Dienstwagenprivileg Geschenk vom Staat?

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Nur was für Besserverdienenden, belastet die Steuerkasse und sorgt für mehr CO2-Emissionen – mit diesen Vorwürfen fordern einige Organisationen die Abschaffung des "Dienstwagenprivilegs". Der Bundesverband Betriebliche Mobilität (BBM) widerspricht, checkt die Fakten und wirft einen kritischen Blick auf die Debatte.

Derzeit wird wieder heftig um das sogenannte Dienstwagenprivileg für Arbeitnehmer gestritten. Die Diskussion um den Abbau klimaschädlicher Subventionen, angeheizt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds, verstärkt den Ruf nach der Streichung eines „Privilegs“ für vermeintlich Besserverdienende. Doch nicht nur Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sehen Reformbedarf, auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, das Umweltbundesamt und die Deutsche Steuergewerkschaft sind laut Handelsblatt dieser Meinung. Der Bundesverband Betriebliche Mobilität (BBM) empfindet diese Diskussion nicht nur als ärgerlich, sondern sieht auch faktische Fehler.

Statement der Deutschen Umwelthilfe (DUH)

„Für die private Nutzung eines Dienstwagens muss derzeit – unabhängig von den gefahrenen Kilometern – pauschal maximal 1 Prozent des Bruttolistenpreises monatlich als geldwerter Vorteil versteuert werden. Bei Elektroautos bis zu einem Bruttolistenpreis von 60.000 Euro sind es sogar nur 0,25 Prozent, bei Preisen darüber 0,5 Prozent. Diese Obergrenze soll nun auf 80.000 Euro angehoben werden, sodass sich ausgerechnet für teurere, typischerweise große und schwere Elektroautos die steuerlichen Kosten für die private Nutzung halbieren. Schon heute kostet das Dienstwagenprivileg, von dem fast ausschließlich die einkommensstärksten 10 Prozent der Bevölkerung profitieren, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jährlich bis zu 5,5 Milliarden Euro. Durch eine umfassende Reform würden zusätzliche Haushaltsmittel in Milliardenhöhe frei, die für notwendige Investitionen in die Mobilitätswende genutzt werden könnten. Zugleich könnten durch eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs laut Studien jedes Jahr bis zu 5,8 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase eingespart werden.“

Profitieren nur die Gutverdiener?

Während die DUH davon ausgeht, dass das Dienstwagenprivileg die Steuerzahler jährlich bis zu 5,5 Milliarden Euro kostet und fast ausschließlich die einkommensstärksten 10 Prozent der Bevölkerung davon profitieren, wird vom BBM als unhaltbar bezeichnet. Der Dienstwagen sei kein Privileg der Reichen, sondern oft ein Bestandteil des Gehalts vieler Berufstätiger.

Ist das Dienstwagenprivileg überhaupt ein Privileg?

Die Bezeichnung „Privileg“ resultiert jedoch eigentlich aus der steuerrechtlichen Behandlung eines Dienstwagens. Die anteilige Privatnutzung des Dienstwagens wird als geldwerter Vorteil einer zusätzlichen Besteuerung unterworfen. Aktuell wird diese meist über die sogenannte Pauschalversteuerung abgewickelt. Dabei versteuert ein Dienstwagennutzer ein Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs sowie 0,03 Prozent desselben je einmalige Entfernung Kilometer der Arbeitsstätte zum Wohnort. Bei Elektrofahrzeugen reduziert sich dieser Satz auf maximal 0,25 Prozent, bei Plug-in-Hybriden auf 0,5 Prozent des Basiswerts.

Rechenbeispiel mit Dienstwagen

Frau Müller ist im Außendienst tätig. Sie verdient 3.810 Euro brutto pro Monat. Für Ihre Tätigkeit erhält sie einen Dienstwagen, der auch privat genutzt werden darf. Bruttolistenpreis des Fahrzeugs: 46.750 Euro. Sie hat 25 Kilometer Wegstrecke zu ihrer ersten Arbeitsstätte, ist Single, gesetzlich versichert und hat keine Kinderfreibeträge.

Für die anteilige Privatnutzung muss sie somit 817 Euro versteuern. In Folge kostet sie dies circa 410 Euro netto. Das entspricht circa 17 Prozent ihres Nettogehalts ohne Dienstwagen. Ihr Arbeitgeber bezahlt zusätzlich zu den Fahrzeugkosten anteilig Abgaben in Höhe von circa 320 Euro. In Summe werden für die Privatnutzung des Dienstwagens 730 Euro monatlich abgeführt.

Vorteile bei geringem Anteil Dienstfahrten

Unbestreitbar ist, laut Bundesverband, dass bei einem geringen dienstlichen Nutzungsanteil ein Dienstwagen an Vorteil gewinnt. Die grundsätzlichen Fragen zur Relevanz dieses Themas wurde bisher jedoch nie näher untersucht. Bleibt die Frage, wie viel macht dieser Anteil überhaupt aus? Hier gibt die aktuelle Dataforce-Studie Auskunft: Demnach wird nur rund die Hälfte der gewerblich zugelassenen Pkw privat genutzt. Davon sind rund 30 Prozent reine Benefit-Fahrzeuge, also Autos, die nicht für Dienstzwecke benötigt werden. Alle anderen Pkw werden für betriebliche Zwecke benötigt. In dieser Gruppe liegt vermutlich auch der größte Teil an Fahrzeugen, die auch privat genutzt werden dürfen.

Am Ende geht es in der Diskussion laut BMM um lediglich 1,65 Prozent des gesamten Pkw-Bestands in Deutschland. Davon sind 70 Prozent der Fahrzeugnutzer tagtäglich auf ihr Fahrzeug angewiesen, um ihren Job zu machen. Diese würden durch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs massiv in ihren Haushaltseinkommen beeinträchtigt.

Folgen, wenn Dienstwagenprivilegs abgeschafft wird

Geht man davon aus, dass die Versteuerung der Privatnutzung geändert würde, muss man sich die Frage nach den Folgen einer solchen Änderung stellen. Was wären die Vorteile und vor allem für wen entstünden diese?

Die Idee von Agora und DUH ist es, die Versteuerung von Verbrennern um 50 bis 100 Prozent anzuheben. Wer weiter einen Dienstwagen privat nutzen möchte und sich dies nicht mehr leisten kann, könnte ja dann (theoretisch) auf ein aktuell noch steuervergünstigtes Elektrofahrzeug umsteigen.

Der Bundesverband geht davon aus, dass sich bei Abschaffung des Dienstwagenprivilegs die Mitarbeiter statt des Firmenwagens einen (vermutlich nicht fabrikneuen) Wagen für den privaten Bedarf kaufen würden. Das ist mit 820 Euro Budget, aus dem Rechen-Beispiel, kein Problem. Zudem würden Dienstwagennutzer von ihrem Unternehmen für den Verzicht auf die Privatnutzung zu Recht eine gehaltliche Kompensation fordern.

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Fahrtenbuch führt zu sinkenden Steuereinnahmen

Wer nicht auf einen Dienstwagen verzichten möchte, kann alternativ ein Fahrtenbuch führen. Das ist zwar viel Aufwand für den Fahrer und würde laut BMM auch zu Steuerausfällen führen. Die Folgen:

  • Zusätzliche (schlecht ausgelastete) Fahrzeuge auf unseren Straßen und im Verkehrsraum.
  • Ersatz von modernen, emissionsarmen Fahrzeugen durch ältere Gebrauchtfahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß.
  • Höhere Kosten für Unternehmen, die auf Produkte und Dienstleistungen umgelegt werden müssten.
  • Hohe Verluste an Einkommenssteuern und Einzahlungen in die Sozialkassen durch Wegfall der Versteuerung des geldwerten Vorteils.
  • Demotivation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Dienstwagen sorgen für mehr Nachhaltigkeit

Unternehmen tragen heute bereits zu einem wesentlichen Anteil zur Elektrifizierung der automobilen Mobilität bei und sorgen durch schnellere Fahrzeug-Tauschzyklen für attraktive und eher zahlbare Gebrauchtfahrzeuge auf dem Privatmarkt, so der BMM. Unternehmen nutzen Dienstwagenprivilegien oft als Anreiz, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Eine Abschaffung könnte Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation und die Fähigkeit von Unternehmen haben, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen.

Fazit

  • Die geforderten Maßnahmen basierend auf dem Begriff eines nicht vorhandenen „Dienstwagenprivilegs“ würden massive negative Auswirkungen auf Einkommensstrukturen Arbeitnehmern haben, den Kostendruck auf Unternehmen weiter steigern und gesamtwirtschaftlich zu hohen Steuerausfällen führen.
  • In der gesamten Diskussion sollte nicht vergessen werden, dass derzeit circa 60 bis 65 Prozent der Pkw-Neuzulassungen auf gewerbliche Halter entfallen. Eine Änderung der Versteuerung von Dienstwagen hätte auch empfindliche Folgen für die deutsche Autoindustrie und den Autohandel. Und dies in einer aktuell bereits schwierigen Phase in dieser Branche durch die notwendige Transformation hin zur Elektromobilität.
  • Insgesamt zeigt die Debatte um das Dienstwagenprivileg die Komplexität von steuerlichen Regelungen und ihre Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die individuelle Mobilität auf. Eine differenzierte Betrachtung und eine sachliche Diskussion sind entscheidend, um zielführende Lösungen zu finden.