Elektro-Mietwagen Oft gesucht, selten gebucht

Salesman with electric car charging station in the dealership Foto: RossandHelen

Elektrische Firmenwagen sind längst üblich, aber wie sieht’s bei E-Autos als Mietwagen aus? ­Sagen wir es so: Mietflotten sind auch schon ein bisschen elektrisch.

Wer E-Mobilität konsequent lebt, möchte auch beim Mietwagen kein Benzin oder Diesel mehr verfeuern. Doch so einfach geht’s nicht. Zwar haben nahezu alle Vermieter in Deutschland inzwischen Stromer im Angebot. Einen Überblick über Flottenanteile, die Nach­fragesituation oder die jeweilige Elektrostrategie geben aber die wenigsten Unternehmen. Sixt jedoch verblüffte jetzt die Branche mit der Ankündigung, in den nächsten sechs Jahren beim chinesischen Hersteller BYD 100.000 Stromer zu bestellen. Bereits in diesem Jahr sollen mehrere tausend BYD vom Typ Atto 3 europaweit zur Verfügung stehen.

Trotzdem, wer "Elektroauto mieten" googelt, erhält zwar über 1,1 Millionen Treffer. Auf ihren Websites bewerben die großen vier Vermieter Avis, Europcar, Hertz und Sixt die emis­sionsfreie Fahrt gegen Gebühr sehr offensiv. Nur: Die Chance, genau am gewünschten Tag an genau der gewünschten Station ein E-Auto zu bekommen, ist laut unseren Stichproben gering.

Wolfgang Neumann (c) Europcar Mobility Group Germany.jpg Foto: Europcar
"Mit einem Mietwagen können Sie nachhaltige Antriebe kennenlernen, ­ausprobieren und Berührungsängste abbauen." Wolfgang Neumann, Geschäftsführer Europcar

Gleichzeitig steigt die Nachfrage. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Buchungen ist sie aber laut den Vermietern immer noch sehr gering. Zum Ende des ersten Quartals 2022 habe der E-Auto-Anteil an den abgeschlossenen Mietverträgen 2,4 Prozent betragen, ist beim Vergleichsportal billiger-mietwagen.de nachzulesen. Vor der Corona­pandemie habe er schon bei fast zehn Prozent gelegen.

Europcar gehört zu den Unternehmen, die transparent über ihre Situation der E-Auto-Buchungen Auskunft geben. In der Deutschlandzentrale von Europas größtem Vermieter sieht man sich als "Schaufenster für Elektromobilität". Zum Beispiel gebe es immer mehr Kunden, die gern einen batteriegetriebenen Pkw testen wollten, ohne anschließend unmittelbar in ein Verkaufsgespräch verwickelt zu werden. "Bei uns können Sie nachhaltige Antriebstechnologien kennenlernen, ausprobieren und dadurch eventuell bestehende Berührungsängste abbauen", sagt Geschäftsführer Wolfgang Neumann.

Mehr E-Autos in Mietflotten

Da sich seinen Worten zufolge die Europcar Mobility Group "ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt" hat, soll der Anteil der rein elektrischen und Plug-in-­Hybridfahrzeuge an der Gesamtflotte von derzeit 15 Prozent bis 2024 auf 20 Prozent gesteigert werden. Ob das gelingt, liegt freilich nicht allein am guten Willen der Vermieter. Ebenso wie seine Wettbewerber hängt Europcar an den Kapazitäten der Hersteller. Dort waren in der Vergangenheit "Chipkrise" und "Lieferengpässe" bestimmende Vokabeln in der Kommunikation, was sich vermutlich auch in naher Zukunft nicht ändern wird.

Bauteile wie Kabelbäume oder Steuerungsmodule sind bekanntlich gerade für batteriegetriebene Pkw essenziell. Verknappungen bei Rohstoffen und Bauteilen haben zur Folge, dass nicht jede Bestellung eines Autovermieters zeitnah vom Hersteller erfüllt werden kann. Europcar, wo gegenwärtig E-Pkw und E-Transporter von Renault, Polestar, Audi und Mercedes zum Einsatz kommen, will das Markenportfolio auf jeden Fall verbreitern. "Unser Ziel ist es, den Anteil, den Elektroautos bei den Herstellern haben, langfristig abzubilden", sagt Geschäftsführer Neumann. "Aber wir würden gerne darüber hinausgehen."

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Avis möchte auf Fragen zu Anteil oder Auslastung von elektrifizierten Fahrzeugen lieber gar nicht erst antworten. Bei Hertz wird Allgemeinem der Vorzug vor Konkretem gegeben. "Aus Wettbewerbsgründen veröffentlicht Hertz außerhalb von börsenrelevanten Mitteilungen keine geschäftsrelevanten Zahlen", begründet Deutschlandgeschäftsführer Jan-Peter Ellerbrock diese Praxis. Lieferengpässe der Industrie fielen wegen langfristig angelegter strategischer Partnerschaften kaum ins Gewicht. Die Nachfrage nach der Erweiterung des E-Flotten-Angebots könne daher "weitgehend" bedient werden. Schulungen des Personals für die speziellen Anforderungen von E-Autos stellten sicher, "dass Hertz Marktführer in Know-how und Betrieb einer Flotte von E-Fahrzeugen" sei, so Ellerbrock.

Der Vermieter Sixt hatte nach eigenen Angaben Ende des ersten Halbjahres 2022 rund 14.000 elektrifizierte Fahrzeuge in der Flotte. Innerhalb von zwei Jahren habe sich damit der Bestand mehr als versechsfacht. Auch das in Pullach ansässige Familienunternehmen würde diese Zahl gern noch zügig erhöhen, jedoch könne das Angebot der Hersteller "aktuell noch nicht mit der Nachfrage Schritt halten". Trotzdem sollen E-Autos und Stromer bis Ende 2023 weltweit 12 bis 15 Prozent der Sixt-Flotte ausmachen. Zusätzlich will das Unternehmen 50 Millionen Euro für Lademöglichkeiten an den Mietwagenstationen ausgeben.

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Allen Anbietern gemein ist die Schulung von Mitarbeitern in Bezug auf die Eigenheiten von Elektro-Pkw, damit sie Kunden mit Erstkontakt zu dieser Antriebsart kompetent beraten können. Von zusätzlichem Personal, auch für Instandhaltung und Aufbereitung der Fahrzeuge, ist allerdings nirgends die Rede. Während Sixt und Hertz intensiv an einer eigenen Ladeinfrastruktur arbeiten, kooperiert Europcar mit Shell Recharge, um für Mietwagenkunden eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Auffüllpunkten für die Akkus zu gewährleisten.
Ob der Kunde eine App von Shell, EnBW, DKV oder einem anderem Stromanbieter verwendet, ist am Ende egal: Einen ­Vertrag braucht er, um zu laden und um das Auto nicht leer ­abzugeben.