Tank-Apps Hat die Tankkarte ausgedient?

Shell Pay Foto: -

Mineralölgesellschaften entwickeln Apps, die Tankkarten ersetzen. Sie machen den Gang zur Kasse überflüssig.

Über Mobile Payment, die bargeldlose Zahlung mit einem mobilen Endgerät, wird in Deutschland seit Jahren diskutiert. Spöttische Zungen behaupten längst, dass die Zahl der Studien und Vorträge zu diesem Thema deutlich höher sei als die Zahl der tatsächlichen Transaktionen. Denn nach wie vor bevorzugen die Deutschen Bargeld und Kartenzahlung.

Doch seit große Internetunternehmen mit den Bezahldiensten Google Pay und Apple Pay in den deutschen Markt eingestiegen sind, bekommt das Thema eine ganz neue Dynamik. Eine Vorreiterrolle übernimmt wieder einmal die Tankstellenbranche, die schon in den 90er Jahren entscheidender Treiber bei der Einführung des EC-Kartensystems war und auch als eine der ersten die kontaktlose Kartenzahlung akzeptierte. In den letzten Jahren hat die Branche umfassend in die notwendige Infrastruktur für das mobile Zahlen investiert. So kann der Kunde beispielsweise an fast 12.000 Stationen mit Google Pay und Apple Pay bezahlen.

Und jetzt bringen immer mehr Mineralölgesellschaften eigene digitale Bezahllösungen auf den Markt. Allen voran Shell. Das Unternehmen ist bereits 2015 in die Digitalisierung der Karten eingestiegen. Im Bereich der Shell Card wurde zunächst ein Online-Verwaltungstool entwickelt und im nächsten Schritt die passende App zur Verfügung gestellt. Fuhrparkmanager können damit auch von unterwegs die Kosten kontrollieren, Kartenlimits setzen, Karten sperren lassen oder den Kraftstoffverbrauch individuell für jede Tankkarte nachvollziehen. Als weiterer digitaler Service kommt nun Shell Smart Pay hinzu, zunächst für Privatkunden, ab Sommer auch für Geschäftskunden. "Unsere Kunden können ihre Tankfüllung über die Shell App bezahlen, in der die Tankkarte als Zahlungsmittel hinterlegt ist. Das verschafft Fahrern, die es eilig haben, einfach mehr Zeit und bedeutet keinen Mehraufwand für Fuhrparkmanager, da alles über eine Rechnung abgebildet wird", erläutert Geschäftsführer Rainer Klöpfer.

Auch Total setzt auf eine eigene Lösung, die zusammen mit dem Carsharing-Anbieter Drive Now entwickelt wurde. Dessen Fahrer können an allen Total-Stationen vom Auto ausbezahlen, da die Zahlfunktionen der Tankkarte in der Technik des Autos hinterlegt wurden. Die in diesem Projekt entwickelte In­frastruktur kommt jetzt allen Kartenkunden zugute. Dazu wird die Total-App, die bisher Funktionen wie Tankstellensuche, Informationen zur Tankstelle und Navigationssoftware enthält, um die Bezahlfunktion erweitert. In Zukunft kann der Kunde dann zwischen "Pay at pump" und "Pay at shop" auswählen. Wählt er die Zahlung an der Zapfsäule, muss er lediglich über die App den Zapfpunkt, die Kraftstoffart und die Bezahlart wählen. Darauf startet das System eine Vorautorisierung ähnlich wie beim Tankautomaten, die Säule wird freigeschaltet, und schon fließt der Sprit. Am Ende nennt die App den Betrag. Möchte der Kunde zusätzlich einkaufen, wählt er "Pay at shop" und bezahlt per App an der Kasse.

Die deutsche Tamoil nutzt beim mobilen Bezahlen an ihren HEM-Stationen die unternehmensübergreifende App von Ryd, ehemals Tanktaler. Im Auto wird eine kleine Blackbox mit der ODB-2-Schnittstelle verbunden. Zusammen mit der zugehörigen App kann der Fahrer dann nicht nur mobil bezahlen, sondern auch Kraftstoffpreise vergleichen, ein elektronisches Fahrtenbuch führen oder seinen Standort auslesen.

Mercedes C 180 CDI T Avantgarde, Tankstelle
Wer seinen Sprit per App bezahlt, muss nicht mehr Schlange stehen.

Alle Apps haben aber einen entscheidenden Nachteil: Sie sind Insellösungen, und damit fehlt es ihnen an Reichweite. Es sei denn, man nutzt Angebote freier Dienstleister wie DKV. "Man muss sich doch fragen, wie viele unterschiedliche Payment-Verfahren der Kunde am Ende bedienen möchte. Wir sind ein markenunabhängiger Partner. Daher muss unser Zahlungsmittel bei allen Partnern funktionieren", erklärt Sven Mehringer, Managing Director von DKV Euro Service. Im ersten Schritt wird das Unternehmen seine Tankkarte weiterentwickeln. Sobald eine Karte abläuft, bekommt der Kunde ein Exemplar mit Chipkarte für kontaktloses und kontaktbehaftetes Bezahlen.

Auch UTA arbeitet an einer digitalen Lösung. "Wir haben das Ziel, 2020 erste Transaktionen mit einer neuen mobilen Bezahlmöglichkeit durchzuführen. Dabei werden wir eine Wallet-App mit integrierter UTA-Karte nutzen", erklärt Produktplaner Edit Pljakic. Damit sei die schnelle Zahlung direkt an der Säule möglich. "Für uns steht dabei die Effizienz des Tankvorgangs im Vordergrund." Der Abrechnungsvorgang ändere sich bei der mobilen Lösung jedoch nicht: "Der Flottenmanager bekommt nach wie vor am Ende des Monats nur eine Abrechnung", betont der Kartenexperte.

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DKV hat bei allen Überlegungen zur Weiterentwicklung der Tankkarte nach eigenen Angaben vorwiegend den Kundennutzen im Auge. Da die App ohne PIN funktioniert, entfällt das für viele Unternehmen aufwendige PIN-Management. "Dennoch wird eine App nicht alle Kunden ansprechen", glaubt Mehringer. Tatsächlich bekommt nicht jeder Fahrer ein dienstliches Smartphone gestellt. Und in Autos mit ständig wechselnden Fahrern, beispielsweise in Rettungswagen, ist es einfacher, eine Plastikkarte mit den Fahrzeugpapieren weiterzugeben. "Der Kunde muss die Lösung akzeptieren, sie muss ihm helfen", erklärt Mehringer.