Ratgeber Vollbremsung Trotz Assistent richtig in die Eisen steigen

Foto: WERNER POPP

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der elektronische Bremsassistent ersetzt in Notsituationen nicht die aktive Vollbremsung des Fahrers. Empfehlung: Jährliches Training für Notbremsmanöver.

Selbst in Fahrzeugen mit integriertem elektronischem Notbremsassistenten ist es im Falle einer Notsituation nach wie vor erforderlich, dass die Fahrer aktiv und entschlossen bremsen, um die Geschwindigkeit rasch zu reduzieren. "Es herrscht oft die falsche Vorstellung, dass der Notbremsassistent im Ernstfall die Bremsung vollständig übernimmt. Dieses Missverständnis kann unter Umständen schwerwiegende Folgen haben", warnt Reinhard Buchsdrücker, ein erfahrener Fahrtrainer bei der Expertenorganisation DEKRA.

Verantwortung muss der Fahrer übernehmen

"Die heutigen Notbremsassistenten im Fahrzeug sollen keineswegs die Verantwortung des Fahrers für eine Vollbremsung überflüssig machen", erklärt der Fahrtrainer. "Ihre Funktion besteht darin, den Fahrer in bestimmten gefährlichen Situationen zu warnen und eine Notbremsung einzuleiten, wenn der Fahrer nicht auf die Warnung reagiert." Dennoch führt der Assistent das Fahrzeug nicht immer bis zum Stillstand. Viele dieser ab 2024 in der EU vorgeschriebenen Systeme für Neufahrzeuge sind optimalerweise darauf ausgelegt, innerorts übliche Geschwindigkeiten bis zum Halt zu reduzieren. Zudem können nicht alle kritischen Situationen zuverlässig erkannt werden. Viele der derzeit verfügbaren Systeme haben Schwierigkeiten bei der Erkennung von Fußgängern und Radfahrern, insbesondere bei Dunkelheit oder schlechten Wetterbedingungen. "Es handelt sich lediglich um Assistenzsysteme, die den Fahrer in Notfällen unterstützen sollen, und nicht um Autopiloten", betont der Fahrtrainer. "Ständige Aufmerksamkeit des Fahrers und eine korrekt ausgeführte Notbremsung bleiben nach wie vor der sicherste Ansatz."

Vollständiger Bremsdruck bis zum Ende

"In kritischen Situationen ist bei allen Fahrzeugen, unabhängig von einem Notbremsassistenten, sofortiges und kräftiges Betätigen des Bremspedals erforderlich, und dieser Druck sollte bis zum Stillstand aufrechterhalten werden", betont Buchsdrücker. "Dabei sollte das Lenkrad fest mit beiden Händen gehalten werden, und gegebenenfalls sollte ein Ausweichen in Betracht gezogen werden. Alle weiteren Aspekte, wie beispielsweise das Antiblockiersystem (ABS), werden automatisch gesteuert." Vibrationen im Bremspedal sind normal und sollten nicht beunruhigen. Sobald sich die Situation beruhigt, kann der Bremsdruck schrittweise verringert werden. Ein häufig begangener Fehler bei Notbremsungen ist das dynamische Bremsen, bei dem zunächst leicht und dann zunehmend stärker gebremst wird. "Diese Vorgehensweise verlängert den Bremsweg unnötig und erhöht die Aufprallkräfte unnötig", warnt der Fahrtrainer. Zudem schalten viele Notbremsassistenten ab, sobald der Fahrer mit einer Reaktion beginnt, wie Lenken, Beschleunigen, Bremsen oder teilweise auch Blinken.

Korrekte Sitzposition ist wichtig

Ein weiterer verbreiteter Fehler ist das Ausstrecken der Arme gegen Lenkrad und Sitzlehne während einer Notbremsung. In dieser Haltung besteht das Risiko schwerwiegender Verletzungen an Armen, Gelenken und Schlüsselbeinen im Falle einer Kollision. "Sowohl im Notfall als auch im regulären Fahrbetrieb ist die korrekte Sitzposition von großer Bedeutung, da sie das Lenken und insbesondere das Ausweichen erleichtert", unterstreicht Buchsdrücker. Die Arme sollten leicht gebeugt sein, und die Pedale sollten leicht erreichbar sein. Der Sitz sollte in einem Winkel von etwa 90 bis 110 Grad leicht nach hinten geneigt sein. Die Kopfstütze sollte auf Scheitelhöhe eingestellt sein.

Training für Notbremsmanöver mindestens einmal jährlich

"In einer Notsituation müssen Fahrer in Bruchteilen von Sekunden die richtige Reaktion zeigen können und das Verhalten des Fahrzeugs verstehen", erklärt der Fahrtrainer. "Das ist nur möglich, wenn sie das korrekte Vorgehen geübt haben." Daher ist es ratsam, mindestens einmal jährlich ein Training für Notbremsmanöver auf geeignetem Gelände durchzuführen. Wenn ein fremdes Fahrzeug verwendet wird, beispielsweise ein Mietwagen oder ein Fahrzeug aus Car-Sharing-Diensten, sollte am Anfang der Fahrt eine Testbremsung absolviert werden, und die Bedienelemente und Assistenzsysteme sollten vor Fahrtantritt vertraut gemacht werden. "Zusätzlich wird dringend empfohlen, alle zwei Jahre an einem Fahrsicherheitstraining teilzunehmen.