Interview Martin Sommer (e.Go Mobile) "Wir bieten Mobilität als Paket"

e-GO Foto: Thomas Küppers

Im Umfeld von Streetscooter entsteht ein günstiges E-Auto unter der neuen Marke e.Go. Wir sprachen mit Dr. Martin Sommer, Leiter von Vertrieb und Produktmanagement, über ehrgeizige Zukunftspläne.

Im Mai haben Sie mit der ersten Produktion begonnen. Wie läuft es?

Die Werkshalle steht und wird gerade fleißig ausgerüstet. Alles ist neu: von dem Produktionssystem über die Maschinen, dem Team bis hin zu dem Produkt. Wir erproben gerade die Maschinen und arbeiten an den ersten kompletten Fahrzeugen der Vorserie. Die ersten Serienfahrzeuge sollen dann Ende November auslieferungsfertig sein. Wir fahren die Produktion langsam hoch. Wenn unsere Prozesse eingefahren sind, werden wir auch die Stückzahl erhöhen.

Wie viele Vorbestellungen müssen Sie dann abarbeiten?

Wir haben Mitte Mai die 3.000er Marke geknackt. Darüber sind wir sehr glücklich. Wir sind vor einem guten Jahr mit den Vorbestellungen gestartet, und das ist, denke ich, ein ganz gutes Ergebnis. Zwei Drittel der Kunden sind privat, der Rest gewerblich. Wir sehen von Handwerks- über Servicebetriebe bis hin zu Unternehmen mit großen Werksgeländen vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

Gibt es andere, ähnlich große Auftraggeber wie die Caritas, die eine Absichtserklärung über 3.000 e.Go Life abgegeben hat?

In Summe ist die Caritas bislang unser größter Auftraggeber. Es haben mehrere Verbände Aufträge platziert. Wir glauben, dass vor allem Servicebetriebe sehr hohen Bedarf haben, das sind meist kleinere Unternehmen. Wir sprechen mit einigen Unternehmen, die in Deutschland große Fuhrparks haben, über internen Werksverkehr und Mitarbeiterleasing. Dabei ist das Thema Ladeinfrastruktur eng mit der Autobeschaffung verknüpft. In Großstädten haben wenige Menschen Zugang zu eigenen Ladepunkten, es wäre also sinnvoll, wenn das der Arbeitgeber anbietet. Mobilitätslösungen für Mitarbeiter können ja auch die Attraktivität der Unternehmen steigern, da können wir natürlich gemeinsam Angebote entwickeln.

Haben Sie da schon konkrete Projekte in Planung?

Ja, wir werden unseren Kunden zwei Pakete anbieten. Zum einen werden wir den Privatkunden eine e.Go Wallbox anbieten. Keine Eigenentwicklung, aber ein e.Go Produkt, was gemäß dem Fahrzeug im sehr günstigen Preissegment angesiedelt ist. Damit bieten wir Privatkunden einen höheren Ladekomfort für zu Hause. Auf der anderen Seite haben wir natürlich die gewerblichen Kunden. Die brauchen ein Ladeinfrastruktursystem für sehr unterschiedliche Anforderungen. Der eine möchte seine fünf Fahrzeuge nur mit einer möglichst niedrigen Netzanschlussleistung laden, bei anderen muss es schnell gehen.

Helfen Sie auch bei den Abrechnungsmodalitäten?

Viele wollen eine Abrechnungssystematik haben, die sie am besten mit ihrer eigenen EDV verbinden können. Hier arbeiten wir mit einem deutschen Partner zusammen, der genau auf diese individuellen Anforderungen eingehen kann und entsprechende Systeme mit uns zusammen anbieten kann. Wir nennen ihn noch nicht, es ist ein deutscher Partner, so viel kann ich schon verraten.

Sie sind zwar Vertriebsspezialist, aber auch auf Produktionsseite gibt es innovative Ansätze, Stichwort Industrie 4.0. Was hat der Kunde davon?

Industrie 4.0 hilft uns natürlich, das Auto als kleines und junges Unternehmen zu diesem sensationellen Preis anbieten zu können. Wenn wir keine digitale Vollvernetzung hätten, hätten wir auch nicht so schlanke Prozesse.

Bei einem so kleinen Auto stellt sich schnell die Frage nach der Sicherheit. Gibt es schon Crashtest-Ergebnisse?

Sicherheit ist ein wichtiges Argument. Wir konzentrieren uns natürlich zunächst darauf, dass wir das Fahrzeug so schnell wie möglich auf die Straße bringen können, und dazu gehören natürlich auch Crashtests. Wir haben ein sehr sicheres Fahrzeug mit stabiler Crashzelle. Gleichzeitig haben wir sowohl vorn wie auch hinten Crashzonen, die die Aufprallenergie aufnehmen. ABS und ESP sind serienmäßig, wobei wir bei den stärkeren 40- und 60 kW-Varianten noch an der Abstimmung arbeiten.

e-GO Foto: Thomas Küppers
Mit einer Länge von gerade einmal 3,35 Metern kommt der e.Go Life in beinah jede Parklücke.
Vorerst gibt es also nur 20 kW Leistung, selbst wenn ich die stärkere Version vorbestellt habe?

Ganz genau, das ist der aktuelle Plan. Den großen Akku mit mehr Spannung können wir liefern, wir beschränken die Leistung dann aber softwareseitig. Später werden diese Autos dann für die höhere Leistung freigegeben.

Viele Elektroautos haben wegen Nachschubschwierigkeiten bei den Batterien lange Lieferzeiten. Haben auch Sie mit Problemen zu kämpfen?

Wir müssen den Zulieferern schon heute sagen, welche Stückzahlen wir planen. Unser Zulieferer plant ja seine Kapazitäten und Lieferketten ebenfalls nach Kundenaufträgen. Der Engpass liegt also häufig nicht in der eigenen Produktionskapazität, sondern vielmehr in der komplexen Lieferkette. Steigt die Nachfrage, reagiert das gesamte System nicht so schnell. Wir starten unsere Produktion im Ein-Schicht-Betrieb und erhöhen schrittweise die Ausbringungsmenge. Zur weiteren Steigerung der Produktionsmenge werden wir voraussichtlich noch 2019 in den Zwei-Schicht-Betrieb wechseln, sodass wir jährlich bis zu 20.000 Fahrzeuge produzieren können. Für dieses Wachstum müssen wir sowohl unser Team im Werk weiter aufbauen, als auch die Zuliefermengen entsprechend planen. Um die Produktionsmenge noch weiter steigern zu können, können wir zwar in den Drei-Schicht-Betrieb übergehen, wir könnten jedoch auch eine zweite Fabrik mit den gleichen Prozessen aufbauen und so eine höhere Stückzahl an Fahrzeugen dort produzieren, wo die Nachfrage groß ist.

Welche Argumente sprechen neben dem Preis für den e.Go Life?

Vor allem die deutschen Kunden sind bei Design und Funktionalität sehr anspruchsvoll. Man muss gerne in das Auto steigen. Diese Emotionalität vor allem bei autoaffinen Kunden stellt natürlich Anforderungen an uns. Im Vergleich zur ersten Version haben wir das Design deswegen noch mal deutlich angefasst. Das soll zeigen, der Preis ist wichtig, aber wir haben drei Attribute für unser Fahrzeug: Es muss Spaß machen, es muss praktisch sein und es muss bezahlbar sein.

Für Unternehmen spielt auch die Finanzierung der Flotte eine zentrale Rolle. Bieten Sie dafür selbst Lösungen an?

Wir haben keine e.Go Bank, da gibt es genügend Partner, mit denen man das machen kann. Unser klares Ziel ist es, das ganze Spektrum von Finanzierung bis zu Leasing für Privat- und Gewerbekunden anzubieten.

Zählen dazu auch Flatrate-Modelle, wie wir sie vermehrt in der Automobilbranche sehen?

Ganz klares Ja. Full-Service-Leasing kennen wir im gewerblichen Bereich ja bereits, und das wird sich unserer Meinung nach weiterentwickeln. Von geschlossenem Carsharing innerhalb von Unternehmen bis hin zu Privatkunden, die keinerlei finanzielles Risiko haben wollen, ist alles vorstellbar. In einer monatlichen Mobilitätsrate wären dann das Leasing, der Strom, eine Wallbox, Versicherung und Service mit drin.

Viele Autohersteller sehen sich in Zukunft immer mehr als Mobilitätsdienstleister. Wo können Sie als junges Unternehmen noch eigene Akzente setzen?

Ganz konkret haben wir zwei Pilotprojekte, wo wir Mobilität gemeinsam mit Wohnraum anbieten werden. Gerade die großen Wohnungsbetreiber in Deutschland bieten ja schon heute nicht nur Wohnraum an, sondern auch Fernsehen, Internet, Strom und Wasser. Warum also nicht auch Mobilität? Gerade weil der einzelne Bewohner keine Chance hätte, sich in einem Mietprojekt Ladeinfrastruktur zu installieren, wäre es doch viel sinnvoller, wenn man beides miteinander verknüpft. Wir sind für den Hauseigentümer dann Mobilitätsdienstleister. Wir wollen gemeinsam mit einem Partner eine Buchungs-App für die Hausbewohner anbieten. Der Immobilienbetreiber bezahlt eine monatliche Rate und bekommt die gleiche App in der Managementansicht, um die Wirtschaftlichkeit seiner Flotte zu prüfen.

Gemeinsam mit ZF haben Sie den e.Go Mover entwickelt. Mit welchem Ziel?

Mit dem autonomen Kleinbus helfen wir Kommunen dabei, das Verkehrsproblem anzugehen. Der e.Go Life ist eher ein Zweitfahrzeug, also ein zusätzliches Fahrzeug im Verkehr. Hier muss individueller Verkehr besser mit dem öffentlichen Verkehr abgestimmt werden, um den Verkehrsfluss zu verbessern. Also mit dem Auto bis zur Stadt, um dann dort Sharing-Dienste zu nutzen. Der e.Go Mover ist der bessere Bus, seine Strecke ist flexibel. Die letzten Meter kann man dann zu Fuß zurücklegen.

Das klingt nach schöner Zukunftsmusik und viel aufwendiger Technik. Was davon liefert e.Go?

Unsere Kernkompetenz ist die Systemintegration. Wir haben viele Partner, die ihre spezifischen Lösungen einbringen, von Microsoft bis hin zu ZF. Wir gestalten diese Plattform aus, weil wir nur mit Partnern schnell sein können. Wir bringen die Partner zusammen und können die Kompetenzen der Unternehmen nutzen. Der Vorteil für die Technologieunternehmen ist eine Anwendungslösung mit einem schnellen und agilen Partner.

Zur Person

Dr. Martin Sommer ist seit 2016 bei e.Go Mobile. Dort verantwortete er zunächst die Unternehmensentwicklung und -finanzierung, bevor er seit 2017 die Leitung der Vertriebsentwicklung übernahm. Sein Studium absolvierte Sommer an der RWTH Aachen und in Peking, danach promovierte er im Bereich Innovationsmanagement in Aachen.