Porsche 911 Targa (992) im Fahrbericht Offen für mehr

Posche 911 Targa 2021 Foto: Porsche 17 Bilder

Dass ein 911 schnell ist, müssen wir niemandem erzählen. Aber kriegt er auch als Geschäftswagen die Kurve?

Mit einem solchen Erfolg dürfte niemand bei Porsche gerechnet haben, als die Marke 1965 den Targa für den US-Markt entwickelt wurde. Schließlich war das herausnehmbare Mittelstück des Dachs nur eine Notlösung, den strengen Sicherheitsanforderungen der US-Behörden geschuldet, die Cabrios ohne Überrollbügel nicht zuließen.

Sieben Generationen später gibt es den Targa immer noch. Er hat sich längst zum Klassiker entwickelt und einen festen Platz im Porsche-Modellprogramm. Seit Mitte 2020 auch auf Basis der aktuellen 992-Modellreihe, mit gleicher Technik und bis zu 450 PS starken Turbo-Sechszylindern.

Nun kann man sich einem 911er auf viele Arten nähern. Ihn über eine Rennstrecke jagen, die Grenzbereiche ausloten, die Porsche so weit nach außen verlegt, dass sie ein normaler Autofahrer auf öffentlichen Straßen hoffentlich nie austestet. Über die Beschleunigung und die Kraftreserven schreiben, die stets jenseits aller im Alltag anfallenden Notwendigkeiten liegen. Haken wir die Grunddaten unseres Testwagens, einem Targa 4S, also kurz ab: 0 bis 100 in 3,8 Sekunden, über 300 km/h Spitze, Grundpreis mindestens 122.471 Euro, wobei es dabei niemals bleibt. Der durchschnittliche Käufer dürfte immer Extras im Wert eines Kleinwagens hinzukonfigurieren. Das reduziert die potenziellen Kunden für ein solches Auto schnell: top situiert, älter, häufig männlich.

Posche 911 Targa 2021 Foto: Porsche
Von diesem Parkplatz dürften viele Firmenwagenberechtigte träumen.

Der typische Geschäftsmann eben, gerne Anwalt, Arzt oder Berater, der – und das macht dieses Auto eben auch aus – es nicht als Sport-, sondern als Geschäftswagen sieht und nutzt. Was viele nämlich nicht wissen: ein 911 ist ein durchaus alltagstaugliches Gefährt. Keine hypernervöse Diva oder aufreizend, aber immer auf dem Sprung. Weil Power im Überfluss zur Verfügung steht, besteht bei normalem Tempo keine Notwendigkeit, dass der Motor übermäßig hochdreht. Man rollt mit 50 km/h und knapp über Leerlaufdrehzahl entspannt durch die Stadt, gleitet im Achten lässig mit 100 über die Landstraße oder mit 2.500 Touren und 180 Sachen über die Autobahn – und hat immer Spaß. Weil der Motor unaufdringlich sonor brabbelt und man weiß: es geht auch anders.

Nun hat jeder Autokäufer seine eigenen Vorstellungen vom perfekten Geschäftswagen. Den riesigen Kofferraum eines Kombis etwa bietet ein Targa nicht. Doch unter dem eleganten Glasdach überm Motor und in dem großen Fach unter der vorderen Haube lässt sich mehr als nur das kleine Tagesgepäck verstauen. Einziger Nachteil: Aufs offene Fahren muss man mit Gepäck unter der Glaskuppel verzichten. Denn dort verstaut die aufwendige Mechanik das Dach im Open-Air-Modus. Der Vorgang schindet mächtig Eindruck: Auf Tastendruck hebt sich die Fondscheibe, kippt und fährt nach hinten. Darauf wird das Softtop z-förmig gefaltet, hinter den Fondsitzen abgelegt und die Scheibe wieder geschlossen. Dabei erkennen Sensoren, wenn das Auto zu dicht an einer Wand parkt und stoppen den Vorgang.

Posche 911 Targa 2021 Foto: Porsche
Joystick statt großer Automatikwählhebel wie im Vorgänger.

Wie aber steht’s um den Fahrkomfort? Eignet sich ein solcher Sportwagen für lange Strecken? Kommt drauf an: Sofern nicht die rennstreckentaugliche Sportschaltung der adaptiven Dämpfer aktiviert ist, federt das adaptive Fahrwerk sehr viel manierlicher als mancher SUV, trotz der extrem flachen Reifen. Wer sich die Mühe macht und alle Knöpfe seitlich an den elektrisch verstellbaren Sportsitze durchspielt, passt Schenkelauflage, Seitenwangen und Lordosenstütze dem Rücken an und steigt nach mehrstündiger Fahrt recht entspannt wieder aus. Und wenn der Bordstein vor der heimischen Garage zu hoch ist, hebt er den Vorderwagen um vier Zentimeter an. Das System speichert die Stelle im Navisystem und aktiviert den Lift künftig automatisch.

Obwohl ein 911 immer noch ein Fahrerauto ist, bietet Porsche mit dem Inno Drive eine aktive Fahrhilfe an. Wie üblich checkt dessen Abstandstempomat die Strecke ab, bremst rechtzeitig vor Tempolimits, Kurven oder Stopp-Stellen und berechnet die optimale Beschleunigung und Verzögerung. Hier aber funktioniert der elektronische Co-Pilot völlig unaufgeregt, verkehrsangepasst und ohne den Fahrer zu bevormunden. Außerdem kann der Fahrer Parameter wie beispielsweise die zulässige Maximalgeschwindigkeit mit ein paar Klicks übers intuitiv erfassbare Bordmenü schnell ändern.

Auch alle anderen Funktionen des voll vernetzten Wagens lassen sich einfach einstellen. Apple Car Play, Streamingdienste oder Online-Radio sind mit einem Klick über den Touchscreen oder über einen praktischen Drehknopf in der Mittelkonsole erreichbar, gesprochene Sonderziele findet die Navigation zuverlässig im Internet und die Akustik eines Telefonats über die Freisprecheinrichtung passt selbst bei schneller Fahrt und offenem Dach.

Posche 911 Targa 2021 Foto: Porsche
Der schnelle Weg zum Frischluftvergnügen: Auf Knopfdruck faltet sich das Dachteil unter die Glaskuppel, die dafür nach hinten wegklappt.

Womit wir zum entscheidenden Punkt kommen. Bei offenem Dach tobt der Fahrtwind nicht durch den Innenraum, sondern über die Köpfe hinweg. Abgelenkt von dem im Bügel integrierten Windabweiser, der zwischen 50 und 145 km/h seine maximale Wirkung entfaltet. Schnell offen zu fahren ist hier sehr viel entspannter als im Cabriolet, über 130 km/h macht’s wegen des Lärms trotzdem nicht mehr viel Spaß. Und mit geschlossenem Dach ist der Targa dank der großen Heckscheibe sehr viel heller und luftiger als Cabrio oder Limousine.

So schafft die aktuelle Baureihe 992 den Spagat zwischen reinrassigem Sport- und alltagstauglichem Langstreckenwagen perfekt. Komfortabel und schnell sind alle Versionen des 911, am stilvollsten ist zweifelsohne der Targa. Daran haben insgesamt acht Fahrzeuggenerationen nichts geändert.