In Zeiten, in denen viele Menschen aufs eigene Auto verzichten, ist die Kreativität der Hersteller gefragt. BMW, Daimler und Peugeot zum Beispiel betreten mit ihren Mobilitätskonzepten Neuland.
Für unsereins sind die Zeiten des Bobby-Cars längst passé. Wären wir alle eineinhalb Jahre alt, würde purer Besitzanspruch unser Denken prägen: "Mein Spielzeug, lass bloß die Finger davon!" Als vernunftorientierte Erwachsene aber gewöhnen wir uns mittlerweile mehr und mehr das eigene Auto ab. Statussymbol war gestern, wegen ökologischer oder ökonomischer Zwänge ist immer öfter Teilen angesagt. Carsharing erfreut sich wachsender Beliebtheit, was natürlich auch den Automobilherstellern nicht entgeht.
Daimler expandiert mit Car2go von Ulm nach Hamburg
So kann man es nur als logische Konsequenz bezeichnen, dass sie ein Stück vom Kuchen abhaben wollen und ebenfalls auf den Markt der alternativen Mobilitätsangebote drängen. Den Anfang machte Daimler Ende 2008 in Ulm mit Car2go. In der schwäbischen Stadt an der Donau stehen mittlerweile 300 Smart Fortwo bereit, von jedermann zu jeder Zeit gemietet zu werden. Keine monatliche Grundgebühr, keine Vertragsbindung, keine Mindestmietdauer. Nicht einmal feste Stellplätze schreibt Daimler vor, Kunden können die Autos auf beliebigen öffentlichen Abstellflächen parken. Und sie müssen sich im Grunde nur einen Tarif merken: 19 Cent die Minute, maximal 9,90 Euro pro Stunde. Also kommt man relativ bequem ohne Bus und Bahn aus, wie es unter anderem in einem Car2go-Werbespruch heißt.
Genau das ruft allerdings den Carsharing- Bundesverband auf den Plan, der bei Daimlers Konzept die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr vermisst, ihm wegen der Flatrate-Tarife gar vorwirft, zusätzlichen Autoverkehr zu generieren. Kurzum, Car2go sei kein Carsharing. "Das Konzept steht nicht in Konkurrenz zu anderen Veraufskehrsmitteln", verteidigt Car2go-Geschäftsführer Robert Heinrich. Man wolle weder den öffentlichen Nahverkehr, Taxis oder Fahrräder verdrängen, sehe sich vielmehr als Teilchen im Mobilitätspuzzle. Nach Angaben von Daimler finden jedenfalls mehr als 20.000 Ulmer das Angebot so gut, dass sie es regelmäßig nutzen. Darunter etliche Firmenkunden. Nachdem man das Konzept bereits nach Austin/Texas exportiert hat, expandiert Car2go im kommenden Frühjahr nach Hamburg. In Kooperation mit dem Autovermieter Europcar werden auch dort 300 Smart zum Mieten bereitstehen.
Mu by Peugeot für die junge Berliner Zielgruppe
Mittlerweile gibt es eine Car2go-Edition des Minis, die unter anderem mit Start-Stopp, Telematik-Einheit, Touchscreen und Solardach aufwartet. Während Daimler auf ein Modell setzt, will Peugeot mit Vielfalt punkten und hat vor allem junge Erwachsene zwischen 18 und 29 im Visier. Da diese Altersgruppe laut Kraftfahrtbundesamt 2009 nur noch sieben Prozent der Neuwagenkäufer stellte, legte der französische Hersteller das Programm "Mu by Peugeot" (mü gesprochen) auf. Bereits in den französischen Städten Brest, Nantes, Lyon und Paris erprobt, können Mobilitätsbedürftige seit Mitte des Jahres in Berlin via Online-Konto ihren Bedarf anmelden – an vier Standorten in der Stadt bekommen sie ihre Wünsche erfüllt. Dabei beschränkt sich das Angebot nicht aufs reine Fortkommen, neben Fährrädern, Rollern und sämtlichen Automodellen können Mü-Teilnehmer auch praktisches Equipment wie Schneeketten oder Dachboxen ausleihen.
Laut Peugeot kostet ein Fahrrad fünf, ein Kleinwagen 50 Euro am Tag. In Kürze soll bei Mu auch der elektrische City-Flitzer iOn zu haben sein. "Wir rechnen damit, dass der Start des iOn im Rahmen von Mu by Peugeot Neugier auf Elektromobilität wecken wird", sagt Oliver Kurtz, Direktor Strategische Planung bei Peugeot Deutschland. In den kommenden Monaten will der französische Hersteller in weiteren deutschen Großstädten mit Mu an den Start gehen. Übrigens: in Berlin kooperiert Peugeot mit den Verkehrsbetrieben – Jahreskarteninhaber erhalten einen Online- Zugang inklusive Startguthaben.
Carsharing für gehobene Ansprüche: BMW on Demand in München
Dass jede Stadt anders tickt, was das Verkehrsverhalten seiner Bewohner betrifft, hat das Institut für Mobilitätsforschung (Ifmo) herausgefunden. Die Forschungseinrichtung der BMW Group untersuchte die speziellen Anforderungen von Großstädten. Fazit: Unterschiedliche Mobilitätskulturen erfordern regional- beziehungsweise stadtspezifische Ansätze.
Seit Oktober gibt es in München BMW on Demand. Zwar will man in der bayerischen Metropole auch ein breites Publikum ansprechen, richtet sich allerdings gemäß des Premiumanspruchs der Marke doch eher an dickere Geldbeutel. Denn das Prinzip besteht darin, gut ausgestattete Autos der gesamten Modellpalette stundenweise zu vermieten. Wer also beispielsweise zum Termin mit einem wichtigen Kunden gern im 5er vorfahren möchte, kann online ein Fahrzeug reservieren, sich dabei Farbe und Ausstattung aussuchen. Die Crux: Er muss in die in die BMW Welt direkt neben dem Werk tingeln, um seine Limousine in Empfang zu nehmen. Kostenpunkt: 23 Euro für 60 Minuten, zuzüglich der Tankrechnung. Sollte das Meeting länger dauern als geplant, geht die Firma deswegen aber nicht bankrott, BMW deckelt den Tagestarif bei maximal vier Stunden und berechnet im Abendtarif zwischen 18 und neun Uhr nur 120 Minuten.
BMW on Demand läuft zunächst als Pilot für zwölf Monate, bei regem Interesse der Münchener will der Hersteller zusätzliche Standorte eröffnen. Auf weitere Ideen anderer Hersteller, uns das Auto-Teilen schmackhaft zu machen, darf man gespannt sein. In Paris steht kommendes Jahr das größte aller Projekte in den Startlöchern: Ab Sommer sollen 3.000 Elektrofahrzeuge an 700 Stationen das dortige Verkehrschaos entschärfen – mehrere Autohersteller sind beteiligt.