Von der Installation bis zur Abrechnung: Die Heidelberger Druckmaschinen AG hat ein neues Geschäftsfeld entdeckt und bietet nun Ladelösungen für Flottenbetreiber an.
Augen auf beim Wallbox-Kauf: Wer sein E-Auto nur privat nutzt und einen abgeschlossenen Stellplatz hat, kommt mit einer einfachen Box aus, die nur Strom spendet. Fahrer eines Firmenwagens, die den Strom über die Firma abrechnen oder vom Arbeitgeber ersetzt bekommen, benötigen dagegen eine vernetzte und eichrechtskonforme Wallbox. Dann wird der Ladevorgang per RFID-Karte gestartet, die Ladungen lassen sich per App auslesen und im besten Fall sogar direkt über einen Zahlungsdienstleister oder den Firmenaccount abrechnen. Selbst wenn verschiedene Familienmitglieder bei unterschiedlichen Firmen arbeiten, können sie ihre Dienstwagen an der gleichen Box laden und ihren Kostenstellen zuordnen.
Zahlreiche Wallbox-Anbieter auf dem Markt
Die Schwierigkeit besteht eher darin, die passende Wallbox zu finden. Mittlerweile tummeln sich über 100 Anbieter auf dem Markt. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, hilft ein Blick in die jährlichen Tests des ADAC. Wer unter den Herstellern mit teils kryptischen Namen auf "Heidelberg" stößt und dabei eher an Druckmaschinen denkt, liegt genau richtig. Das Unternehmen gehört zu den Pionieren, baut bereits seit 2010 Wallboxen, mittlerweile unter der Submarke Amperfied.
Software wird intern entwickelt
Doch wie kommt man von Druckmaschinen auf Ladestationen? Die Erklärung liegt in der Elektronik. Seit den 1970er-Jahren entwickelt und produziert Heidelberg auch die Steuerungen für die immer komplexeren Druckmaschinen selbst. In eigenen Cleanräumen werden jährlich rund 400.000 Leiterplatten hergestellt. Auch die Software schreiben die Haus-Programmierer. Elektronisches Know-how war also vorhanden, ebenso wie Testlabore. Damit war Heidelberg Amperfied sogar den Autoherstellern einen Schritt voraus. Porsche beispielsweise nutzte diese Expertise gerne und ließ die erste Wallbox mit eigenem Logo bei Amperfied bauen.
Portfolio von 500 bis 10.000 Euro teuren Wallboxen
Mittlerweile hat das Unternehmen sein Angebot ausgebaut. Von der einfachen Wallbox für rund 500 Euro bis zur fast 10.000 Euro teuren 22-kW-Säule mit zwei Ladepunkten reicht die Palette an AC-Ladern. Dabei setzt Amperfied auf einen schnell wachsenden Markt. Waren 2021 auf Europas Straßen nur acht Millionen E-Autos und Plug-in-Hybride unterwegs, so soll der E-Fuhrpark bis 2025 auf 21 Millionen und zum Ende des Jahrzehnts auf 56 Millionen Fahrzeuge wachsen. Auch in China und den USA nimmt der E-Auto-Bestand jährlich um rund 30 Prozent zu.
Parallel dazu muss die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden. Doch vielen Start-ups geht bald die Puste aus, glaubt Davide Ghione, der CEO von Amperfied. Mit der Mutter Heidelberg im Rücken, die rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr Umsatz macht, hofft er auf ein langlebiges Geschäftsmodell, das er nun um Dienstleistungen erweitern will
Firmenkunden im Visier
Als Zielgruppe hat Davide Ghione Firmenkunden im Visier. Er will Amperfied vom reinen Hardware-Anbieter zu einem Vollsortimenter umbauen, der gewerbliche Kunden von der Installation bis zum Vertrags- und Abrechnungsmanagement unterstützt. Denn zwei von drei neuen E-Autos in Deutschland werden gewerblich genutzt, viele davon als Dienstwagen in Firmenflotten. Alle größeren Unternehmen bauen Ladeparks für die eigenen Firmenwagen auf. Häufig werden die Stromspender sogar für Kunden und Privatfahrzeuge der Mitarbeiter geöffnet. Außerdem fördern Bund und Länder den Aufbau gewerblicher Ladeinfrastruktur. Baden-Württemberg etwa macht für neue Ladepunkte von Unternehmen und Kommunen bis zu 2.500 Euro locker.
Ladekosten-Abrechnung über Software
Über eine Cloud-Lösung können Kunden von Amperfied sämtliche Ladevorgänge steuern und verwalten. Sie organisiert die Ladekarten der Mitarbeiter oder weist einzelnen Kollegen Ladepunkte zu, die sie anfahren dürfen. Das Flotten- oder Facilitymanagement kann Ladevorgänge von der Ferne starten und beenden oder Ladekurven auslesen, um zu erkennen, ob bei einzelnen Fahrzeugen ein technisches Problem vorliegt. Sogar Strompreise könnte man individuell festlegen, etwa dass Kollege A 40 und Kollege B 45 Cent pro kWh bezahlt. Vor allem aber können Unternehmen die gesamte Energie ihrer E-Autos über die Software abrechnen.