MPU Was beim Idiotentest wirklich passiert

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Fast 95.000 Führerscheinbesitzer müssen jährlich zur Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU). Redakteur Andreas Wolf wagte einen Selbstversuch.

Allein die korrekte Bezeichnung für den grauen Kasten mit den fünf farbigen Tasten und den beiden Pedalen flößt Respekt ein: "Wiener Determinationsgerät" lautet sie im Fachjargon. Wird dieser Apparat jetzt innerhalb weniger Minuten entscheiden, ob man mich mit gutem Gewissen überhaupt ans Steuer eines Fahrzeugs lassen kann? "Ganz so einfach ist es nicht", sagt Axel Uhle, Verkehrspsychologe und Mitglied der Geschäftsführung bei TÜV Süd Pluspunkt in Stuttgart.

Der TÜV Süd hat Redaktionskollegen von Zeitungen und Zeitschriften zum Selbstversuch geladen. Sinn der Aktion: Missverständnisse rund um die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) aus der Welt zu schaffen. Die MPU gliedert sich in drei Teile: Einem Reaktionstest am Computer, einer medizinischen Untersuchung und einem psychologischen Gespräch. Der graue Kasten gehört zum Reaktionstest.

Alkoholauffälligkeit ist der häufigste Grund für eine MPU

94.819 Personen mussten sich laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Jahr 2013 im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) begutachten lassen. Rund 57 Prozent aller begutachteten Personen wurden als "geeignet" beurteilt, knapp 36 Prozent als "ungeeignet" und etwa sieben Prozent als "nachschulungsfähig".  Mit 47.418 Untersuchungen, und damit über der Hälfte aller Begutachtungen, war Alkoholauffälligkeit der häufigste Grund für die MPU. Grundsätzlich scheint die Sache mit der MPU ein Männer-spezifisches Problem zu sein: Der Frauenanteil liegt seit Jahren unter zehn Prozent.

"Was schätzen Sie, wie viel ein 80-Kilo-Mann trinken muss, um auf 1,6 Promille zu kommen?", will Verkehrspsychologe Thomas Wagenpfeil, der für den TÜV Süd arbeitet, wissen. Sind es drei Halbe Bier, eine Flasche Wein oder sechs Halbe Bier? Der rechnerische Durchschnittswert, um diesen Pegel innerhalb von fünf Stunden zu erreichen, liegt bei acht Halbe Bier, also vier Liter oder 24 Schnäpse à zwei Zentiliter.

Theorie ist das eine, die Praxis das andere. Ich beginne mit dem Reaktionstest – zuerst einmal nüchtern. Nach einer kurzen Aufwärmphase geht es los: Mit Händen und Füßen muss ich auf optische und akustische Reize reagieren. Auf dem Bildschirm leuchten nach dem Zufallsprinzip farbige Felder auf, dazwischen kommen hohe und tiefe Töne. Jedes Signal verlangt eine, den jeweiligen Tasten und Pedalen zugeordnete Reaktion. Eine simple Aufgabe, denke ich zuerst, sie wird aber mit zunehmender Zahl und höherem Tempo der Signalabfolge anspruchsvoller. Dennoch heißt das Ergebnis: Test bestanden.

Wer mit 1,6 Promille keine Ausfälle zeigt, hat ein Problem

Drei Gläser schweren Rotweins (innerhalb von knapp 30 Minuten) und 50 Minuten später überreicht mir eine Mitarbeiterin des TÜV Süd das Mundstück zum Alcotest: Das Gerät zeigt einen Wert von genau 0,5 an (männlich, 73 Kg). Der graue Kasten kommt erneut zum Einsatz. Das Ergebnis: Test ohne Fehler und mit nahezu denselben Reaktionszeiten bestanden. Ich denke an Mr. Spock aus Star Trek: "Faszinierend". Wer mit Alkohol im Verkehr auffällt, sollte sich über ein solches Ergebnis aber nicht zu sehr freuen: "Bei 0,5 Promille ist das nicht außergewöhnlich, wer mit 1,6 Promille im Blut keine Ausfallserscheinungen zeigt, ist sicherlich trinkgewöhnt", sagt Axel Uhle.

Inzwischen ist der Geräuschpegel in den Räumen des TÜV Süd höher, laute Gespräche und Gelächter – der Alkohol wirkt, so scheint es. Weitere 40 Minuten und ein zusätzliches Gas Rotwein später blase ich erneut ins Röhrchen. Jetzt sind es genau 0,65 Promille auf dem ­Alcomat. Mein dritter Durchlauf am Testgerät, ich nenne es inzwischen "Terminator", steht an. Ich fühle mich deutlich alkoholisiert, das war allerdings auch schon bei 0,5 Promille so. Beim Test kommen meine Reaktionen deutlich verzögert. Zudem reagiere ich ein paar Mal falsch auf den hohen und tiefen Ton. Ergebnis: nicht bestanden. Eine interessante Erfahrung.

Akkreditierte und zertifizierte Kurse helfen

Um den Führerschein schnell wieder zu bekommen, ist es wichtig, sich schnell zu informieren und mit der Vorbereitung zu beginnen. Betroffene, die sich das nicht zutrauen, können sich von zertifizierten, akkreditierten Stellen bei Dekra und TÜV beraten lassen. Mit Vorsicht zu genießen sind Crashkurse, Kurse mit "Geld-zurück-Garantie" oder "100-Prozent-Chance". Solide Anbieter legen Leistungen und Kosten offen, diese liegen zwischen 700 bis 1.000 Euro. Hinzu kommen die Gebühren für eventuelle Haaranalysen, Urinproben oder Blutuntersuchungen. Die Kosten der MPU sind durch die Gebühren-ordnung geregelt und liegen je nach Untersuchung zwischen 370 und 800 Euro. Kernstück der MPU ist das etwa einstündige Gespräch mit einem Verkehrspsychologen. "Der Psychologe beurteilt vor allem, ob der Fahrer das eigene Fehlverhalten einsieht, sich mit den Ursachen auseinandergesetzt hat und aktiv die richtigen Konsequenzen zieht, also sein Verhalten dauerhaft ändert", erklärt Psychologe Axel Uhle.

Hier finden Sie Unterstützung

Ist der Führerschein eingezogen, muss er bei der zuständigen Verwaltungsbehörde neu beantragt werden. Diese Behörde entscheidet anhand der Fahrerlaubnisverordnung, ob vorher eine MPU notwendig ist. Gründe dafür könnten sein: Drogenkonsum, mehr als acht Punkte in Flensburg oder körperliche Gebrechen. Bei Alkoholfahrten liegt die Grenze für Ersttäter in einigen Bundesländern nicht bei 1,6, sondern 1,1 Promille. Wer betrunken Fahrrad fährt, dem droht ab 1,6 Promille eine MPU. Diese kann bei bundesweit 13 Trägern von Begutachtungsstellen und mehr als 250 amtlich anerkannten Stellen abgelegt werden. Unterstützung finden Betroffene unter anderem bei:
www.bast.de
www.dekra.de           
www.dekra-akademie.de     
www.mpu.de/mpu
www.tuev.süd.de