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Induktives Laden Wie es funktioniert und wann es in Serie geht

Foto: Tom Kirkpatrick

Elektroautos sollen künftig kabellos Strom tanken. Doch bis das induktive Laden klappt, müssen noch ein paar Dinge geklärt werden.

Das E-Auto zu laden kann ganz schön nerven. Besonders den Vielfahrer. Wer keine Garage hat, muss das Kabel täglich bei Wind und Wetter rausholen, um Strom zu zapfen. Dabei ginge das doch einfacher: kabellos. Was bei Smartphones und elektrischen Zahnbürsten schon längst möglich ist, soll sich auch bei Elektroautos durchsetzen: kabelloses Laden mithilfe von induktiver Energieübertragung. Nerviges Strippenziehen hätte ein Ende und das Bordkabel übernimmt bestenfalls noch die Ladefunktion in der Not, sozusagen als elektrischer Reservekanister im Kofferraum.

Noch ist das allerdings Zukunfts­musik, aber die Autohersteller arbeiten intensiv an der Serienreife. Die Idee ist bei allen die gleiche: Über ein magnetisches Wechselfeld lädt sich der Akku von selbst auf. Die so­genannte Primärspule befindet sich dabei im Boden, während eine weitere Spule direkt unter dem Fahrzeug angebracht ist. Sobald der Fahrer sein E-Auto auf diesem Abschnitt parkt, beginnt der Ladevorgang automatisch.
"Das induktive Laden ist die Killerapplikation für diesen Antrieb", ist sich Thomas Nindl sicher. Er ist Direktor einer Sparte des kalifornischen Chip-Herstellers Qualcomm, die der Elektromobilität entscheidend zu ihrem Durchbruch verhelfen soll

Fremdkörper im Magnetfeld werden automatisch erkannt

Um effizient zu laden, muss das Fahrzeug allerdings sehr genau über dem Ladefeld positioniert sein, damit beide Spulen exakt übereinander liegen. Schon ein kleiner
Versatz wirkt sich negativ auf Wirkungsgrad und Ladeleistung aus. Der Fahrer oder etwa ein automatisiertes Parksystem in dem Fahrzeug muss also das E-Auto präzise abstellen.
Wie aber sieht es mit der Sicherheit aus? Was geschieht, wenn Kinder oder Kleintiere zwischen das Magnetfeld geraten? Nichts, versprechen die Hersteller, und auch Nindl winkt ab. "Das haben wir heute total im Griff." Radarsensoren und Metalldetektoren in der Bodenplatte erkennen zuverlässig jeden Fremdkörper im Bereich der Ladezone – und schalten in Millisekunden den Stromfluss ab. Rechtzeitig, bevor etwa ein metallischer Joghurtdeckel rotglühend heiß werden würde und umliegendes Laub entfacht. Auch dafür, dass die Fahrzeuge die Bodenplatte optimal anfahren, hat Qualcomm längst die passende App entwickelt.

Jedenfalls kommen mit den Plug-in-Versionen von Audi A8, Mercedes S-Klasse und BMW 5er erste Fahrzeuge, die das Laden nach Art der elektrischen Zahnbürste beherrschen. Doch deren Technik ist nicht das Ziel der Qualcomm-Ingenieure – weil die Lade­platten und das Gegenstück im Auto eben nur mit diesem Modell funktionieren würden. »Wir wollen den Standard für alle«, so Nindl. Und mit dem sei frühestens 2020 zu rechnen.

Auch Renault arbeitet am induktiven Laden. Allerdings soll das Auto den Strom nicht im Stand, sondern während der Fahrt zapfen. Als Partner haben sich die Franzosen ebenfalls Qualcomm sowie Vedecom ausgesucht. Gemeinsam entwickelten sie eine Technik mit einem speziellen Straßenbelag und passender Fahrzeugaus­rüstung. Damit können E-Autos sogar bei Tempo 100 ihre Akkus laden. Die Ladeleistung soll bis zu 20 kW betragen und damit fast auf dem Niveau einer Schnellladesäule liegen. Aktuell gibt es nur eine 100 Meter lange Versuchsstrecke in Versailles, in Kürze sollen die Tests jedoch ausgeweitet werden

Irgendwann suchen sich E-Autos ihre Ladepunkte selbst

Auf lange Sicht könnte die Ladetechnik weitere Möglichkeiten eröffnen: mit dem autonomem Fahren. Dann sucht sich das Elektroauto mit halb leerem Akku im Parkhaus nicht nur selbstständig einen freien Platz, sondern stellt sich dort ab, wo es laden kann. Sobald die Batterie voll ist, parkt das Auto von allein um und gibt die Ladestelle frei. Der Fahrer selbst muss das Parkhaus gar nicht betreten. Er lässt den Wagen einfach per Smartphone-App vorfahren.

"Wenn sich die Technik durchgesetzt hat, wird ein Auto dann vier-, fünfmal am Tag induktiv nachgeladen. Der Fahrer sieht nur den grünen Balken für den optimalen Zustand von 60 bis 70 Prozent Akkufüllung", erläutert Thomas Nindl. Lediglich bei der Langstrecke müsste er noch zwi­schen­laden, mit einem Supercharger entlang der Autobahn beispielsweise. Wer jedoch keine Langstrecken fährt, braucht kein Fahrzeug mit Monsterbatterie, um immer genügend Reichweite für den Heimweg zu haben. Und das bedeutet: Die Elektro­autos mit kleineren Batterien werden billiger. Ein kleiner Haken bleibt allerdings: Bis das induktive Laden flächendeckend steht, wird wohl noch ein Jahrzehnt ins Land gehen.

So lädt der 5er BMW kabellos

Der BMW 530e iPerformance soll ab 2018 kabellos laden. Eine etwa 40 Kilogramm schwere Bodenplatte mit integrierter Primärspule wird ans Stromnetz angeschlossen und in der Garage oder auch im Freien installiert. Die Stromzufuhr kann über eine normale Haushaltssteckdose oder für schnelleres Laden bis zu 3,2 kW auch über einen Drehstromanschluss erfolgen. Eine vier Kilogramm schwere Sekundärspule zur Stromaufnahme ist vorn am Unterboden des BMW angebracht. Ein magnetisches Wechselfeld überträgt die elektrische Energie kabellos. Die 9,2 kWh große Batterie des BMW wäre mit Drehstrom in 3,5 Stunden, mit üblichem Haushaltsstrom in etwa fünf Stunden aufgeladen. So funktioniert’s: Der Fahrer peilt die Bodenplatte an, sodass sie mittig zwischen den Vorderrädern liegt. Bei der Anfahrt wird er durch Lenkaufforderungen im Display unterstützt. Ähnlich wie beim Rückwärtsfahren zeigen grüne Linien den Kurs an. Sobald das Auto exakt über der Bodenplatte steht, signalisiert ein von blau nach grün wechselnder Punkt, dass der Ladevorgang beginnt.