Sensoren im Autoreifen Reifen denken bald mit

Continental Sensoren 2021 Foto: Continental

"Schwarz, breit, stark": Dieser Werbeslogan reicht heute nicht mehr aus, um gute Reifen zu beschreiben. Nachhaltig, intelligent und anpassungsfähig soll die nächste Reifengeneration sein.

Der Umbruch in der Automobilindustrie macht auch vor Reifenherstellern nicht halt. Schon seit Jahren wandeln sich die Ansprüche an die einzigen Kontaktflächen zwischen Auto und Straße. Stand anfangs vor allem die Sicherheit im Mittelpunkt, gehen die Anforderungen heute weit darüber hinaus: spezielle Pneus für E-Autos, Nachhaltigkeit entlang der gesamten Produktion, Lang­lebigkeit sowie jede Menge Sensoren, die aus den vormaligen "Schlappen" intelligente Reifen machen, anpassungsfähig, vorausschauend und selbst wartend.

Alle Hersteller setzen schon aufgrund der ­international immer schärferen CO2-Vorgaben auf Nachhaltigkeit. Ein geringer Rollwiderstand spart Sprit, was wiederum den CO2-Ausstoß senkt. Das freut auch das Budget des Fuhrparkleiters. Doch der Trend zum grünen Reifen beginnt schon bei der Herstellung und endet erst bei der Lebensdauer. Bridgestone hat beispielsweise gemeinsam mit dem Kautschukproduzenten Arlanxeo und dem Chemiekonzern Solvay eine Reifentechnologie-Plattform namens Techsyn entwickelt. Der Fokus liegt auf weniger Reifenverschleiß. Dank chemisch optimierter synthetischer Kautschuks mit spezieller Silica-Mischung sollen die Reifen bis zu 30 Prozent weniger Verschleiß und einen um 6 Prozent reduzierten Rollwiderstand aufweisen – im Vergleich zu bisherigen Bridgestone-Sommerreifen. Das spart neben Sprit Rohmaterial.

An dem wiederum tüfteln Goodyear-Entwickler. Sie fanden heraus, dass sich die Verwendung von Sojaöl positiv auf Laufleistung und Lebensdauer der Pneus auswirkt. Bis zum Jahr 2040 will Goodyear im gesamten Portfolio den Rohstoff Erdöl ersetzen. Gleichzeitig wurde eine neue Richtlinie für den nachhaltigen und verantwortungsvollen Anbau von Sojabohnen in Kraft gesetzt. Sie bezieht sich auf die gesamte Produktions- und Lieferkette für Materialien auf Sojabasis. Continental arbeitet schon seit 2018 an einer Alternative für Naturkautschuk, der in riesigen Monokulturen angebaut wird – und hat dafür russischen Löwenzahn im Visier.

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Michelin wiederum will bis 2050 seine Reifen vollständig aus erneuerbaren, recycelten und biologisch erzeugten Materialien produzieren. Beim aktuellen und bisher umweltfreundlichsten Michelin-Reifen e.Primacy spielte bereits bei der Entwicklung die Ökobilanz eine wichtige Rolle. Durch reduzierten Rollwiderstand und CO2-Ausstoß spare ein Pkw pro 100 Kilometer bis zu 0,21 Liter Kraftstoff.

Auch Nokian hat sich zum Unternehmensziel gemacht, bis 2025 einen Konzeptreifen zu entwickeln, der ausschließlich aus erneuerbaren und recycelten Materialien besteht. Die Finnen verwenden bereits seit Jahren biobasierte Materialien wie Rapsöl in ihren Produkten und forschen an der Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Rohstoffe.

Und dann sind da noch die speziell für Elektrofahrzeuge entwickelten Pneus, welche – bedingt durch die starke Beschleunigung und das höhere Gewicht bei gleichzeitig reduzierten Geschwindigkeiten – anders belastet werden als durch Benziner oder Diesel. VW setzt beim ID.3 auf eigens entwickelte Goodyear-Reifen, und Volvo hat mit zwei Reifenherstellern einen Recharge genannten, rollwiderstandsoptimierten Ganzjahresreifen entwickelt, der ­standardmäßig auf den neuen Elektromodellen aufgezogen wird. Doch auch abseits der Materialien tut sich einiges. Künftige Reifengenerationen werden viel mehr mit dem Fahrzeug kommunizieren. Bereits kleine Schäden am Pneu werden dann von Sensoren erkannt und der Fahrzeugsoftware gemeldet. ­Continental etwa hat eine Technologie entwickelt, die ständig Informationen über den Straßenzustand und die Reifenbeschaffenheit überträgt. Das minimiert auch den Verschleiß und den Kraftstoffverbrauch. In Zukunft, so Continental, "werden intelligente Reifen nicht nur anzeigen, dass sie Pflege brauchen, sondern sie werden sogar in der Lage sein, sich selbst während der Fahrt zu warten".

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­Goodyear hat zur Effizienzsteigerung ebenfalls eine intelligente Reifentechnologie im Blick, die Reifendaten erfasst, analysiert und meldet. Die Fahrzeugdaten aus den Reifensensoren werden in Echtzeit übertragen und per App, SMS oder einem Flottenmanagement­system an den jeweiligen Nutzer gesendet. So kann der Reifendruck jederzeit optimal gehalten werden, was zu Fahrsicherheit und Effizienz beiträgt. All diese Technologien werden sich auch auf das Reifenersatz­geschäft im Fuhrpark auswirken. Je "intelligenter", sprich vorausschauender sich zukünftige Reifengenerationen verhalten, desto weiter könnten sich Reparatur- und Wartungskosten reduzieren.

Dadurch, dass neue Reifengenerationen auch besser mit wechselnden klimatischen Bedingungen umgehen können, wie sie im Rahmen des Klimawandels zu erwarten sind, könnte es sein, dass der Trend zusammen mit der Elektromobilität hin zum Ganzjahresreifen auf breiterer Front geht, was Kosten für Reifenwechsel und -einlagerung, aber auch für Felgen spart. Es bleibt also spannend im Segment der schwarzen Gummis – auch wenn sie im Dienste des Rollwiderstands nicht mehr ganz so breit sind.