Renault Kangoo Rapid (2021) Fahrbericht Lieferwagen mit cleveren Ideen

Renault Kangoo Rapid 2021 Foto: Julian Hoffmann 11 Bilder

Mit cleveren Details geht die dritte Generation des Kangoo typische Probleme eines Stadtlieferwagens an – und eines, das vorher wohl kaum jemand auf dem Schirm hatte.

Rundlich, schmal, ja geradezu unscheinbar kam der Renault Kangoo bis dato daher. Die überaus freundliche Erscheinung – mit der dritten Generation ist sie Geschichte. Der neue Stadtlieferwagen nämlich wirkt mit seinen klar gezeichneten und in Voll-LED erhältlichen Scheinwerfern, dem optischen Unterfahrschutz und der ausgeprägten Schulterlinie jetzt kühler, kräftiger und breiter. Auch auf das Erscheinungsbild hinter dem Lenkrad hat das Einfluss: War man in der zweiten Generation mit Blick auf die hohe Windschutzscheibe gefühlt noch mehr unter freiem Himmel als im Auto gesessen, so fühlt man sich jetzt geborgener – was die wirklichen Sichtverhältnisse jedoch nicht beeinträchtigt. Womit wir bei den Kangoo-Ideen für das typische Stadtlieferwagen-Problem Nummer eins wären, der eingeschränkten Sicht zur Seite und nach hinten.

Rückfahrkamera statt Rückspiegel

Die Außenspiegel hat Renault hierfür im Vergleich zum Vorgänger mal eben um 35 Prozent vergrößert. Und einen klassischen Rückspiegel in Ermangelung einer Rückscheibe im Falle der vollverblechten Varianten ganz einfach durch einen Monitor ersetzt. Der Rear View Assist gibt während der Fahrt permanent das Bild einer Kamera wieder, die über den Hecktüren auf dem Dach angebracht ist. Zuerst ist das gewöhnungsbedürftig, weil der Monitor nicht das Format eines Rückspiegels hat und ein Bildschirm optisch einfach anders wirkt als ein Spiegel. Doch schon nach einigen Minuten nutzt man das System ganz selbstverständlich.

Automatisiertes Fahren auf der Autobahn

Hinzu kommt: Auch für den Toten Winkel hat Renault Lösungen parat. Für die Sonnenblende auf der Beifahrerseite ist ein Weitwinkelspiegel zu haben, durch den sich beispielsweise beim Rechtsabbiegen in der Stadt andere Verkehrsteilnehmer beobachten lassen. Dazu sorgt der Tote-Winkel-Assistent mit leichten Lenkkorrekturen bei höheren Geschwindigkeiten dafür, dass man nicht unbeabsichtigt aus der Spur fährt. Ein Toter-Winkel-Warner mit aufleuchtenden Warndreiecken in den Außenspiegeln ergänzt dieses System. Der später verfügbare adaptive Tempomat mit Stop&Go-Funktion wiederum geht sogar noch einen Schritt weiter – ebenso wie der für die Klasse der Stadtlieferwagen fast schon sensationelle Autobahn- und Stauassistent, der das Steuer kurzzeitig sogar komplett übernimmt.

Und auch der Easy-Park-Assistent, der Parklücken selbstständig erkennen kann und dann die Lenkarbeit managt, muss hier noch erwähnt werden. Ein Ausstattungsfeature, das die Brücke schlägt zum Problem Nummer zwei in typischen Stadtlieferwagen: dem üblicherweise knappen Komfort, dem man dem neuen Kangoo zumindest im Falle einer Vollausstattung kaum nachsagen kann.

Multimediasystem mit Over-the-Air-Updates

Dann nämlich weiß der Franzose mit einigen modernen Annehmlichkeiten zu überzeugen. Eine Ablage zum induktiven Laden für das Smartphone kann Renault auffahren und ein mit einer USB-Schnittstelle ausstaffiertes Fach im Armaturenbrett. Über der Mittelkonsole mit Zwei-Zonen-Klimaautomatik und schicker Motor-Start-Taste (inklusive des schlüssellosen Zugangs zum Kangoo) thront der Acht-Zoll-Touchscreen des Online-Multimediasystems Easy Link. Das ist mit und ohne Navigation samt Spurführungs- und Tempolimithilfe sowie Echtzeit-Verkehrsmeldungen und Infos zum Beispiel zu den Spritpreisen verfügbar. Außerdem wird es mit Over-The-Air-Updates auf dem Laufenden gehalten und kann Smartphones via Apple CarPlay und Android Auto koppeln. Nur der klassische Handbremshebel will in dieser Zusammenstellung nicht so recht passen – er wird später laut Renault aber zumindest optional durch ein elektronisches Parkbremssystem ergänzt.

Open Sesame by Renault: Ladeöffnung ohne B-Säule

Neben all diesen Neuheiten, die den Kangoo wieder auf die Höhe der Zeit bringen, hat Renault aber auch ein technisches Feature in petto, das ein Problem anspricht, das eigentlich gar keines war. Stichwort: Open Sesame by Renault. Dieses System mit dem wohl größten Aha-Effekt ermöglicht durch den Verzicht einer konventionellen B-Säule auf der Beifahrerseite eine seitliche Ladeöffnung von satten 1,45 Metern. Lange oder sperrige Güter sollen so auch dann noch ihren Weg in den Kangoo finden, wenn sich die Hecktüren in einer engen Parklücke nur schwer öffnen lassen. Und im Falle von schwenkbaren Ausbauten ist ohne die B-Säule zudem der Zustieg ins Auto nicht mehr nötig, um beispielsweise Werkzeuge zu entnehmen.

Die bis 90 Grad öffnende Beifahrertür und die Schiebetür können nach Belieben bedient werden, auch die passive Sicherheit soll das System dank integrierter Verstärkungen nicht einschränken. Zum Start ist Open Sesame by Renault gar Serie, für die spätere Langversion wird sie dagegen nicht erhältlich sein. Anders wiederum verhält es sich mit dem für beide Varianten lieferbaren Easy Inside Rack. Mit dieser einklappbaren Innengalerie können beispielsweise lange Rohre direkt unter dem Dach transportiert werden, was Platz spart am Laderaumboden.

Eco-Leader-Variante mit 110 km/h Top-Speed

Doch auch sonst – abseits cleverer Details – überzeugt der Kangoo mit der von uns gefahrenen Motor-Getriebe-Kombination. Der 95 PS und 260 Nm starke Selbstzünder bewegt den Renault auch mit 280 Kilo Ballast im Laderaum noch souverän über die Lande, das Sechsgang-Getriebe lässt sich präzise schalten. Im Vergleich zum Vorgänger dringt der Diesel weit weniger kräftig in den Innenraum, zudem sorgt das in Höhe und Tiefe verstellbare Lenkrad für eine bequeme Fahrposition. Allein die Eco-Leader-Variante, die den Stadtlieferwagen bei 110 km/h abregelt, dürfte so mancher Fahrer Freitag nachmittags als wenig clever empfinden.

Fazit

Ein umfangreiches Update für den schon lange Zeit kaum modernisierten Kangoo war überfällig. Die dritte Generation stellt Renault mit zahlreichen Assistenzsystemen und praktischen Lade-Features jetzt dafür geradezu innovativ auf. Und na klar: Auch eine vollelektrische Variante ist bereits angekündigt. Sie soll mit einer Reichweite von rund 265 Kilometern 2022 kommen.