Ford Mustang Mach-E AWD LR (2021) im Test Power-Pony für die Langstrecke

Foto: Immanuel Schneeberger 16 Bilder

Der neue Ford Mustang Mach-E soll beweisen, das E-Autos auch auf Reisen Spaß bereiten können. Ein Riesen-Akku soll für viel Reichweite sorgen, der Preis ist attraktiv. Das richtige Auto für den Fuhrpark?

Ein springendes Pferd auf der Motorhaube – unter Autofans der Inbegriff für bollernden V8-Sound und flache Ami-Schlitten. Und ganz sicher nicht für einen Dienstwagen. Doch das hier etwas anders ist, wird schon beim ersten Blick auf den neuen Ford Mustang Mach-E klar. 1,62 Meter Höhe: So hoch wollte noch kein Mustang jemals hinaus. Also schnell rein, den Motor starten. Doch wir scheitern schon bei der Suche nach den Türgriffen. Wie macht das die Feuerwehr bei einem Unfall? Auf Knopfdruck springt die Tür einen Spalt auf, wenn der Schlüssel in der Hosentasche ist. Oder das mit dem Auto verknüpfte Smartphone. Wer beides vergessen hat, hat noch nicht verloren, denn dann als Notlösung kann man auch einen Pincode eingeben.

Damit lässt sich der neue Mustang auch starten, wobei dann natürlich erst einmal gar nichts passiert. Nur der riesige 39-Zentimeter-Touchscreen leuchtet auf, das breite Instrumentendisplay ebenso, das war‘s. Eben typisch E-Auto. Der Mustang ist in der Moderne angekommen, als SUV und elektrisch, ganz dem Trend entsprechend. Für ihn hat Ford eine neue Plattform entwickelt, Edison genannt. Die hohe Sitzposition kommt durch den Akku, bis zu 98,7 kWh verbergen sich im Unterboden. Eine kleinere Variante bietet noch 76 kWh. Unser Testwagen kommt mit der großen Batterie, nutzt davon für bessere Langzeithaltbarkeit aber nur 88 kWh.

Schwerer Brocken, geht gut um die Kurve

Wir wählen per Drehschalter D und fahren los. Es sirrt futuristisch aus Lautsprechern, über Tempo 30 überwiegt dann Stille. Und man ist schnell über Tempo 30. 346 PS, 580 Nm, Elektromotoren vorn und hinten. Das reicht, um 2,2 Tonnen sehr zügig zu bewegen. So viel wiegt der neue Mustang nämlich. An besonders ausladenden Dimensionen liegt es nicht, 4,71 Meter Länge und 1,88 Breite sind normale Mittelklasse-Maße. Das merken wir auch auf der Landstraße, wo das Gewicht nicht so sehr auffällt. Der Mach-E wirft sich ins Kurvengetümmel, drückt beim Herausbeschleunigen mit dem Heck und beschwert sich im Riesen-Display über die unökonomische Fahrweise. So wird das nichts mit der Normreichweite von 540 Kilometern. Hätten wir nur den serienmäßigen Hinterradantrieb, wären es sogar 610.

So oder so, die Norm ist nicht der Alltag, und ein Mustang ist nie die Norm. Bei winterlichen Temperaturen sind immerhin über 300 Kilometer drin. Selbst bei E-Auto-unfreundlichen 140 km/h auf der Autobahn, Dauerregen und zwei Grad Außentemperatur sowie molligen 22 Grad im Auto. Auch die Sitzheizung zieht Strom, wer will schon frieren?

Um den Abstand zum Vordermann müssen wir uns ebenso wenig kümmern wie um die Lenkung, denn die serienmäßigen Assistenzsysteme funktionieren gut. Per Knopfdruck lässt sich der Mach-E zum Ein-Pedal-Fahren einstellen und die E-Maschine verzögert bis zum Stillstand. So hat das Bremspedal Urlaub.

Auf der Langstrecke fielen zwei Dinge auf: Das Glasdach bietet tolle Aussichten, macht aber Lärm in Form von Windgeräuschen. Wer das nicht will, spart mindestens 2.500 Euro (alle Preise netto). Und das Fahrwerk macht zwar in Kurven mit wenig Seitenneigung Freude, hält die Karosserie dafür aber in einer steten Unruhe. Die straffe Dämpfung soll wohl das hohe Gewicht kaschieren.

Geräumiger Innenraum, gelungenes Infotainment

Foto: Immanuel Schneeberger

Wir sitzen derweil bequem auf Kunstledersitzen, genießen die gute Übersicht nach vorn und freuen uns darüber, dass das Smartphone ohne Kabel per Android Auto (oder Apple Car Play) koppelt. Der große Touchscreen hat Ablenkungspotenzial, ein paar Knöpfe hätten nicht geschadet. Immerhin sind die Menüs sehr logisch aufgebaut, die Sprachbedienung hört aufs Wort (und auf „Ok, Ford“), die Reichweitenanzeige ist ultragenau und bezieht die berechnete Route mit ein. Nötige Ladestopps berechnet die von Garmin gelieferte Navigation mit Tomtom-Livedaten (1 Jahr kostenfrei) gleich ein.

Foto: Immanuel Schneeberger

Apropos Praxistauglichkeit: Auf allen Plätzen bleibt genügend Bewegungsfreiheit. Eine Anhängekupplung gibt es im Zubehör, 30 Kilo Stütz- und 750 kg Anhängelast sind zwar nicht so doll, aber ein Fahrradträger darf laut Bedienungsanleitung immerhin mit 75 kg drücken. Und der Kofferraum packt mehr weg, als 402 bis 1.420 Liter vermuten lassen. Bei umgelegten Sitzen misst die Ladefläche knapp 1,80 Meter, und damit passt auch mal ein Fahrrad rein.

Damit wir das nicht zum Erreichen des Ziels brauchen, fahren wir an die Ladesäule. Dort zeigt sich die wahre Langstreckentauglichkeit eines E-Autos. Der Mach-E macht da erstmal einiges richtig: Mit 150 Kilowatt lädt der große Akku maximal, 45 Minuten dauert es von zehn auf 80 Prozent Akkustand. Wenn man nicht schneller als 110 fährt und etwas friert (oder im Sommer), sollte ein voller Akku für weit über 400 Kilometer reichen. Nur bis er richtig voll ist, dauert es dann doch. Pünktlich bei Erreichen der 80 Prozent fällt die Ladegeschwindigkeit von knapp 100 kW auf sagenhafte zwölf kW ab. Auf Langstrecken ist es also wirklich sinnvoll, nur den Bereich zwischen zehn und 80 Prozent Akku zu nutzen.

Das ist mit kleinem wie mit großem Akku so, weswegen die häufigsten Strecken im Einsatzprofil über die Akkugröße entscheiden. Und der Geldbeutel. Los geht es bei 39.412 Euro für Hinterradantrieb, 269 PS und 76-kWh-Akku. 22 kWh mehr kosten 6.400 Euro und bringen zudem 21 PS mehr. Die getestete Topversion mit Allrad verlangt nach 52.857 Euro – serienmäßig mit allem außer Bang & Olufsen Sound (empfehlenswert, 1.681 Euro), Glasdach und Metalliclack. Alle Preise vor Abzug der Umweltprämie in Höhe von 7.500 Euro (9.000 Euro für die Einstiegsversion). Das ist auch im Vergleich zur Konkurrenz recht günstig. Der Mercedes EQC kostet mindestens 59.900 Euro, ein BMW iX3 55.715, und Teslas Model Y mit Hinterradantrieb kommt auf 49.200 Euro. Alle drei schaffen deutlich weniger Reichweite als der Ford. Wenn das mal kein Argument für einen Mustang als Dienstwagen ist.

Testverbrauch

Testwagen: Ford Mustang Mach-E AWD mit 98,7 kWh-Akku inkl. Glasdach und B&O Sound.

Foto: Immanuel Schneeberger

Testverbrauch von 24,6 kWh bis 29,8 kWh auf 1.400 Kilometern, Durchschnittsverbrauch 27,3 kWh/100 km. Auf unserer firmenauto-Normrunde (200 km) 28,4 kWh/100 km. Temperaturen zwischen zwischen null und zehn Grad, häufig Regen. Alle Verbrauchsangaben brutto: Wir geben an, wieviel Strom wir tatsächlich nachladen, da der am Ende auch zu bezahlen ist. Ladeverluste sind also in den Verbrauchsangaben enthalten.

Längste Strecke mit einer Ladung: 372 Kilometer

Ladekurve Ford Mustang Mach-E: Am schnellsten konnten wir bei Ionity laden. Wir starteten mit Akkustand 7 Prozent, 80 Prozent waren nach 44 Minuten erreicht. Außentemperatur dabei: 11 Grad Celsius. Zuvor gefahrene Strecke: 125 Kilometer. An einer Ionity Ladesäule (Leistung 300 kW) begann die Ladung mit 90 kW, maximal erreichten wir 122 kW Ladeleistung nach sieben Minuten bei Akkustand 20 Prozent. Bis Akkustand 37 Prozent blieb die Ladeleistung über 100 kW, danach sank sie bis Akkustand 80 Prozent langsam bis auf 74 kW ab. Bei Erreichen von 80 Prozent sank die Ladeleistung schlagartig auf 12 bis 14 kW und blieb dort. Ein Versuch an einer EnBW Ladesäule (150 kW) brachte ähnliche Zahlen, bei einer Ladung von 40 auf 80 Prozent bei Ionity lud der Mustang Mach-E bis zum Erreichen von 80 Prozent mit über 90 kW, jedoch nie über 100 kW.

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