazu zuvor das richtige Untermenü gefunden werden, was die Sache etwas umständlich macht. Zudem: Eine wirkliche Belohnung ist One-Pedal-Driving nicht, der Lyriq bremst beim Lupfen des Fahrpedals ziemlich stark ab, so dass man aus Komfortgründen schon bald wieder in den Normalmodus wechselt. Gut wäre eine automatische, adaptive Rekuperation, basierend auf Kamera und Navigationsdaten. Dieses Feature bietet zum Beispiel Mercedes in bester Ausprägung an, dem Lyriq-Fahrer bleibt es leider verwehrt.

Cadillac Lyriq Foto: GM
Bemerkenswert sind die Ruhe, die Geschmeidigkeit und der Komfort, die der Lyriq an den Tag legt.

In den USA geht der erste elektrische Cadillac jetzt in den Markt, beginnt hier bei 62.990 Dollar. Auch wenn der Wechselkurs Dollar zu Euro gerade bei etwa 1:1 steht, sollte man nicht erwarten, den Lyriq hier für die gleiche Summe zu bekommen. Aber auch wenn er bei 75.000 oder 80.000 Euro starten würde, wäre er immer noch günstiger als seine deutschen Mitstreiter – und beim Thema Individualität ohnehin unschlagbar.