Nissan Ariya und Qashqai e-Power Wie elektrisch hätten Sie’s gerne?

Nissan Ariya, Nissan Qashqai e-Power Foto: Nissan 15 Bilder

Mit Qashqai e-Power und Ariya bringt Nissan im Boom-Segment der kompakten Crossover gleich zwei neue Modelle. Beide fahren elektrisch, doch die Konzepte unterscheiden sich grundlegend.

Einmal Elektro, immer Elektro: Laut Umfragen wollen die meisten E-Auto-Fahrer nicht mehr zurück zum Verbrenner. Doch wie die Leute zum Umsteigen bewegen? Nissan will es potenziellen Kunden gleich mit zwei neuen Modellen schmackhaft machen, mit dem vollelektrischen Ariya – dazu später - und dem Qashqai e-Power.

Letzterer ist allerdings kein Elektro-, sondern ein Hybridauto, das sich wie ein Stromer fährt. Wie das geht? Die meisten Vollhybriden kombinieren einen starken Benziner mit einer schwächeren E-Maschine und kleiner Batterie. Die Hauptarbeit übernimmt der Verbrenner. Anfahren und langsames Cruisen auf kurzen Distanzen klappt aber mit Strom. Wird kurzfristig mehr Power benötigt, laufen beide Antriebe parallel. So lange eben, bis die kleine Batterie leer ist und beim Bremsen durch Rekuperation wieder befüllt wird. Bei höheren Geschwindigkeiten aber schiebt nur der Verbrenner an. Weshalb solche Vollhybride in der Stadt und Überland am sparsamsten fahren. Je mehr Stopp-and-Go, desto besser.

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Der Qashqai e-Power ist kein Elektro-, sondern ein Hybridauto, das sich wie ein Stromer fährt.

Qashqai: Verbrenner als Stromlieferant

Nissan fährt eine andere Strategie. Hier hat der E-Motor das Sagen. Der Benziner läuft nur mit, um den nötigen Strom zu produzieren. In Zahlen: Der E-Motor des Qashqai kommt auf 190, der Benziner nur auf 158 PS. Handelt es sich also um einen Range Extender? Nein, denn der würde den Strom ausschließlich in die Batterie liefern. Im Nissan jedoch befeuert der Benziner über einen Wechselrichter entweder die Batterie oder bei Bedarf auch den E-Motor direkt. Eine direkte Verbindung zwischen Verbrenner und Rädern gibt es nicht. Der Nissan Qashqai wird also immer elektrisch angetrieben.

Aufwendig: variable Verdichtung für optimalen Wirkungsgrad

Klingt einfach, ist aber sehr aufwendig gelöst. Denn der Dreizylindermotor passt seine Verdichtung an, indem er seinen Kolbenhub je nach Leistungsbedarf verändert. Weshalb Nissan einen variablen Hubraum von 1.477 bis 1.497 cm3 angibt. Bei geringer Last und gleichbleibendem Tempo füttert das Aggregat nur den Akku und läuft im hohen Verdichtungsverhältnis – gut für Verbrauch und Emissionen. Muss es Power liefern und höher drehen, wird die Verdichtung verringert.

Von all dem spürt und vor allem hört der Fahrer nichts. Denn im Unterschied zu den meisten Hybriden erhöht der e-Power-Motor die Drehzahl schrittweise, parallel zur Geschwindigkeit. Erst bei schneller Fahrt dreht der Motor richtig hoch. Autos mit stufenlosem Getriebe heulen dagegen schon beim ersten Tritt aufs Gaspedal auf, ohne dass der Wagen fühlbar beschleunigt. Viele Menschen irritiert das.

Nissan Qashqai e-Power 2022 Foto: Nissan
Der Qashqai e-Power fühlt sich tatsächlich fast wie ein E-Auto an.

Hybridantrieb: Aufpreis, wie sonst für einen Diesel

So fühlt sich der Qashqai e-Power tatsächlich fast wie ein E-Auto an. Da auch hier das maximale Drehmoment aus dem Stand heraus da ist, schiebt er munter und ohne die vom Diesel oder Benziner bekannte Gedenksekunde an. Allerdings nicht so druckvoll, wie man’s vom E-Auto kennt, schon um die nur 2,1 kWh große Batterie zu schonen. Aber eben doch spürbar kräftiger als der normale, 158 PS starke Benziner. In 7,9 Sekunden sind 100 km/h erreicht und bei 170 km/h ist Schluss. Mehr lässt der E-Motor nicht zu.

Fürs E-Auto-Feeling sorgt das Ein-Pedal-Fahren. Geht man vom Gas, bremst beziehungsweise rekuperiert der Hybride mit 0,2 g bis auf fünf km/h herunter. Außerdem unterdrückt eine Gegenschallanlage sämtliche Motorengeräusche. Weder im Leerlauf noch beim Fahren ist der Dreizylinder zu hören. Und der Verbrauch? Liegt in der Praxis bei fünf bis sechs Litern und selbst bei strammer Fahrweise wenig darüber.

Verbrauchstechnisch fährt der Qashqai e-Power also im Bereich eines Diesels. Somit ist der Aufpreis von gut 2.000 Euro netto gegenüber dem 1,3-Liter-Benziner mit Automatikgetriebe vertretbar. Der frontgetriebene e-Power startet bei rund 34.750 Euro netto in der mittleren, schon sehr gut ausgestatteten Ausstattung N-Connecta. Auch ein Allradantrieb ist geplant.

Ariya: 9.000 Euro Prämie für alle Versionen

Wer sich im boomenden Segment der Mittelklasse-SUV und -Crossover aber doch auf ein E-Auto einlassen will, den bedient Nissan mit dem Ariya. Der knapp 4,60 Meter lange Stromer startet mit zwei Batteriegrößen, 218 bis 306 PS starken Motoren sowie Reichweiten zwischen 400 und 520 Kilometern in einem Segment, in dem sich VW ID.4/ID.5, Skoda Enyaq und die koreanischen Geschwister Kia EV6 und Hyundai Ioniq 5 momentan verkaufen wie geschnitten Brot.

Nissan Ariya 2022 Foto: Nissan
Der Ariya wurde von Anfang an als E-Auto entwickelt.

Dabei ließ sich Nissan erstaunlich viel Zeit. Chipkrise, Ukraine-Krieg und all die anderen Widrigkeiten traf die Marke wie alle Hersteller. Wer den Ariya zu Preisen ab knapp unter 40.000 Euro netto schon vor Markteinführung blind orderte, wird ihn noch in diesem Jahr bekommen. Alle anderen müssen definitiv bis 2023 warten – mit dem Risiko, dass der Umweltbonus flöten geht.

Viel Platz und elektrisch verschiebbare Mittelkonsole

Wie das Schwestermodell Renault Mégane E-Tech basiert der Ariya auf der CMF-EV-Plattform der Allianz, wurde also von Anfang an als E-Auto entwickelt. Mit dem üblich guten Raumangebot sowie einer elektrisch verschiebbaren Mittelkonsole mit großem Fach zwischen den Sitzen. Die Batterie sitzt tief im Boden, so dass auch die Fondpassagiere ihre Knie nicht stark abwinkeln müssen und bequem sitzen. Auch der Kofferraum passt, trotz der recht hohen Ladekante: 468 Liter Gepäck lassen sich durch die große Klappe einladen, bei umgelegten Sitzen sind es 1.778 Liter (VW ID.4: 543-1.545 Liter).

Im minimalistisch aufgeräumten Armaturenbrett finden sich neben den beiden vielfach konfigurierbaren Bildschirmen nur noch ein Lautstärkeregler sowie die üblichen Lenkradtasten. Die Klimafunktionen werden über Druckschalter in der unteren Leiste der Instrumententafel bedient. Sieht schick aus, ist aber nicht durchdacht, denn die Sitzklimatisierung muss man umständlich übers Untermenü des Touchscreens einstellen.

Nissan Ariya 2022 Foto: Nissan
Viel Platz und eine verschiebbare Mittelkonsole im Ariya.

Dafür passt die Übersicht: Schmale A-Säulen geben den Blick in die Kurven frei, das Head-up-Display zeigt alle wichtigen Infos direkt im Blickfeld. Insgesamt unterscheidet sich das Bedienkonzept kaum von den Wettbewerbern: viel Touch, ein bisschen Sprache (über Alexa) sowie volle Vernetzung. Der Wagen ist ständig online, die Software wird over the air aktualisiert.

Für die Ladeplanung auf langen Routen nutzt Nissan das Ladenetzwerk von Plugsurfing. So soll der Ariya Stopps anhand von Batteriestand, Verkehrslage und freien Ladepunkten planen. Vielfahrer können für 13 Euro monatliche Grundgebühr über die Nissan Charge APP für nur 30 Cent/kWh bei Ionity laden. An anderen Ladepunkten gelten die Plugsurfing-Tarife.

Laden: 30 Minuten für 350 Kilometer

Dass die maximale Ladeleistung bei nur 130 kW liegt, dürfte höchstens Vielfahrer stören. Ansonsten saugt der Akku in 30 Minuten Energie für bis zu 350 Kilometer. Sofern der Akku vorkonditioniert wird, was der Wagen nicht automatisch tut. Selbst wenn ein Schnelllader im Navi als Ziel eingestellt ist, muss der Fahrer daran denken, die Akkus darauf vorzubereiten. Dafür zapft der Ariya an den in den Städten verbreiteten AC-Ladern Strom nicht wie üblich nur mit elf, sondern mit 22 kW.

Foto: Nissan
Fahrwerk und Antrieb sind ganz auf Komfort getrimmt.

Im Gegensatz zu den Individualisierungsmeistern Audi, Mercedes oder BMW setzt Nissan auf eine einfache Modellstruktur. Das Basismodell mit 66-kWh-Akku und 218-PS-Motor kostet unter 40.000 Euro und sorgt für 9.000 Euro Prämie. Die 91-kWh-Batterie und die 242 beziehungsweise 306 PS starken Varianten werden wie Extras behandelt, sodass es auch hier den vollen Bonus gibt. Die Grundversion ist bereits sehr gut ausgestattet: Navigation, elektrisch verstellbare Sitze, 19-Zoll-Räder sowie ein umfangreiches Assistenzpaket werden serienmäßig geliefert.

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Zusätzlich gibt’s für 3.780 netto das Evolve Pack. Erst damit kann der Ariya dreiphasig mit 22 kW laden. Aber auch wegen der vielen anderen Extras lohnt sich das Paket: Head-up-Display, Ladeschale, Bose-Sound, Glasdach, Klima- und beheizbare Rücksitze steigern auch den späteren Restwert.

Fahrwerk und Antrieb sind ganz auf Komfort getrimmt. Der Ariya fährt sanft, reagiert nicht wie manche E-Autos zu bissig beim Tritt aufs Strompedal. Er federt angenehm weich, lässt sich dank der direkten, präzisen Lenkung trotzdem flott ums Eck bewegen.

Nissan Qashqai 1.3 Xtronic Allrad Test (2022)
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