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Flotten mit Elektroautos Pilotprojekte im Feldversuch

Elektroautos Flottenprojekte, Elektro-Showcars, Feldversuche, Allgäu Foto: Archiv 6 Bilder

Die Zeit der Elektro-Showcars ist vorbei. ecoFLEET zeigt fünf Projektbeispiele mit realen Autos und sauberem Strom.

Umweltschutz hat etwas sehr Pragmatisches. Jedenfalls dort, wo sich mit Tourismus Geld verdienen lässt. Ohne Natur keine Gäste, darin sind sich vom Biobauern bis zum Hotelier alle einig. Umweltschutz ist dann Wirtschaftspolitik und umgekehrt. So ist es auch in Deutschlands größter zusammenhängender Tourismusregion, dem Allgäu. Dass aber ausgerechnet hier ein Projekt zur Elektromobilität angelaufen ist, überrascht doch. Schließlich ist die topografische Lage anspruchsvoll. "eE-Tour Allgäu" heißt das Vorhaben, Probanden sind die Feriengäste. Diese können nun bei Tourismusinformationen und Hotels Elektroautos mieten, um damit die bekanntesten Ziele anzusteuern.

Das kann zum Beispiel im Fiat 500 geschehen, im Stromos oder in einem Elektro-SUV namens Luis. Damit sie auch am Ziel ankommen, wurde eine entsprechende Infrastruktur mit Ladesäulen errichtet. Das Prinzip: hinfahren, das Auto während des Aufenthalts laden, zurück zum Vermieter oder ins Hotel, wieder aufladen für den nächsten Tag. Der Mieter erhält neben dem Autoschlüssel eine Funkkarte, mit der er sich an der Ladestation eindeutig identifizieren kann, bevor er Strom tankt. Kooperationspartner für den Fall einer Panne ist der ADAC. Das mag ebenso beruhigend sein wie ein Reiseführer aus dem Merian-Verlag ("Auf E-Tour durchs Allgäu") mit Übersichtskarten zu Vermiet- und Ladestationen sowie den dazu nötigen Reichweiten. Zudem informiert ein Navisystem, wie weit oder wohin man mit dem Ladezustand noch kommt.

Es geht nicht nur um die Autos, sondern auch um das Verhalten ihrer Nutzer

Wenig mit Freizeit zu tun hat dagegen ein Projekt im Rhein-Neckar-Raum, dessen Partner ausschließlich die betriebliche Nutzung einer Elektroautoflotte testen. SAP und Energieversorger MVV integrieren 30 Stromos in ihre Firmenfuhrparks. Ziel ist weniger der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit der Autos als das Finden eines Systems zur intelligenteren Einsatzplanung. Erforscht wird, wie sich Mobilitätsmuster der Mitarbeiter mit den Reichweiten der Fahrzeuge abgleichen lassen. Die Autos sollen dann ganz gezielt nach Bedarf zugeteilt werden.

MVV liefert die Ladeinfrastruktur und SAP einen Softwareprototypen, der eben jenen Abgleich steuern soll. Zwei Forschungsinstitute befragen zudem die Nutzer zu ihren Mobilitätsanforderungen im Flottenalltag und werten die Ergebnisse aus. Die Hochschule Mannheim erforscht daneben die praktischen Probleme, die bei der Nutzung der Elektroautos im Firmenfuhrpark auftreten können. Ähnliche Versuche betreiben BMW, Siemens und die Stadtwerke München. Verschiedene Tester werden künftig mit 40 Mini E in München unterwegs sein, die ersten fahren seit September 2010.

Auf einer interaktiven Karte informieren die Stadtwerke über den Ausbau der Infrastruktur mit Ladestationen. Die Autos werden unter anderem in den Flotten vom Roten Kreuz, von Siemens und von den Stadtwerken fahren. Für BMW hat der Versuch auch einen ganz praktischen Nutzen. Die Erfahrungen fließen direkt in die Entwicklung des zukünftigen Megacity Vehicle (MCV) ein, einem Elektroauto, das 2013 auf den Markt kommt. Für die Nutzer also durchaus etwas Besonderes: "Die Fahrer des Mini E dürfen sich zurecht als Pioniere der Mobilität fühlen", so BMW-Entwicklungsvorstand Dr. Klaus Draeger.

Etwas beschaulicher als in München geht es in Saarbrücken zu. Unter Strom steht man jedoch auch hier. Spätestens nach jedem Blick rüber zum französischen Nachbarn, dessen Automobilindustrie die Elektromobilität auf der Agenda ganz nach oben gesetzt hat. Nun tut sich auch etwas bei den deutschen Organisationen der Hersteller. Schon im vergangenen Jahr hat Peugeot zwei Elektroautos vom Typ iOn an die Deutsche Bahn ausgeliefert. Die Autos sollen im Rahmen des Carsharing-Konzepts Flinkster für Kunden der Bahn am Saarbrücker Hauptbahnhof bereit stehen. Dort und an weiteren Standorten der Stadt werden Ladesäulen errichtet, auch zum Laden der ebenfalls eingesetzten Elektrofahrräder. Interessantes am Rande: Peugeot und die Bahn arbeiten künftig noch enger zusammen. Die Bahn-Tochter DB Energie und Peugeot Deutschland haben gerade ihre Kooperation bei der Markteinführung des iOn vertraglich fixiert.

"Es keine Frage mehr, ob sich die Elektromobilität durchsetzt – sondern nur noch wann"

DB Energie ist nicht irgendwer, sondern ein Großer der Branche. Etwa 1.650 Mitarbeiter erwirtschafteten zuletzt einen Jahresumsatz von rund 2,3 Milliarden Euro. Die Marktverhältnisse ändern sich. Standen früher Autoindustrie und Mineralölwirtschaft Seite an Seite, gewinnen die Energiekonzerne zunehmend an Bedeutung. Damit noch einmal zurück nach München: Dort wird Audi zusammen mit den Partnern Eon, der Technischen Universität München (TUM) und den Münchner Stadtwerken 20 Elektroautos vom Typ A1 e-tron auf die Straße bringen sowie 200 neue Ladestationen errichten. Das Projekt wird sich unter anderem mit der Datenübertragung zwischen Fahrer, Auto, Stromtankstelle und Netzbetreiber beschäftigen. Smartphones sollen als Schnittstellen dienen.

Die TUM erfasst dabei das Mobilitätsverhalten und wertet die von den Smartphone-Nutzern gelieferten Daten aus. Der Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TUM hat die spezielle Software dafür entwickelt. So erhofft man sich Antworten auf vor allem zwei Fragen: In welchen Situationen setzen die Nutzer ihr Elektroauto ein? Welchen Einfluss hat das auf die Verwendung anderer Verkehrsmittel? Parallel dazu erstellt der Lehrstuhl für Marketing eine Studie, die aufzeigen soll, welche Abrechnungsmodelle für den Autostrom die Kunden am ehesten akzeptieren.

TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann sieht in der Elektromobilität mittlerweile einen Paradigmenwechsel für Industrie und Gesellschaft: "Aus Sicht der Forschung ist es keine Frage mehr, ob sich die Elektromobilität durchsetzt – sondern nur noch wann." Es dürfte um so schneller gehen, je höher die Akzeptanz in der Bevölkerung ist. Eine Zusage machen daher alle Betreiber der genannten Projekte: Der benötigte Strom stammt aus regenerativen Quellen. Ansonsten, so ist man sich nicht nur im schönen Allgäu sicher, wäre das Ganze auch wenig sinnvoll.