Halterhaftung Flottenchefs leben gefährlich

Foto: Mannchen, Götz

Fuhrparkleiter, die ihre Pflichten nicht ernst nehmen, müssen mit straf- und zivilrechtlichen Folgen rechnen.

Der Abgasskandal bei Volkswagen zeigt in dramatischer Weise, wie risikoreich das Arbeiten für Geschäftsführer und Vorstände heutzutage ist. Noch ist unklar, wer wann was gewusst hat und wer haften muss. Eines steht jedoch auf jeden Fall fest: Das Compliance-System bei VW hat versagt. Auch die meisten Unternehmen mit einem Fuhrpark haben heute ein solches Regelwerk. Es ist längst Einfalltor für die Haftung der Geschäftsführung geworden, wenn untergeordnete Mitarbeiter schwere Fehler begehen und es zu Schäden oder strafrechtlicher Verfolgung kommt.

"Dem Geschäftsführer könnte dann ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden", sagt der Münchener Rechtsanwalt Christian Terno. Daher kann die Geschäftsleitung bei Compliance-Verstößen ihrer Flottenmanager selbst dann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie hinsichtlich ihrer Halterpflichten eigentlich alles richtig gemacht hat und diese wirksam auf einen Fuhrparkleiter übertragen hat. Daher ist die schriftliche Übertragung dieser Pflichten an eine "zuverlässige, sachkundige Person" kein Garant mehr, dass die Unternehmensführung nicht in die Haftung gerät

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Manager können meist glaubhaft versichern, von nichts gewusst zu haben.  Das schützt aber nicht vor Strafe, weil das Unternehmen nicht gut genug organisiert und beaufsichtigt wurde. Schließlich ­wäre es sonst nicht zu Gesetzesverstößen auf den unteren Ebenen gekommen.

Bekanntlich drohen Fuhrparkmanagern und Geschäftsführung neben der zivilrechtlichen Haftung ordnungs- und strafrechtliche Konsequenzen, wenn sie ihren Pflichten nicht ausreichend nachkommen. Ein Klassiker ist das Fahren ohne Führerschein mit gleichzeitigem Unfallschaden.

"Insgesamt ist die sogenannte Organhaftung in den letzten Jahren deutlich schärfer geworden", warnt Terno. Natürlich kann man dem Risiko mit Schulungen und regelmäßigen Hinweisen vermindern. Doch ein Restrisiko bleibt. "Bereits eine anonyme Anzeige genügt und schon steckt der Unternehmer in polizeilichen oder staatsanwaltlichen Ermittlungen fest", erklärt Versicherungsmakler Olaf Seik.

Dagegen kann sich das Unternehmen   mit einer Firmenrechtsschutzversicherung schützen. Eingeschlossen werden sollte der erweiterte Strafrechtschutz. Dann sind Delikte erst einmal mitversichert, die laut Anklage vorsätzlich begangen wurden. Dies gilt so lange, bis ein rechtskräftiges Gerichtsurteil vorliegt, welche die Vorsätzlichkeit der Straftat belegt. "Generell soll der Spezial-Strafrecht schutz dazu dienen, Strafverfahren möglichst frühzeitig zu beenden", heißt es beim Maklerpool Blau Direkt. Wird das Geld vorgestreckt, um zum Beispiel ein Gutachten zu bezahlen, kann sich das positiv auf ein späteres Urteil auswirken.

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So können Unternehmen die Schäden, die ihnen die Manager durch fehlerhaftes Handeln zufügen, absichern. Für ihre Geschäftsführer oder Vorstände kann das Unternehmen die sogenannte "Directors and Officers"-Versicherung, kurz D&O-Police genannt, abschließen. Die Prämie zahlt das Unternehmen. Handelt nun ein Manager zum Schaden der Firma grob fahrlässig, gibt es eine sogenannte Innenhaftung. Das heißt, der Manager muss für den Schaden mit seinem Vermögen geradestehen. An dieser Stelle springt dann der D&O-Schutz ein und zahlt den Schaden. Das ist in Großunternehmen üblich, VW soll 500 Millionen Euro Deckung haben. Doch die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen sparen sich die Versicherung.

Nach einer Studie der Gothaer Versicherung, die im November 2015 veröffentlicht wurde, haben nur 19 Prozent der KMUs eine D&O-Versicherung zur Risikominimierung eingedeckt. Aktuell dürften die Prämien nach Einschätzung von Experten noch günstig sein. Mittelfristig könnte sich das ändern. Absichern kann das Unternehmen selbst vorsätzliche Schäden durch eigene Mitarbeiter. Diese Versicherung heißt Vertrauensschadenversicherung (VSV). Sie zahlt beim Griff in die Kasse oder wenn ein Mitarbeiter das EDV-System manipuliert. "Ich rate zu prüfen, in welcher Weise D&O-Schutz, Vertrauensschaden- und Firmenrechtschutz zu einem Paket geschnürt werden können", sagt Terno.

Einige Versicherer bieten heute schon Kombipakete an. Der Vorteil: Fliegt ein betrügerischer Mitarbeiter auf, der etwa mit Scheinrechnung das Unternehmen geschädigt hat, muss entweder die VSV zahlen oder die D&O-Sicherung greift, falls der Manager tatsächlich den Betrug durch lasches Aufsichtsmanagement grob fahrlässig gefördert hat. Ganz wichtig: VSV-Schäden können relativ schnell abgewickelt  werden, während bei Managementfehlern viel Zeit verstreicht. So rechnet laut Terno die erste Kanzlei in den USA, die von VW für die juristische Abwicklung des Abgasskandals eingeschaltet wurde, mit Kosten von 75 Millionen Euro. Mittlerweile soll der Autokonzern mit dieser Sache drei Kanzleien beauftragt haben.

Compliance-Regeln - Auch für Fuhrparkmanager gültig

Compliance steht für das Einhalten von Verhaltensregeln, Vorschriften und Gesetzen. Das soll in Unternehmen dafür sorgen, dass sich alle Mitarbeiter regelkonform verhalten, also auch der Fuhrparkmanager, wenn er beispielsweise für die Führerscheinkontrolle zuständig ist. Dafür verantwortlich sind laut OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) das Unternehmen und deren Geschäftsführung oder Vorstand. Werden entsprechende Organisations- und Aufsichtsmaßnahmen nicht ergriffen, können die Verantwortlichen zu Strafen verurteilt werden.